Am 07. Oktober 2021 wurde die Verordnung (EU) 2020/1503 (European Crowdfunding Service Provider Regulation / „ECSP-VO“) auf europäischer Ebene zur Harmonisierung von Crowdfunding-Aktivitäten verabschiedet. Am 10. November 2021 ist die Verordnung in Kraft getreten und stellt fortan den Regelungsrahmen für digitale, prospektfreie Schwarmfinanzierungsdienstleistungen in der Europäischen Union dar. Die ESMA hat zeitgleich ihren Bericht über den technische Regulierungsstandards (ESMA/35-42-1183) publiziert. Zur Eingrenzung der individuellen Verwaltung von Kreditportfolios wurde von der EBA am 12. Oktober 2021 der Draft “regulatory technical standards on individual portfolio management of loans offered by crowdfunding service providers” ((EU) 2020/1503 (EBA/RTS/2021/11)), im Folgenden „EBA-RTS“ genannt, veröffentlicht.
Nicht zuletzt aufgrund der Finanzkrise sind die risikoabhängigen Eigenkapitalanforderungen für Institute stetig gestiegen. Diese Entwicklung führt dazu, dass die Risikobereitschaft bei der Kapitalvergabe abgenommen hat und hieraus insbesondere im Kontext der Mittelstandsfinanzierung Investitionslücken bei Unternehmen auftreten. Wirtschafts- und europapolitisches Ziel der Verordnung ist es, einen regulierten Markt zu schaffen, durch den der Zugang zu Finanzierungen für KMU, Start-ups und Unternehmen optimiert werden kann. Die Verordnung führt eine EU-Lizenz für Unternehmensinvestitionen und kreditbasierte Crowdfunding-Plattformen ein, die nicht nur grenzüberschreitende Aktivitäten ermöglichen, sondern auch ein angemessenes Risikomanagement gewährleisten. Aus Crowdlending-Aktivitäten ergeben sich sowohl für Investoren als auch für Emittenten mannigfaltige Chancen und Risiken, welche einem umfassenden regulatorischen Rahmen benötigen.
Nach Inkrafttreten der ECSP-Verordnung und Ablauf der zweijährigen Übergangszeit am 10.11.2022 bedarf die Ausübung von kreditbasierten Crowdlending und investitionsbasierten Crowdinvesting Aktivitäten zukünftig einer Erlaubnis in Form von Lizenzen.
Von der Verordnung ist sowohl die nationale als auch die internationale Ausübung von Schwarmfinanzierungsdienstleistungen betroffen. Für die Erteilung der ECSP-Lizenzen sind die jeweiligen Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten (Im Fall von Deutschlands die BaFin) verantwortlich.
Die ECSP-VO verfolgt das Ziel der Schaffung eines angemessenen und attraktiven Regelwerks, welches Erleichterungen gegenüber des auf der EU-Finanzmarktrichtlinie beruhenden, bisher geltenden nationalen Ordnungsrahmens bieten soll. Gleichzeitig sorgt die Verordnung dafür, dass die daraus entstehenden Erleichterungen nicht anderen Finanzdienstleistern die Möglichkeit von regulatorischen Arbitrage bieten.
Auf dem Gebiet des kreditbasierten Crowdlending schafft die ECSP-VO einen einheitlichen europäischen Ordnungsrahmen für die Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen innerhalb der EU. Zwei Modelle des Crowdlendings haben sich im deutschen Markt etabliert. Bei Fronting-Bank-Modellen werden Kredite durch eine zwischengeschaltete Bank vergeben. Die finale Kreditvergaben wird hier jedoch an die Crowd abgetreten. Hierfür behilft sich die „Fronting Bank“ einer mit dem Schwarmdienstleister verbundenen Zweckgesellschaft. Die durch dieses Modell emittierten Darlehen erfüllen das Tatbestandsmerkmal der unbedingten Rückzahlbarkeit und fallen somit unter die ECSP-Verordnung. Anders das Modell der Vermittlung qualifiziert nachrangiger Darlehen: Dabei handelt sich um Darlehen mit insolvenzverhindernder, vorinsolvenzlicher Rückzahlungssperre, welche aufgrund der Eigenschaft der nicht unbedingten Rückzahlbarkeit nicht vom Anwendungsbereich der ECSP-VO erfasst werden.
Eine Neuerung, die mit der Einführung der ECSP-VO einhergeht, ist, dass gewöhnliche, nicht nachrangige Darlehen, die über einen Schwarmfinanzierungsdienstleister vermittelt werden, keiner Banklizenz mehr benötigen. Das Tragen des erhöhten Ausfallrisikos, das mit nachrangigen Darlehen einhergeht, wird daher für Crowd-Investoren unattraktiver.
Durch die ECSP-VO wurde darüber hinaus ein einheitlicher Regelungsrahmen für Prospektpflichten innerhalb der EU geschaffen. Die Anwendung der ECSP-VO ist auf Schwarmfinanzierungen mit Volumen von bis zu 5 Mio. Euro - berechnet über einen Zeitraum von zwölf Monaten - begrenzt. Unter diesem Betrag besteht keine Prospektpflicht, nach ECSP-VO ist jedoch ein standardisiertes Anlegerbasisinformationsblatt (Key Investment Information Sheet, KIIS) zu veröffentlichen. Letzteres wird nicht, wie bei Kapitalmarktprospekten üblich, eigens von der FMA geprüft und gebilligt, sondern vom Projektträger erstellt und über die Plattform bereitgestellt. Der Projektträger trägt die Haftung für die darin enthaltenen Informationen über die Projektträger, die angebotenen Instrumente sowie die Rechten und Gebühren für Anleger. Schwarmfinanzierungen für verbriefte Emissionen, die auf MiFID-II-Finanzinstrumente zurückgreifen, den Schwellenwert von 5 Mio. Euro nicht überschreiten und über eine Internet-Plattform vermittelt werden, fallen ausschließlich unter den Anwendungsbereich der ECSP-VO.
Auto-Invest-Funktionen werden durch die ECSP-Verordnung ausdrücklich erlaubt. Anlegern wird hierdurch das Festlegen bestimmter Kriterien für ihre Anlagen wie Zinssatz, Laufzeit, Rendite oder Investitionsvolumen ermöglicht. Investitionsprojekte werden basierend auf diesen Parametern durch die Plattform ausgewählt, und die entsprechenden Investitionen werden automatisch getätigt.
Das Anbieten von Schwarmfinanzierungsdienstleistungen unterliegt gem. Art. 12 ECSP-VO der Erlaubnispflicht und bedarf eines Lizenzierungsverfahrens zur Zulassung als Crowdfunding Service Provider. Bezugnehmend auf die Erlaubniserteilung anderer aufsichtsrechtlicher Regime ist nach Art. 12 Abs. 1 ECSP-VO der Antrag bei der zuständigen Behörde des ansässigen Mitgliedstaates zu stellen. Art. 48 ECSP-VO gewährt eine Übergangsfrist bis zum 10. November 2022 für Dienstleistungen der Schwarmfinanzierung, welche bereits vor dem Erlass der Verordnung angeboten wurden. Während der Übergangsperiode bis hin zur Zulassung ist das nationale Recht einzuhalten. Die ESMA stellt mit der Publikation des RTS einen umfangreichen Kriterienkatalog der Zulassungsvoraussetzungen gem. Art. 12 ECSP-VO zur Verfügung. Die Aufsichtsbehörde wird aufgrund der Neuheit des Regulierungsregimes im Rahmen der Bewertung der Schwarmfinanzierungsdienstleistung das Proportionalitätsprinzip als Ansatz zur Beurteilung verwenden.
Schwarmfinanzierungsdienstleister müssen gemäß Art. 12 ECSP-VO ein Musterformular für das aufsichtsrechtliche Zulassungsverfahren heranziehen. Diesem sind detaillierte Vorgaben und Konkretisierungen hinsichtlich der Anforderungen gemäß der ECSP-VO zu entnehmen.
Insbesondere sind hier die Informationspflichten bei der Antragstellung zu beachten. Hier muss über Daten zum Antragsteller, den Geschäftsplan, den Schwarmfinanzierungsdienstleistungen und den in diesem Rahmen eingesetzten Instrumenten informiert werden. Zusätzlich müssen Angaben zu den Governance-Reglungen und internen Kontrollmechanismen, der Kontrolle und Sicherung des Datenverarbeitungssystems, den operationellen Risiken sowie den Sicherheiten des Antragstellers nach Art. 11 ECSP-VO gemacht werden. Weitere Angaben zu der Geschäftsfortführung im Krisenfall, den Inhaberkontrollverfahren, möglichen Interessenkonflikten, Outsourcing und Beschwerdemanagement, Zahlungsdiensten, dem Anlagenbasisinformationsblatt sowie Anlagebeschränkungen sind ebenfalls notwendig.
Insbesondere hinsichtlich der operationellen Risiken sind im Rahmen der Informationspflicht entsprechende Risiken aus IT-Infrastruktur und IT-Verfahren zu identifizieren und anzugeben. Auch über die Vermögensverwahrung und mögliche Auslagerungen muss informiert werden. Beabsichtigt der Antragsteller seine Verantwortung an einen Dritten zu delegieren, so erfordert die Informationspflicht die Angabe von möglichen Risiken, die sich aus dem Outsourcing von Betriebsfunktionen ergeben. Zusätzlich ist der Umgang mit diesen Risiken zu erläutern, so müssen Systeme, Kontrollmechanismen und Verfahren aufgezeigt werden, welche eine Minimierung dieser Risiken sicherstellen.
Überdies sieht der Antrag einen eigenen Bereich für Outsourcing von Betriebsfunktionen vor, in welchem sowohl Angaben zu bestehenden Auslagerungen zu machen sind, als auch Pläne für zukünftige Auslagerungen aufzuzeigen sind.
Aus der Informationspflicht leitet sich ebenfalls die Notwendigkeit der Angabe aller bestehenden internen Regeln zur Erkennung und Regelung von potenziellen Interessenskonflikten ab. Im Antrag sind daher alle internen Verfahren, die zur Vermeidung von Interessenskonflikten des Antragstellers herangezogen werden anzugeben. Hierunter fällt auch das nach Art. 8 Abs. 2 ECSP-VO geregelte Verbot der Beteiligung des Crowdfunding-Dienstleisters an Projekten oder Projektträgern, die im Zusammenhang mit den eigenen Crowdfunding-Dienstleistungen stehen.
Die ECSP-VO bietet die Möglichkeit für digitale Finanzierungsdienstleisterneue regulierte Märkte zu erschließen und die eingangs skizzierte Finanzierungslücke mit einem umfassenden Produktangebot zu füllen. Herausfordernd dürfte die Anpassung der digitalen geschäftlichen Prozesse, die aufsichtsrechtliche Umsetzung sowie die Implementierung in der Organisationsstruktur sein. Als erste Hürde wird sich das Zulassungsverfahren und die Erfüllung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen insb. für bereits etablierte Dienstleister darstellen. Nicht alle Bestandteile der Verordnung sorgen für Klarheit. So ergeben sich aus der ECSP-VO auch zivilrechtliche offene Fragestellungen im Bezug auf das Verbraucherwiderrufsrecht.
Wir werden Sie mit weiteren Analysen zur „ECSP-VO“ und kommenden Umsetzungsherausforderungen in unserem Blog auf dem Laufenden halten.
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