Im Koalitionsvertrag von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP wird unter der Überschrift „Altersvorsorge“ zu staatlich organisierter Kapitaldeckung in der gesetzlichen und privaten Altersversorgung sowie auch zur betrieblichen Altersversorgung ausgeführt (Unterstreichungen durch den Autor):
„… Es wird keine Rentenkürzungen und keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben. Um diese Zusage generationengerecht abzusichern, werden wir zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenbeitragssatz in eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung einsteigen. Diese teilweise Kapitaldeckung soll als dauerhafter Fonds von einer unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stelle professionell verwaltet werden und global anlegen. Dazu werden wir in einem ersten Schritt der Deutschen Rentenversicherung im Jahr 2022 aus Haushaltsmitteln einen Kapitalstock von 10 Milliarden Euro zuführen. Der kapitalgedeckte Teil der gesetzlichen Rente muss für das Kollektiv der Beitragszahler dauerhaft eigentumsgeschützt sein. Wir werden der Deutschen Rentenversicherung auch ermöglichen, ihre Reserven am Kapitalmarkt reguliert anzulegen. ...
… Neben der gesetzlichen Rente bleiben die betriebliche wie private Altersvorsorge wichtig für ein gutes Leben im Alter.
Die betriebliche Altersversorgung wollen wir stärken, unter anderem durch die Erlaubnis von Anlagemöglichkeiten mit höheren Renditen. Zusätzlich muss das mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz bereits in der vorletzten Legislaturperiode auf den Weg gebrachte Sozialpartnermodell nun umgesetzt werden.
Wir werden das bisherige System der privaten Altersvorsorge grundlegend reformieren. Wir werden dazu das Angebot eines öffentlich verantworteten Fonds mit einem effektiven und kostengünstigen Angebot mit Abwahlmöglichkeit prüfen. Daneben werden wir die gesetzliche Anerkennung privater Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester prüfen. Eine Förderung soll Anreize für untere Einkommensgruppen bieten, diese Produkte in Anspruch zu nehmen. Es gilt ein Bestandschutz für laufende Riester-Verträge. …“
Bei der Diskussion staatlich organisierte Fonds wird der Blick vielfach in Richtung Skandinavien gelenkt. Vornehmlich die Staatsfonds aus Schweden und Norwegen, aber auch aus Dänemark, werden in Diskussionen hierzulande angeführt.
Während die Fonds in Schweden und Dänemark von auf den Arbeitsverhältnissen bzw. anderen Einkommensgrundlagen beruhenden Beiträgen gespeist werden, wird der Fonds in Norwegen durch die Öl-Einnahmen des Landes finanziert.
In Schweden und Dänemark erhalten die jeweiligen späteren Rentenempfänger neben ihrer gesetzlichen Rente aus dem nicht kapitalgedeckten System (umlage- oder steuerfinanziert) eine zusätzliche Rente aus dem entsprechenden Fonds.
In Norwegen hingegen trägt der Fonds u. a. zur Finanzierung der in den Rentenversicherungsbeiträgen enthaltene Kranken- und Arbeitslosen-versicherung sowie einer sogenannten Garantierente bei. Gleichzeitig kann hier der Staat unter strengen Bedingungen und mit Zustimmung des Parlaments Entnahmen vornehmen. Im entsprechenden Gesetz “Lov om Statens pensjonsfond” (in englischer Übersetzung: “Act relating to the Government Pension Fund“) heißt es „Central government shall not fund central government budget expenditure by borrowing as long as there is capital in the Government Pension Fund Global”.
Die Investitionen der Fonds erfolgen weltweit in eine Vielzahl von Unternehmen (von über 450 bis über 9.000 Unternehmen).
In der obenstehenden PDF finden Sie eine kompakte Darstellung einiger ausgewählter Eigenschaften der drei skandinavischen und staatlich organisierten Fonds. Sie enthält nicht nur Angaben zu der Zusammensetzung und den Volumina der Fonds, sondern auch Angaben zur Höhe der aktuellen, wiederkehrenden Leistungen, die in ausgewählten Fällen auch sinken können.
Zur Einordnung der Dimension der Leistungen sei an dieser Stelle auf die Formulierung der Website des dänischen Fonds zu dessen Zweck verwiesen: „ensure a basic financial security“.
Rechnet man die in unserer Präsentation angegebenen Volumina des schwedischen bzw. dänischen Fonds auf die Anzahl der Erwerbstätigen in Deutschland hoch, so ergeben sich im Verhältnis Werte von ca. 720 Mrd. € bzw. 1.870 Mrd. €.
Auch ein Blick in die Angaben des „Rentenatlas 2020“ der gesetzlichen Rentenversicherung zeigt, dass die im Koalitionsvertrag angegebenen 10 Mrd. € lediglich als initialer Betrag angesehen werden können. Ein systematischer Aufbau des Fonds ist erforderlich. Im Rentenatlas werden für ein Jahr, nämlich das Jahr 2019, Einnahmen der gesamten Rentenversicherung in Höhe von 326,7 Mrd. € ausgewiesen – 248 Mrd. € aus Beiträgen und 78,7 Mrd. € aus Bundeszuschuss/Erstattungen. Im selben Jahreszeitraum werden die Ausgaben der gesamten Rentenversicherung auf 324,8 Mrd. € beziffert.
Neben den Eckdaten zu den Staatsfonds erfolgt in anliegender Präsentation eine kurze Darstellung der jeweiligen nicht kapitalgedeckten Systeme der gesetzlichen Rentenversicherung der drei Länder. Dies erscheint vor dem Hintergrund der Einordnung der Leistungshöhen aus dem kapitalgedeckten Teil des gesetzlichen Rentensystems sinnvoll. Einige Regeln der dortigen gesetzlichen nicht kapitalgedeckten Systeme unterscheiden sich vom deutschen umlagefinanzierten System, z. B. bei Regelungen hinsichtlich der Altersgrenzen und Hinzuverdienstgrenzen.
Der Koalitionsvertrag der die aktuelle Bundesregierung bildenden Parteien enthält ferner die Ankündigung, auch im Bereich der privaten Altersvorsorge einen staatlich organisierten Fonds – im Rahmen eines Opting-outs – anzubieten. Dieser soll eine Rendite anstreben, die höher ist „als Riester“. Eine Formulierung, dass dieser Fonds „für das Kollektiv der Beitragszahler dauerhaft eigentumsgeschützt“ sein müsse, wie im Bereich der zusätzlichen kapitalgedeckten gesetzlichen Altersversorgung, findet sich nicht bei der privaten Altersversorgung.
Die Absicht, die „Anerkennung höherer Renditen“ für die private – wohl geförderte – Altersvorsorge zu prüfen, erscheint vor dem Hintergrund der langanhaltenden und weiter andauernden Niedrigzinsperiode im Interesse der Verbraucher. Im Zusammenhang mit dieser Prüfung kann auch die Erörterung der Frage nach reduzierten Garantieerfordernissen bei staatlich geförderten Produkten sowie in der betrieblichen Altersversorgung hilfreich sein. Eine flexible Gestaltung der Kapitalanlage mit Sicherheitsmechanismen jenseits fester Garantien könnte die Werthaltigkeit der Vorsorge fördern. Dies würde auch mit dem Plädoyer zur Umsetzung von garantiefreien, aber mit Sicherungspuffern ausgestatteten Sozialpartnermodellen harmonieren.