Der deutschen Industrie könnten angesichts der geopolitischen Entwicklungen und Umbrüche im Welthandel 2025 schwierige Zeiten bevorstehen. Angekündigte Zölle, vor allem vonseiten der USA, werden nach Inkrafttreten erhebliche Auswirkungen auf exportorientierte Nationen haben. Deutschland und seine Automobilindustrie sind davon besonders betroffen. Welche Folgen die handelspolitische Abschottung für die deutsche Automobilindustrie haben könnte, zeigt unsere aktuelle Analyse1: Für jeden Prozentpunkt, um den die US-Autozölle weltweit erhöht werden, erfahren die deutschen Exporte in die USA laut unseren Berechnungen einen Rückgang im fast gleichen Maße.
Doch was bedeutet das für deutsche Unternehmen und welche Möglichkeiten haben sie, die Auswirkungen von Zöllen auf ihr Geschäft zu minimieren? Seit Monaten wird in den USA über Zölle als Schutzmaßnahme für bestimmte Branchen debattiert. Die diskutierten Maßnahmen richten sich sowohl gegen Nachbarländer wie Mexiko und Kanada als auch gegen globale wirtschaftliche Schwergewichte wie China und die EU. Für die deutschen Automobilhersteller, die in Nordamerika stark vertreten sind, könnten solche Zölle erhebliche Auswirkungen auf ihre Lieferketten und Produktionskosten haben – obwohl sie dort mehrere Produktionsstandorte unterhalten. Allein in den USA haben die deutschen OEMs im Jahr 2024 mehr als 1,3 Millionen PKWs verkauft2 . Für eine Branche, die bereits in Europa mit Gewinneinbrüchen, Personalabbau und möglichen Werksschließungen zu kämpfen hat, sind Handelshemmnisse in die größte Volkswirtschaft der Welt herausfordernde Nachrichten. Für die deutschen Hersteller ist es daher entscheidend, schnell auf die Zölle reagieren zu können, um auf dem nordamerikanischen Markt und weltweit weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben.
Der deutschen Automobilbranche würden massive Auswirkungen durch Zölle und Handelsbarrieren bevorstehen, mit möglicherweise weitreichenden Konsequenzen für Export, Umsatz und Gewinn. Um die Folgen des veränderten geopolitischen Umfeldes differenziert zu analysieren, bedient sich Deloitte Trade Foresight eines quantitativen Handelsmodells3, welches auf dem Global Trade Analysis Project (GTAP) aufbaut. Dieses Modell ermöglicht eine nuancierte Betrachtung von Handelsbeziehungen, im Fall der vorliegenden Analyse der potenziellen Auswirkungen zukünftiger Zollbelastungen auf die deutsche Automobilindustrie.
Im Zuge der Simulation haben wir analysiert, wie sich eine Steigerung der US-Zölle um jeweils einen Prozentpunkt auf die Autoexporte in die USA auswirken – dies in einem Spektrum möglicher Zollsätze von 1 bis 30 Prozent. In diesem Zusammenhang wurden Auto-Zölle auf alle Länder angewendet. Zusätzlich berücksichtigte die Analyse die von den USA vorgeschlagenen Zölle auf Importe aus Kanada, Mexiko und China. Durch die zusätzliche Einbeziehung eines Zollsatzes von 25 Prozent auf alle EU-Güter in der Simulation konnte ein umfassendes Bild der potenziellen Auswirkungen erstellt werden.
Aktuell liegen die Zölle auf deutsche Autos in den USA bei etwa 2,5 Prozent. Abbildung 1 verdeutlicht: Sollte der Zoll auf 5 Prozent steigen, könnten die deutschen Autoexporte in die USA um 9 Prozent zurückgehen. Ein weiterer Zollanstieg würde dann zu einer fast linear negativen Entwicklung der Exporte führen. Mit jedem zusätzlichen Prozentpunkt an Zoll, den die USA auf Autoimporte aus Deutschland erheben, würden die Exporte der deutschen Automobilindustrie im Durchschnitt um 1 Prozent zurückgehen. Im Falle der angekündigten Zollerhöhung auf 25 Prozent läge der Rückgang der deutschen Autoexporte also bei 28 Prozent. Dies entspräche einem Rückgang der Autoexporte (inklusive Teile) von 9,5 Milliarden Euro.
Hinweis: Ursprünglich 29 Prozent und 8,2 Milliarden Euro. Die Zahlen wurden nach den Ankündigungen vom 2. April aktualisiert und weichen aufgrund von Handelsumlenkungseffekten leicht von den Ankündigungen vom 26. März ab.
Die Herausforderungen durch mögliche Zollerhöhungen erfordern von den deutschen OEMs Flexibilität und entschlossenes Handeln. So könnten Unternehmen die Produktion für den nordamerikanischen Markt verstärkt in die USA verlagern. Dies erfordert allerdings erhebliche Investitionen, um zusätzliche Produktionskapazitäten aufzubauen. Denn die bestehenden Werke der deutschen OEMs in Nordamerika sind bereits hoch ausgelastet (s. Abb. 2), was eine signifikante Produktionssteigerung ohne erheblichen Aufwand erschwert.
Sollte die Produktion tatsächlich verlagert werden, wäre ein effektives Anlaufmanagement ein zentraler Erfolgsfaktor – und erfordert eine sorgfältige Planung und Steuerung. Die frühzeitige Einbindung der Lieferanten und die kontinuierliche Validierung ihrer Ramp-Up-Fähigkeit sind entscheidend, um die Stabilität der Lieferkette zu gewährleisten. Darüber hinaus sind die Qualifikation und das Training der Mitarbeitenden von großer Bedeutung, um die Qualität und Produktivität der operativen Prozesse sicherzustellen.
Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen die deutschen Automobilhersteller auf steigende Zölle reagieren. Strategien wie die Verlagerung der Produktion in die USA sind denkbar, erfordern aber hohe Investitionen und Anstrengungen. Gerade in turbulenten Zeiten ist es für die deutschen OEMs zunehmend wichtig, ihre globalen Produktionsstrategien kontinuierlich anzupassen. Die Sicherung einer hohen Produktqualität ist dabei gerade für deutsche Premiumhersteller unerlässlich, auch um im globalen Wettbewerb mit neuen Konkurrenten aus China bestehen zu können. Daher ist nicht zuletzt auch ein effektives Hochlaufmanagement entscheidend, um den Herausforderungen einer zollgetriebenen Welt begegnen zu können.
Doch unabhängig davon sollte klar sein: Bleibt es nicht nur bei der Ankündigung von Zöllen in dieser Größenordnung, werden in Deutschland absehbar Arbeitsplätze verloren gehen. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Fahrzeugproduktion. In welcher Größenordnung sich ein solcher Stellenabbau vollzieht, ist nach heutigem Stand noch schwer prognostizierbar. Entscheidend wird dabei sein, ob die Automobilhersteller an die Dauerhaftigkeit der aktuellen Zollentwicklungen glauben und wie stark sie ihre Produktion tatsächlich in die USA verlagern werden.
1Berechnungen basieren auf einem maßgeschneiderten Berechenbaren Allgemeinen Gleichgewichtsmodell von GTAP (Global Trade Analysis Project) der Purdue University (siehe Anhang)
2 GlobalData 2024
3 Das Modell wurde bereits in Publikationen wie dem Ifo Schnelldienst, in dem Artikel "Indien im Aufschwung – neuer Impulsgeber für die deutsche Wirtschaft?" und dem "Supply Chain Pulse Check 2024: Wie Geopolitik neue Handelswege prägt", verwendet. Beide Beiträge verdeutlichen umfangreich die Einsatzmöglichkeiten und die Bedeutung des Modells. Weitere Einzelheiten sind im Anhang zu finden.
Harald Proff | Global Automotive Sector Leader
Alexander Boersch | Chief Economist & Director Research
Nicolas Zauner | Industry Insights – Automotive
Timo Walter | Economic Insights
Anhang - Methodik Box: Deloitte Trade Foresight
Die Berechnungen basieren auf einem maßgeschneiderten Berechenbaren Allgemeinen Gleichgewichtsmodell von GTAP (Global Trade Analysis Project) der Purdue University (USA). Die GTAP-Datenbank beinhaltet Millionen von Datenpunkten, welche Details zur Produktion, zum Verbrauch und zum Handel einfangen. Insgesamt beinhaltet GTAP 160 Regionen & Länder, was 99 Prozent des weltweiten BIP und 96 Prozent der Weltbevölkerung repräsentiert. Das Modell unterteilt die wirtschaftliche Aktivität in 65 unterschiedliche Sektoren für jedes Land. Für die Analyse der 50 wichtigsten Länder wurden diese Sektoren weiter zu 24 Sektoren kondensiert.
Das GTAP-Modell basiert auf Daten aus dem Jahr 2017. Als erster Schritt wurde das Modell auf das Jahr 2023 aktualisiert, indem die BIP-Zahlen für alle Länder an das Jahr 2023 angepasst wurden. Diese BIP-Werte stammen von der Weltbank und Oxford Economics. Unter der Annahme der angekündigten Zölle von den USA gegenüber Kanada, Mexiko, China und dem Rest der Welt wurden die Auswirkungen auf den Automobilsektor entsprechend modelliert. Dabei wurde für jeden 1 Prozent Anstieg der Zölle (von 1 bis 30 Prozent) auf EU-Exporte in die USA die Ergebnisse berechnet.