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European Semiconductor Trend Radar: Halbleiterbranche im Fokus

Neue Anwendungen, Design-Innovationen, Lieferketten-Resilienz: Treiber und Zukunftsthemen der europäischen Halbleiterindustrie

Europas Halbleiterbranche durchläuft derzeit einen rapiden Wandel. Der neue „European Semiconductor Trend Radar“ von Deloitte zeigt auf, welche Faktoren relevant werden. Dazu gehören neue Anwendungsfelder wie künstliche Intelligenz (KI) und Ultra-Connected Cars. Auch Innovationen im Chip-Design sowie Trends in den Bereichen Compliance, Nachhaltigkeit und Lieferketten-Resilienz verändern die Rahmenbedingungen. Neben einer Analyse der wichtigsten Trends in den relevanten Dimensionen liefert die Analyse eine Bewertung der jeweiligen Dringlichkeit sowie allgemeine Handlungsempfehlungen für die Branche.

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Der neue „European Semiconductor Trend Radar“ identifiziert und analysiert die wegweisenden Halbleiter-Trends für den Kontinent auf der Basis von umfassenden Trend-Screenings und einer Evaluierung durch Deloitte-Expert:innen. Dabei wurden globale Entwicklungen ebenso berücksichtigt wie industriepolitische Faktoren, Regulierung und weitere lokale Besonderheiten. Im Vergleich zu anderen Regionen erwirtschaftet Europas Halbleiterbranche einen eher moderaten Umsatz. Sie kommt auf einen Anteil von etwa 10 Prozent am globalen Gesamtmarkt von rund 600 Mrd. USD, hat aber strategische Bedeutung für die europäische Wirtschaft. Die globale High-End-Halbleiterproduktion ist zwar so gut wie vollständig in Asien und den USA angesiedelt, in den nächsten Jahren sollen allerdings auch in Europa weitere Kapazitäten in diesem Bereich entstehen. Der „Trend Radar“ fächert die wichtigsten Entwicklungen in sechs Dimensionen auf und ordnet ihnen jeweils einen von drei unterschiedlichen Reifegraden zu. 

Neue Anwendungen, wachsende Nachfrage

 

Elektrifizierung, autonomes Fahren, Ultra-Connected Car und Software-Defined Vehicle: Solche Trends führen dazu, dass die Halbleiter-Nachfrage der Automobilbranche unaufhörlich steigt. OEMs zielen dabei auf eine erhöhte Kontrolle über den Halbleiter-Einsatz im Fahrzeug. Zugleich wird nach den Erfahrungen der jüngsten Chip-Lieferkrise die Lieferketten-Resilienz durch Maßnahmen wie einer Reduktion der verbauten Chip-Varianten gestärkt. Über Branchengrenzen hinweg wächst zudem die Halbleiter-Nachfrage durch KI-Anwendungen wie Generative KI (GenAI). Dezidierte KI-Hardware-Beschleuniger und Chip-Architekturen werden entwickelt, wobei ein Schwerpunkt auf der Energie-Effizienz liegt. Ein wichtiger Trend betrifft Sensorik für das Internet of Things (IoT). „Intelligent Sensing“ in Konsumenten- und Industrieanwendungen erfordert entsprechende Halbleiter, die teilweise analoge und digitale Komponenten integrieren. Weitere Trends dieser Kategorie umfassen Chips für die Energiewende sowie für Zukunftstechnologien wie 6G und Quantencomputing. 

Resilienz in der Lieferkette

 

Die Geopolitik ist derzeit von einem zunehmenden Auseinanderdriften der Staaten geprägt, beispielsweise zwischen USA und China. Spannungen und Protektionismus können bald zu Lieferkettenproblemen führen. Daher subventionieren viele Regierungen im Rahmen der Deglobalisierung ihre strategisch wichtige Halbleiterindustrie, um Resilienz und Unabhängigkeit zu erhöhen – Onshoring und Friendshoring werden immer wichtiger für die Branche. Neben diesem dringlichen Thema erörtert der Trend Radar auch die Problematik der Verteilungskämpfe um knappe Halbleiter-Rohstoffe wie Silicium und Ferrosilicium, deren Produktion von China dominiert wird. Europa ist hier in hohem Maß von Importen abhängig. Es wird daher vermehrt in Forschung investiert, um Alternativen für Chip-Rohstoffe zu finden. Ein weiterer regionaler Trend liegt in der industriepolitischen Strategie der Europäischen Union für eine Stärkung der Souveränität im Halbleiterbereich (EU Chips Act) .

Technologischer Fortschritt im Chip-Design

 

Zunehmend relevant werden außerdem neue Ansätze im Chip-Design, etwa KI-gestützte Entwicklungs- und Testtechniken. Die zunehmende Komplexität der Designs wird durch Automatisierung (Electronic Design Automation, EDA) und Hardware-Software-Co-Design bewältigt, worin zugleich eine gewisse „Demokratisierung“ der Design-Fähigkeiten liegt.  Anwendungsbereiche wie Haushaltsgeräte, industrielles IoT oder medizinische Implantate erhöhen außerdem die Nachfrage nach besonders energieeffizienten Chips (Ultra-Low Power, ULP). Die Verwendung von Chip-Subkomponenten (Chiplets) erlaubt höhere Integration und optimierte Aufbau- und Verbindungstechniken (Inter-Die-Connections) sowie die Integration verschiedener Hybrid-Technologien auf einem einzigen Chip. Hier ist die Entstehung eines Chiplet-Ökosystems zu erwarten, das Nutzern wie Automobil-OEMs die Kombination gewünschter Funktionen ohne eigene Design-Fähigkeiten ermöglicht. Weitere Trends dieser Dimension sind Cloud-basiertes Design sowie neue Halbleitermaterialien (u.a. Siliciumcarbid, Galliumnitrid, Gallium(III)-oxid, Polymere). 

Nachhaltigkeit

 

Wie in anderen Branchen steigt auch in der Halbleiterindustrie im Kontext des Klimawandels der regulatorische Druck zur Erhöhung der Energieeffizienz (z.B. Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD). Das gilt sowohl in der Produktion als auch im Produktgebrauch. Compliance-Anforderungen steigen auch im Bereich der Lieferkette (z.B. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz). Emissionsreduktion, Ressourcenschonung und Zirkularität bzw. Recycling werden zu Top-Prioriäten im Design, in der Produktion und in der Lieferkette. Dabei ist eine verstärkte Zusammenarbeit in der Branche und mit den Abnehmern zu erwarten. In den Fokus rücken außerdem nachhaltigere Materialen etwa auf Pflanzenbasis (z.B. Nanocellulose) und die Nachverfolgbarkeit (Chip Traceability).

Arbeitsmarkt und Skillsets

 

Der Fachkräftemangel ist im Halbleiterbereich besonders ausgeprägt und wird durch den demografischen Wandel noch zunehmen. Die European Semiconductor Industry Association (ESIA) schätzt, dass bis 2030 350.000 zusätzliche Fachkräfte benötigt werden. Um das zu bewältigen, muss die Branche attraktivere Job-Bedingungen und Qualifizierungsangebote schaffen. Auch die Diversifizierung der Belegschaft bietet Lösungsansätze (verstärkte Rekrutierung von weiblichen oder älteren Fachkräften, Fachkräfte-Immigration). Aufkommende neue Skillset-Anforderungen können durch Reskilling und Upkilling erfüllt werden.

Produktionsmethoden 

 

Die Halbleiterherstellung erfolgt heutzutage hauptsächlich nach dem „Foundry“-Modell. Da die Produktion sehr kapitalintensiv ist, verzichten viele Halbleiter-Unternehmen auf den Aufbau eigener Kapazitäten (Fabs). Stattdessen lassen sie ihre Designs von anderen Unternehmen fertigen (Foundries), die durch hohe Skalierung profitabel arbeiten können. Mit der Zunahme der Chip-Komplexität werden Aufbau und Betrieb solcher Produktionskapazitäten zukünftig noch aufwendiger. Modellierung, Fab-Simulation und Digital Twins können dabei helfen, Kosteneffizienz und Flexibilität der operativen Prozesse zu erhöhen. Auch eine verstärkte Zusammenarbeit in der Branche ist zu erwarten, etwa bei der Standardisierung im Kontext von Nachhaltigkeit oder Chiplets. 

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