Unabhängig davon, ob Gesundheitsdienstleistungen im Einzelhandel oder in Arztpraxen durchgeführt werden – Verbraucher:innen sind anspruchsvoll, wenn es um ihre Gesundheitsversorgung geht. Neue Marktteilnehmende müssen sich erst einmal profilieren. Für den Einzelhandel bedeutet das, dass Verbraucher:innen die Einhaltung strenger Hygienevorschriften, die Qualifikation der Fachkraft sowie Softskills wie Freundlichkeit, Geduld und Verständnis als Grundvoraussetzung für die Inanspruchnahme medizinischer Untersuchungen in diesem Umfeld sehen (s. Abb. 1). Damit der Handel seine Position als Gesundheitsdienstleister aufbauen kann, müssen Vorteile gezielt ausgespielt werden. Verbraucher:innen erwarten nicht nur hohe fachliche Expertise, sondern auch kürzere Anfahrtswege und eine schnellere Terminvergabe im Vergleich zu Arztpraxen. Einzelhändler können hier mit ihrer Nähe zu Verbraucher:innen also besonders punkten.
Mit 81 Prozent wäre ein Großteil der Befragten bereit, medizinische Untersuchungen wie zum Beispiel Gesundheitschecks auch im Einzelhandel durchführen zu lassen. Zwei wichtige Zielgruppen mit überdurchschnittlich hoher Bereitschaft sind gesunde Verbraucher:innen und junge Verbraucher:innen im Alter zwischen 18 und 29 Jahren. Beide Gruppen pflegen einen aktiven Lebensstil, sind viel unterwegs, und suchen Dienstleistungen und Services, die sie dabei unterstützen. Einzelhändler bieten häufig längere Öffnungszeiten an. Dieses Maß an Flexibilität kann hier ein entscheidender Vorteil gegenüber Arztpraxen sein. Auch Verbraucher:innen, die einen besonders weiten Anfahrtsweg zu Hausärzt:innen haben, sind eher bereit, auf medizinische Alternativangebote bei Einzelhändlern zurückzugreifen, als jene, bei denen hausärztliche Versorgung wohnortnah verfügbar ist. Hier kann der Einzelhandel einen seiner wichtigsten Vorteile ausspielen: die räumliche Nähe.
Der Einzelhandel kann einen wichtigen Beitrag zur flächendeckenden Gesundheitsversorgung der Bevölkerung leisten. Integrierte Filialkonzepte, wo neben dem Einkauf auch medizinische Basisleistungen in Anspruch genommen werden können, bieten in anderen Ländern heute schon einen echten Mehrwert für Konsument:innen.
Egbert Wege, Lead Partner Consumer Industry
Während in anderen Ländern Gesundheitsdienstleistungen im Einzelhandel durch in Supermärkte integrierte Care Clinics bereits etabliert sind, ist das Konzept hierzulande neu. Medizinische Routineuntersuchungen wie Beratungen, Impfungen sowie Blutdruck- und Blutzuckermessungen werden dabei für deutsche Einzelhändler zu einem wichtigen Türöffner; sie können Verbraucher:innen an das neue Konzept heranführen. So wird eine niedrigschwellige Möglichkeit geboten, die Vorteile einer bequemen und zeitnahen Gesundheitsversorgung im Einzelhandel zu erfahren. Dadurch kann schrittweise Vertrauen aufgebaut werden, um perspektivisch auch hierzulande Mini-Kliniken als Shop-in-Shop-Lösung zu etablieren und komplexere Gesundheitsdienstleistungen im Einzelhandel anzubieten.
Neun Prozent der Befragten wären dazu bereit, ihre Loyalität zu jenen Einzelhändlern zu verlagern, die ihnen bequeme, qualifizierte und zugängliche Gesundheitsdienstleistungen anbieten. Weitere 43 Prozent blieben zwar ihrem bevorzugten Händler treu, würden für die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen aber Einzelhändler mit entsprechendem Angebot aufsuchen. Die Verfügbarkeit von Gesundheitsdienstleistungen könnte also in Zukunft für die Verbraucher:innen auch zu einem Faktor bei der Wahl des Einzelhändlers werden. Dem Einzelhandel eröffnet das wiederum Möglichkeiten, sich im Wettbewerb zu differenzieren.
Der Fachkräftemangel im Gesundheitswesen ist heute schon eine der größten Herausforderungen für die Gesundheitsversorgung, speziell im ländlichen Raum. Diese wertvollen Ressourcen bei Routineaufgaben zu entlasten, kann ein wertvoller Baustein für ein vorsorgeorientiertes, datengetriebenes und patientenzentriertes Gesundheitswesen der Zukunft sein.
Ibo Teuber, Lead Partner Health Care
Die Gesundheitspolitik in Deutschland hat die Bedeutung von niedrigschwelligen Gesundheitsangeboten in der Fläche erkannt und angefangen, die Regulatorik entsprechend anzupassen. So können beispielsweise einige Dienstleistungen nun erstmals außerhalb von Arztpraxen in der Apotheke vor Ort angeboten werden. Auch wenn dies nach derzeitigem Stand noch nicht die Ausübung medizinischer Dienstleistungen im Einzelhandel ermöglicht, zeigen Gesetzesänderungen wie diese, dass die Politik bereit ist, mit neuen gesetzlichen Maßnahmen einer drohenden Unterversorgung zuvorzukommen. Entsprechende Liberalisierungen vorausgesetzt, ist das Konzept Healthcare in Retail eine interessante Zukunftsoption.
Laden Sie hier die Studie herunter und erfahren Sie alle Ergebnisse im Detail.
Für die vorliegende Studie wurden Daten von über 1.600 deutschen Verbraucher:innen ausgewertet, die im Rahmen einer repräsentativen Online-Umfrage im März 2023 erhoben wurden. Die Befragung wurde von Deloitte Niederlande in insgesamt 15 europäischen Ländern durchgeführt. Die Ergebnisse auf europäischer Ebene sind hier veröffentlicht.