Klimawandel, Lieferketten, Kreislaufwirtschaft: Nachhaltigkeit ist heutzutage ein Megatrend, und viele Unternehmen schenken dem Thema bereits volle Aufmerksamkeit. In sämtlichen Branchen wird erkannt, dass nachhaltiges Wirtschaften in Zukunft unerlässlich ist. Kunden und Investoren verlangen es ebenso wie Mitarbeiter, Gesellschaft, Politik und Regulatoren. Dies gilt auch für die deutsche Automobilindustrie, die wegen der traditionellen Rolle des Verbrennungsmotors besonders im Fokus steht. 89 Prozent der für die Studie befragten Führungskräfte von Herstellern und Zulieferern sehen in Nachhaltigkeit ein zentrales Element ihrer Geschäftstätigkeit. Dies ergab die Befragung von 192 hochrangigen Managern und Experten aus der Branche, die Deloitte im Rahmen des aktuellen Deloitte Sustainability Survey im Mai 2021 durchgeführt hat. Es herrscht somit ein ähnlich stark bzw. minimal höher ausgeprägtes Bewusstsein für die Wichtigkeit von Sustainability wie in der deutschen Tech-Branche, die im Rahmen des Sustainability Survey im ersten Quartal 2021 befragt wurde.
Das Problembewusstsein ist also sehr hoch, und die Bedeutung von Nachhaltigkeit hat aus Sicht von 93 Prozent der Befragten in den letzten Jahren noch zugenommen. Hier liegt die deutsche Automobilindustrie sogar vor der Tech-Branche (88 Prozent), was dem höheren Regulationsgrad des Sektors geschuldet sein dürfte, etwa was die CO2-Emissionen angeht. Trotz der übereinstimmenden Meinung hinsichtlich der Wichtigkeit ergeben sich aus der Studie aber auch bezeichnende Differenzierungen der Wahrnehmung innerhalb der deutschen Autoindustrie. Bei den OEMs attestieren so gut wie alle befragten Manager dem Nachhaltigkeitsthema einen zentralen Stellenwert (96 Prozent), bei den Zulieferern sind es hingegen „nur“ 82 Prozent.
Angesichts der hohen Relevanz von Lieferanten und Lieferketten für eine effektive Nachhaltigkeitsstrategie, wie sie etwa auch durch das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) zum Ausdruck kommt, besteht hier also noch Nachholbedarf. Dies gilt in noch höherem Maß für die angemessene Berücksichtigung der gesamten Wertschöpfungskette bei den Nachhaltigkeitsstrategien selbst, sowohl durch OEMs als auch durch Zulieferer. Denn lediglich 51 Prozent der Befragten nehmen bei ihren Sustainability-Initiativen neben dem eigenen Unternehmen auch Lieferanten in den Blick. Und nur 40 Prozent können einen umfassenden End-to-end-Ansatz vorweisen, der neben der vorgelagerten auch die nachgelagerte Lieferkette einschließt, also zum Beispiel den Aspekt Recycling.
An Ganzheitlichkeit mangelt es in vielen Unternehmen der Branche auch bei der Ausrichtung der Strategie. Nachhaltigkeit umfasst nicht nur Umweltthemen, sondern im Sinne der ESG-Kriterien auch die soziale Dimension (z.B. Menschenrechte) und den wirtschaftlichen Aspekt (z.B. Governance, faire Löhne). Doch nur 9 Prozent der Studienteilnehmer decken in ihrer Nachhaltigkeits-Transformation sämtliche Bereiche ab. Die meisten konzentrieren sich auf einen Aspekt (Umwelt: 24 Prozent, Soziales: 18 Prozent, Wirtschaftliches: 18 Prozent). Immerhin haben 17 Prozent mit der ökologischen und der sozialen Dimension zumindest zwei der drei Themen im Fokus. Positiv zu werten ist dagegen der Umstand, dass in 74 Prozent der Unternehmen Nachhaltigkeitsinitiativen hauptsächlich vom Vorstand vorangetrieben werden. Eine entscheidende Voraussetzung für weitere Fortschritte liegt also vor: Sustainability ist Chefsache.
Wie können nun konkret Verbesserungen erzielt werden? Die größte Wichtigkeit wird dabei dem effizienten Ressourceneinsatz zugesprochen (60 Prozent), wobei Zulieferer diesen Punkt höher gewichten als OEMs (66 vs. 56 Prozent).. Als weitere Aspekte mit hohem Effekt folgen Kreislaufwirtschaft (59 Prozent) und Elektrofahrzeuge (51 Prozent). Ein gutes Zeichen ist der Befund, dass 77 Prozent der Teilnehmer schon heute positive Effekte ihrer Sustainability-Maßnahmen verzeichnen: Die grundsätzlich nötige Nachhaltigkeits-Transformation zahlt sich für die Unternehmen der deutschen Autoindustrie also auch geschäftlich aus.
Die Deloitte Studie hat die Sustainability-Ansätze der Automobilunternehmen aber auch einem generellen Reality Check unterzogen und fragte nach der Wahrnehmung der Mitarbeiter. 55 Prozent der Manager gaben an, dass sie eine Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit sehen, was die externe Kommunikation des Unternehmens zum Thema Nachhaltigkeit und das tatsächliche Handeln angeht. Hier müssen also noch erhebliche Anstrengungen unternommen werden. Konkrete Herausforderungen für die Transformation wurden ebenfalls abgefragt. An erster Stelle steht das Problem, höhere Preise für die Abdeckung der Kosten durchzusetzen (39 Prozent), es folgen finanzielle Belastungen durch die COVID-19-Pandemie (38 Prozent) und fehlende Ressourcen (31 Prozent). Auch Schwierigkeiten bei der Anpassung der Produktion (31 Prozent) und beim Ersetzen nicht nachhaltiger Materialien (30 Prozent) werden häufig genannt. Fehlendes Commitment von Top-Management (11 Prozent) und Mitarbeitern (6 Prozent) wurde hingegen nur auf den hinteren Rängen eingeordnet.
Unterm Strich ist angesichts dieser Ergebnisse ein optimistisches Fazit zu ziehen. Zwar hat die Autobranche noch klare Herausforderungen vor sich, aber das grundsätzliche Bewusstsein für die Dringlichkeit der Nachhaltigkeits-Transformation ist vorhanden, insbesondere auf der Führungsebene. Für die Bewältigung der Problembereiche identifizieren die Autoren der Studie drei wichtige Handlungsfelder, auf die sich Entscheider nun konzentrieren sollten: