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Richtline zur Sanierung und Abwicklung von Versicherungsunternehmen

Herausforderungen und Erfahrungen aus dem Bankensektor

Ab 2025 wird voraussichtlich eine Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie für (Rück-) Versicherungsunternehmen umzusetzen sein. Im Bankenumfeld ist die Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten schon seit 2015 in Kraft. Ihre Umsetzung hat einige Herausforderungen mit sich gebracht und zu signifikantem Aufwand geführt. Wir kombinieren bereits jetzt unsere bisherigen Erfahrungen aus dem Bankenbereich mit unserer Versicherungsexpertise und zeigen Ihnen mögliche Herausforderungen in diesem Zusammenhang auf.
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Update vom 15.12.2023

Am 14.12.2023 haben sich der Europäische Rat, die Europäische Kommission und das Europäische Parlament  über die Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Versicherungsunternehmen geeinigt.

Der Rat und das Parlament geben den nationalen Behörden (bspw. in Deutschland: die BaFin) präventive Befugnisse, um frühzeitig einzugreifen. Die Mitgliedstaaten müssen nationale Abwicklungsbehörden für Versicherungen einrichten, entweder innerhalb bestehender Behörden oder als neue eigenständige juristische Personen, eine wirksame grenzüberschreitende Zusammenarbeit sicherstellen und der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) eine koordinierende Rolle einräumen.

Die vorläufige Einigung verpflichtet (Rück-)Versicherungsunternehmen und -gruppen, präventive Sanierungspläne zu erstellen und den nationalen Aufsichtsbehörden vorzulegen. Die nationalen Aufsichtsbehörden müssen zudem sicherstellen, dass eine Mindestanzahl von Versicherungsunternehmen in jedem Mitgliedsstaat der EU dazu verpflichtet wird, präventive Sanierungspläne aufzustellen.

Darüber hinaus müssen die Abwicklungsbehörden einen Abwicklungsplan für Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen und -gruppen erstellen, die laut vorläufiger Einigung mindestens 40 % ihres jeweiligen Marktes repräsentieren. Die betroffenen Versicherungsunternehmen sind verpflichtet, dafür notwendige Informationen bereitzustellen. Kleine und nicht-komplexe Versicherer werden grundsätzlich nicht den Anforderungen einer präventiven Sanierungsplanung auf individueller Basis unterliegen.

Der Versichererverband GDV sieht das neue Regelwerk zur Sanierung und Abwicklung aufgrund möglicher Überregulierung kritisch.


Nächste Schritte

Die Texte der vorläufigen Einigung werden nun fertiggestellt und den Vertretern der Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament zur Genehmigung vorgelegt. Nach der Genehmigung müssen der Rat und das Parlament die Texte förmlich annehmen.

Update vom 19.07.2023

Das EU-Parlament hat am 18.07.2023 zur Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie (Insurance Recovery and Resolution Directive (IRRD)) abgestimmt. Themen waren bspw. das Proportionalitätsprinzip, Berücksichtigung bestehender nationaler Sicherungseinrichtungen bei Abwicklungsplänen sowie die Ausgestaltung von Sanierungs- und Abwicklungsplänen für Versicherer.

Nachdem sich das EU-Parlament zum Solveny-II-Review positioniert hat, werden Trilog-Verhandlungen zwischen der EU-Kommission und dem EU-Rat folgen. Der Zeitpunkt des Trilog-Prozesses ist noch unklar. Es ist möglich, dass dieser, analog der Solvency II-Reform erfolgt und vor den Europa-Wahlen im Juni 2024 abgeschlossen wird.

Derzeit gibt es keinen EU-weit harmonisierten Rahmen für die Sanierung und Abwicklung von Versicherungs- bzw. Rückversicherungsunternehmen. Im Zuge des Solvency-II-Reviews setzt sich die EU-Kommission verstärkt ein, um dies zu ändern. Angelehnt an die 2015 in Kraft getretene Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen (BRRD) veröffentlichte die Europäische Kommission einen Richtlinienvorschlag zur Sanierung und Abwicklung von (Rück-)Versicherungsunternehmen (IRRD), in deren Geltungsbereich alle Versicherer fallen sollen, die Solvency II unterliegen. Wie bei anderen bereits gültigen regulatorischen Anforderungen soll das Proportionalitätsprinzip angewandt werden. Es bleibt abzuwarten, wie dies konkret in der Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie für Versicherer ausgestaltet wird.

Wesentliche Inhalte und Anforderungen der geplanten Richtlinie für (Rück-)Versicherungsunternehmen

 

EU-weit harmonisierte Vorgaben zu Sanierungs- und Abwicklungsplänen sollen eine frühzeitige und schnelle Reaktion in finanziellen Stress- und Krisensituationen auch über Ländergrenzen hinweg ermöglichen. Vor allem soll der Schutz der Versicherungsnehmer in einem Abwicklungs- bzw. Sanierungsszenario sichergestellt und damit die Widerstandsfähigkeit des (Rück-)Versicherungssektors in der EU insgesamt gestärkt werden. Dazu sollen die EU-Mitgliedstaaten jeweils nationale Abwicklungsbehörden einrichten, die über einheitliche Abwicklungsinstrumente verfügen und auf europäischer Ebene mit den relevanten Aufsichts- und Abwicklungsbehörden zusammenarbeiten. 

Für (Rück-)Versicherer sind im Wesentlichen folgende Themen spätestens mit dem Inkrafttreten der neuen regulatorischen Vorschriften umzusetzen:

  • Präventive Sanierungspläne

    Zusätzlich zu den Solvency-II-Vorgaben sollen sich (Rück-)Versicherer in Zukunft auf Stresssituationen angemessen vorbereiten, um diesen präventiv entgegenwirken zu können. Dafür sollen sie präventive Sanierungspläne – bei Gruppen auf Gruppenebene – erstellen, die konkrete Sanierungsoptionen enthalten. Diese müssen geeignet sein, die finanzielle Stabilität des (Rück-)Versicherers im Falle einer Krise wiederherzustellen. Die Sanierungspläne sind mindestens jährlich zu aktualisieren und der Abwicklungsbehörde vorzulegen, die diese auf Eignung sowie Angemessenheit prüft.
  • Governance-Strukturen, Frühwarnindikatoren und Stressszenarien

    Zur Operationalisierung der Sanierungspläne müssen (Rück-)Versicherer angemessene Sanierungsindikatoren und Schwellenwerte sowie Governance-Strukturen etablieren. Diese sollen idealerweise dazu geeignet sein, frühzeitig existenzbedrohende Entwicklungen zu identifizieren und Entscheidungsprozesse über den Einsatz von Sanierungsmaßnahmen einzuleiten. Angemessenheit und Eignung der Governance-Strukturen, Sanierungsindikatoren sowie Entscheidungsprozesse und Maßnahmen sind gegenüber der Abwicklungsbehörde durch detaillierte Stressszenarien zu erproben und nachzuweisen.
  • Abwicklungsbehörden, Abwicklungsplanung und grenzüberschreitende Zusammenarbeit

    Damit in einer existenzbedrohenden Stresssituation eines Versicherungsunternehmens schnell und ggf. auch grenzüberschreitend gehandelt werden kann, sollen die in den Mitgliedsstaaten zu schaffenden Abwicklungsbehörden künftig eng zusammenarbeiten und für die von ihnen beaufsichtigten Unternehmen konkrete Abwicklungspläne und Abwicklungsinstrumente nach einheitlichen europäischen Vorgaben vorbereiten. Die folgenden Abwicklungsinstrumente sind gemäß Richtlinienentwurf vorgesehen.

       -   Solvent-Run-Off,
       -   Unternehmensveräußerung,
       -   Brückenunternehmen,
       -   Ausgliederung der Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten
           sowie
       -   Herabschreibung oder Umwandlung von Kapitalinstrumenten bzw.
           Verbindlichkeiten.

Erfahrung aus dem Bankensektor: Prioritäten und Aufwandstreiber

 

In den letzten Jahren hat Deloitte im Bankensektor national und international verschiedene Institute intensiv bei der Umsetzung der Sanierungs- und Abwicklungsplanung unterstützt. Basierend auf unseren Erfahrungen zeichnen sich unter anderem die folgenden Komplexitätstreiber für Versicherungen ab:

  • Aufstellung von unternehmensindividuellen Sanierungsplänen

    Die Kernbestandteile eines Sanierungsplans umfassen die Sanierungsoptionen, die Sanierungsindikatoren und Frühwarnschwellen sowie die Stressszenarien. Damit diese Bestandteile zu einem wirksamen Krisenpräventionsinstrument zusammengefügt werden können, ist es erforderlich, diese individuell auf das betreffende Versicherungsunternehmen unter Berücksichtigung des Geschäftsmodells, des Zielbetriebsmodells und vor allem des Risikoprofils zuzuschneiden. Dabei sind die vielfachen Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Bestandteilen zu berücksichtigen.                                                                        Im Hinblick auf die Sanierungsoptionen sind konkrete, praktisch umsetzbare Maßnahmen zu erarbeiten. Dies erfordert eine dezidierte Auseinandersetzung mit der strategischen Ausrichtung des Unternehmens sowie eine vorbehaltlose Analyse möglicher Schwächen und Verwundbarkeiten. Eine weitere Herausforderung besteht in der Kalibrierung praktikabler und wirksamer Schwellenwerte für die Sanierungsindikatoren, bei deren Überschreitung der Sanierungsplan ausgelöst wird, sowie für die entsprechenden Frühwarnschwellen. Die laufende Überwachung der Indikatoren und der Schwellenwerte ist in das Risikomanagement und in die Berichterstattung zu integrieren.
  • Abwicklungsplanung

    Während der Sanierungsplan vom jeweiligen Versicherungsunternehmen erarbeitet werden soll, ist vorgesehen, dass die Verantwortung für das Verfassen des Abwicklungsplans bei der Abwicklungsbehörde liegt. Gleichwohl sollen die Unternehmen – analog zur Regelung für den Bankensektor – verpflichtet werden, mit der Abwicklungsbehörde bezüglich der Aufstellung des Abwicklungsplans zusammenzuarbeiten und alle Informationen, die für die Erstellung des Abwicklungsplans erforderlich sind, bereitzustellen. Dazu können auch Informationen und Daten zur Bewertung des Unternehmens gehören, die im Abwicklungsfall in sehr kurzer Zeit zur Verfügung stehen müssen. Die Erfahrung aus dem Bankenbereich zeigt, dass umfangreiche Informations- und Meldeanforderungen auf die Unternehmen zukommen können, die deutlich über die bisherigen Meldepflichten hinausgehen. Hieraus können auch Herausforderungen mit Blick auf die Daten- und Systemlandschaft der Unternehmen entstehen.

    Ähnlich wie im Bankenbereich dürfte die Abwicklungsplanung auch bei Versicherern zu einer Daueraufgabe werden, um die Abwicklungsfähigkeit zu erreichen und kontinuierlich sicherzustellen. Dementsprechend sind organisatorische Vorkehrungen zu treffen, Verantwortlichkeiten festzulegen und in die Business-as-usual-Aufbau- und Ablauforganisation des Unternehmens zu integrieren. Die Abläufe, Eskalations- und Entscheidungsprozesse und -kompetenzen für den Abwicklungsfall sind ebenfalls vorab zu planen und festzulegen. 

Ausblick

 

Die endgültige Ausgestaltung der neuen Regelungen wird sich erst nach den Verhandlungen im Rahmen des Trilogs zwischen der EU-Kommission, dem EU-Rat und dem EU-Parlament zeigen. Außerdem bleibt die nationale Umsetzung auf Ebene der Mitgliedsstaaten abzuwarten. Neben den Regelungen der Richtlinie bzw. der nationalen Gesetze wird es weitere von der EIOPA zu erarbeitende Leitlinien und Verordnungen geben, welche die gesetzlichen Regelungen konkretisieren werden. 

Im Zusammenhang mit der Umsetzungsfrist von 18 Monaten auf nationaler Ebene rechnen wir mit einer Erstanwendung der neuen Regeln – analog dem Solvency-II-Review – frühestens im Jahr 2025. Die komplexe Integration in das Governance-System zeigte bereits im Bankenumfeld, dass sich eine frühzeitige Eruierung der Prozesse und die Vorbereitung auf die geforderten Mindeststandards hinsichtlich des Umsetzungsdruckes als durchaus lohnend darstellte. 

Auf Basis unserer Erfahrung aus der Einführung der Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie im Bankensektor gepaart mit unserer Expertise im Versicherungsumfeld sind wir spätestens mit der Einführung der neuen Richtlinie für Versicherungsunternehmen der ideale Partner für Sie. Unsere Umsetzungserfahrung aus dem Bankensektor kombinieren wir mit passgenauen Lösungen für die spezifischen Anforderungen an (Rück-)Versicherungsunternehmen. Sprechen Sie uns gerne an für einen ersten informellen Austausch.

Ihre Ansprechpartner

 

Andreas Cremer
Senior Manager | Risk Advisory
+49 211 87 72 3737
acremer@deloitte.de

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