Wie bewältigen Mittelständler und Familienunternehmen die durch Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise – und wie sehen sie ihre Zukunft? Für die Studie „Crisis as catalyst: Accelerating transformation. Global perspectives for private companies“ wurden weltweit 2.750 Executives zu ihren Einschätzungen befragt, darunter auch 100 Führungskräfte aus Deutschland, die u.a. für mittelständische Unternehmen sowie Firmen in Privat- und Familienbesitz tätig sind. Ein zentrales Ergebnis: Auch im Mittelstand fungierte die Pandemie weltweit als „Katalysator“, der zuvor schon relevante Trends plötzlich exponentiell verstärkte. So reagierten 69 Prozent der weltweit Befragten auf die Pandemie mit einer Beschleunigung ihrer digitalen Transformation. Weiterhin intensivierten sie ihre Bemühungen in Bereichen wie Partnerschaften, Lieferketten-Transformation und Nachhaltigkeit. Besonders ins Auge springt dabei das Thema Resilienz: Jene 27 Prozent der Unternehmen, die laut Studie als hochgradig resilient einzustufen sind, erzielten bei der Krisenbewältigung herausragende Erfolge und äußerten sich zugleich überdurchschnittlich optimistisch zu ihren Zukunftsaussichten und Wachstumsplänen.
Bekanntlich haben der Mittelstand und die Familienunternehmen für die Wirtschaft hierzulande eine ganz besondere Bedeutung. Umso spannender ist es daher, die Resultate für Deutschland granularer zu betrachten und die Unterschiede zu den globalen Daten herauszuarbeiten. Als erfreulicher Befund ist zunächst festzuhalten: Die deutschen Befragten gehen mehrheitlich davon aus, dass auf kurzfristige Sicht von zwölf Monaten Profite, Produktivität und Erlöse steigen oder zumindest stabil bleiben werden. Gleichwohl befürworten 28 Prozent einen Ausgleich der Pandemie-bedingten Einbußen von staatlicher Seite, etwa durch Finanzierungen oder Zuschüsse (6 Prozentpunkte mehr als im internationalen Vergleich). Zur guten Gesamtstimmung passt, dass nur 9 Prozent einen Abbau von Arbeitsplätzen planen, während 34 Prozent den Mitarbeiterstamm stabil halten wollen und 14 Prozent sogar Einstellungen in sämtlichen Bereichen beabsichtigen. Die Kapitalausgaben wollen 38 Prozent erhöhen bzw. stark erhöhen (global: 52 Prozent).
Welche Folgen hat die Pandemie für die Agenda deutscher Mittelständler und Familienunternehmen? Die oftmals als die eigentliche Herausforderung unserer Epoche bezeichneten Themenfelder Nachhaltigkeit und Klimawandel sind dadurch jedenfalls keineswegs in den Hintergrund gerückt. Im Gegenteil, für 58 Prozent der Befragten stehen sie weiterhin verstärkt im Fokus. 63 Prozent bestätigen zudem eine stark beschleunigte digitale Transformation in ihrem Unternehmen, und 50 Prozent erwarten mittelfristig eine verbesserte Profitabilität. Entsprechend gut werden auch die kurz- und mittelfristigen Erfolgschancen eingestuft: Auf 12-Monatssicht haben 64 Prozent eine hohe oder sehr hohe Zuversicht, auf 36-Monatssicht sind es sogar 82 Prozent.
Allerdings werden kurzfristig durchaus auch Risiken wahrgenommen. Verschärften Wettbewerb sehen 63 Prozent als mittleres, hohes oder sehr hohes Risiko, 8 Prozent als gar keines. Die Folgen der Pandemie für den Markt betrachten 64 Prozent als mittleres bis sehr hohes Risiko, und immerhin 16 Prozent als kein Risiko. Ähnlich verhält es sich mit operativen Risiken durch COVID-19 (Lieferkette, HR, IT u.a.).
Die Studienergebnisse belegen, dass diese grundsätzlich positive Sicht in mittelständischen Unternehmen und Familienunternehmen weltweit anzutreffen ist. In einigen zentralen Punkten weist Deutschland jedoch Besonderheiten auf. Das gilt etwa hinsichtlich der kurzfristig geplanten Technologieinvestitionen für die kommenden zwölf Monate. Die wichtigste Technologie-Investition überhaupt ist für sämtliche Befragte weltweit die IT-Sicherheit. Für die deutschen Unternehmen folgen Data Analytics/ Business Intelligence auf Platz 2, die Automatisierung von Prozessen steht an dritter Stelle. Im internationalen Vergleich belegen Cloud Computing/ Software as a Service Rang 2 bei den Investitionsprioritäten, gefolgt von Data Analytics/ Business Intelligence; weltweit liegt Automatisierung nur an sechster Stelle, mit 32 Prozent der Nennungen. Ein weiteres Schwerpunktthema ist hierzulande autonomes Fahren, was in der Autonation Deutschland nicht überraschen dürfte (18 Prozent gegenüber 13 Prozent global). Seltener als im globalen Schnitt werden Investitionen in Themen wie Internet of Things (IoT), Robotics und Drohnen geplant. Gar nicht in Technologie investieren wollen immerhin 7 Prozent der deutschen Studienteilnehmer, global sind es lediglich 4 Prozent.
Insgesamt haben viele deutsche Mittelständler und Familienunternehmen bereits digitale Transformationen angestoßen, ein Trend, der durch die Pandemie noch verstärkt wurde. Doch im zeitlichen Verlauf zeigt sich dabei seit COVID-19 ein Entwicklungsrückstand im globalen Vergleich. 24 Prozent haben hierzulande die Transformation vor der Krise begonnen (global: 27 Prozent). 27 Prozent haben sie als Reaktion auf die Krise gestartet, global waren dies aber mit 37 Prozent wesentlich mehr. Entsprechend sind 35 Prozent der deutschen Befragten auch erst aktuell dabei, die Transformation umzusetzen – sie hinken hinterher, denn global sind es nur 24 Prozent, da viele internationale Unternehmen ihre Programme längst realisiert haben. Und auch der Stellenwert der Transformation als mittelfristige Wachstumsstrategie ist mit 35 Prozent in Deutschland niedriger als weltweit (global: 42 Prozent).
Deutlich heben sich der deutsche Mittelstand und deutsche Familienunternehmen auch durch die Treiber ihrer digitalen Transformation ab: Am häufigsten wird hier mit 21 Prozent die Kostenreduzierung genannt (global: 14 Prozent). Dagegen wird der Stärkung von Management-Fähigkeiten durch die Transformation mit nur 8 Prozent wesentlich weniger Bedeutung beigemessen als global (15 Prozent), ebenso dem Cyber Security Management (10 Prozent gegenüber 14 Prozent). Auch bei der Umsetzung der Maßnahmen für das wichtige Thema Resilienz ist ein gewisser Nachholbedarf von deutschen Mittelständlern und Familienunternehmen zu verzeichnen, etwa in den Bereichen Kapital und Strategie. Insgesamt weisen sie aber ein eigenständiges, robustes Resilienzprofil auf: Dynamik, Flexibilität und strategische Ausrichtung sind hierzulande im globalen Vergleich besonders stark ausgeprägt. Auf die nächste Krise dürften der deutsche Mittelstand und die Familienunternehmen hierzulande unterm Strich jedenfalls recht gut vorbereitet sein.
Diese Schlussfolgerung teilt Christine Wolter, Partnerin und Leiterin von Deloitte Private:
Die wirtschaftspolitischen Verhältnisse, die technologischen Entwicklungen und die Kundenbedürfnisse verändern sich rasant, Innovationszyklen werden immer kürzer. Meine persönlichen Erfahrungen in der Arbeit und Beratung mit Familienunternehmen zeigen, dass diese in einem dynamischen Umfeld nicht nur bestehen, sondern ihre spezifischen Stärken einsetzen, um noch stärker und resilienter daraus hervorgehen.
Für den Global Survey wurden zwischen 21. Januar und 9. März 2021 im Auftrag von Deloitte Private weltweit 2.750 Führungskräfte von Unternehmen zwischen 10 Millionen und 1 Milliarde US-Dollar Jahresumsatz befragt, 9 Prozent davon börsennotiert. 50 Prozent der Teilnehmer sind Eigentümer, Aufsichtsrat- oder Vorstandsmitglieder. Laden Sie hier die vollständige globale Deloitte Private Studie „Crisis as Catalyst: Accelerating Transformation. Global Perspectives for Private Companies“ im englischsprachigen Original herunter und lesen Sie mehr zu den weltweit erhobenen Resultaten im Detail.