Die wirtschaftliche Situation in Deutschland ist angespannt. Das bekommt auch der Mittelstand zu spüren, wie die Ergebnisse des aktuellen CFO Survey zeigen. Mehr als ein Drittel der CFOs vermelden schlechtere Geschäftsaussichten als noch vor drei Monaten. Besonders belastend sind Risiken wie schwache Nachfrage, zunehmende Regulierung und Fachkräftemangel. Umsatzwachstum und Margen gehen zurück, auch die Investitionspläne sind verhalten. Zudem ist eine langfristige Tendenz zur Verlagerung von Investitionen ins Ausland zu beobachten.
Der halbjährlich erscheinende Deloitte CFO Survey erfasst die Einschätzungen und Erwartungen von deutschen CFOs zu Wirtschaftslage, Unternehmensstrategien und Finanzfunktion. Hier liefern wir eine Auswertung dieser Trendstudie aus der Sicht des Mittelstands. Insgesamt ist in diesem zentralen Bereich der deutschen Wirtschaft eine markante Eintrübung der Aussichten zu konstatieren – ähnlich wie bei den Großunternehmen, aber teils noch ausgeprägter. Waren in der Frühjahrsausgabe des CFO Survey noch Anzeichen für ein Abklingen der Konjunkturschwäche zu erkennen, so liegt der Durchschnitt der Geschäftsaussichten nun wieder deutlich im negativen Bereich. Der Indexwert fällt dabei im Mittelstand mit minus 19 noch etwas schlechter aus als bei den Großunternehmen (Saldo aus positiven und negativen Einschätzungen).
Das größte Risiko mit Blick auf die nächsten zwölf Monate stellt aus Sicht der befragten CFOs wie schon in der Frühjahrsausgabe eine schwächere Inlandsnachfrage dar. Die Bedeutung dieses Risikos hat dabei sogar noch deutlich zugenommen, es wird von 74 Prozent der Teilnehmenden angeführt (Frühjahr: 59%). Es folgen die Risiken durch zunehmende Regulierung in Deutschland (54%), Fachkräftemangel (54%), steigende Lohnkosten (52%) und Geopolitik (46%). Das Risiko steigender Kapitalkosten nimmt dagegen im Vergleich zum Frühjahr stark ab (von 26% auf 12%), was durch den begonnenen Zinssenkungszyklus der Europäischen Zentralbank (EZB) erklärt werden kann.
Die Verschlechterung der Aussichten zeigt sich auch in den Umsatz- und Margenerwartungen. Es wird zwar weiterhin mit wachsenden Umsätzen gerechnet, allerdings in deutlich schwächerem Ausmaß als noch im Frühjahr: Der Indexwert fällt von 22 auf acht. Bei den operativen Margen erwarten die CFOs im Schnitt eine Verschlechterung (Indexwert -15). Entsprechend liegen auch die Pläne für neue Investitionen im Mittelstand weiterhin im negativen Bereich, wenn auch immerhin auf etwa gleichbleibendem Niveau. Die Beschäftigungspläne sehen nach wie vor einen Abbau vor, wobei sich hier eine leichte Erholung abzeichnet (Indexwert: -4 gegenüber -12 im Frühjahr). Die Investitionsabsichten des Mittelstands sind dabei deutlich verhaltener als die der Großunternehmen. Bei den strategischen Prioritäten der Mittelständler steht weiterhin Kostensenkung auf dem ersten Platz (66%), analog zu den Großunternehmen. Doch auch organisches Wachstum bleibt ein wichtiges Ziel (47%). Es folgen die Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen (42%) und die Steigerung des operativen Cashflows (41%). Insgesamt agiert der Mittelstand strategisch defensiver als die Großunternehmen, etwa bei der Einführung neuer Produkte, bei Investitionen und M&A-Aktivitäten.
Der Schwerpunkt der Investitionstätigkeit liegt für eine große Mehrheit von 82 Prozent der Mittelständler in Deutschland. Doch in fünf Jahren wird das nur noch bei 70 Prozent der Befragten der Fall sein, womit eine signifikante Verschiebung von Investitionen ins Ausland einhergeht. Das europäische Ausland nimmt dabei in fünf Jahren um vier Prozent als Investitionsschwerpunkt zu. Stärker fällt der Zuwachs bei den Schwerpunkten Nordamerika (+6%) und Südostasien (+7%) aus. Als wichtigsten Grund für neue Investitionen außerhalb von Deutschland nennen die Befragten vor allem besseren Zugang zu internationalen Absatzmärkten (33%) und kostengünstigere Produktionsbedingungen (28%). Weitere wichtige Motive sind die Diversifikation von Risiko (18%) und strategische internationale Partnerschaften (15%). Weniger stark ins Gewicht fallen besserer Zugang zu Arbeitskräften, steuerrechtliche Vorteile, Technologiezugang sowie besserer Zugang zu Rohstoffen und Energie.
Bei den geplanten Investitionsverschiebungen ins Ausland differenzieren die mittelständischen Unternehmen je nach Bereich. Ein Grund dafür dürfte in den spezifischen Risiken liegen, die mit Auslandsinvestitionen verbunden werden. Neue Investitionen für Innovation, Forschung und Entwicklung sollen bei 50 Prozent der Unternehmen eher in Deutschland getätigt werden. Bei Investitionen für IT und Cloud Services trifft das aufgrund der Datensicherheit sogar für 63 Prozent der Unternehmen zu. Produktionserweiterungen sollen dagegen vermehrt im Ausland vorgenommen werden: 33 Prozent der Teilnehmenden stimmen dieser Aussage zu, 20 Prozent stimmen nicht zu. Gefragt wurde außerdem, was aus Sicht der CFOs das größte Risiko bei Auslandsinvestitionen darstellt. An erster Stelle stehen hier regulatorische und Compliance-Risiken, gefolgt von neuen Handelsbarrieren wie Zöllen und Sanktionen, Unterbrechungen der Lieferkette und politisch motivierter Benachteiligung gegenüber lokalen Unternehmen. Deutlich seltener nennen die Befragten Gefährdung geistigen Eigentums, mangelnde Datensicherheit, limitierten Kapitalmarktzugang und Enteignung.
Laden Sie hier die Auswertung des CFO Survey für den Mittelstand herunter und erfahren Sie alle Details.
Die Auswertung des CFO Survey Herbst 2024 für den deutschen Mittelstand bezieht sich auf teilnehmende Unternehmen, die einen Umsatz von unter einer Mrd. Euro aufweisen. Von diesen 125 Unternehmen erzielen 56 Prozent einen Umsatz unter 250 Mio. Euro, 23 Prozent einen Umsatz von 250 Mio. Euro bis 500 Mio. Euro und 21 Prozent einen Umsatz von 500 Mio. Euro bis einer Mrd. Euro. Die fünf am häufigsten vertretenen Branchen sind Maschinenbau und Industriegüter, Konsumgüterindustrie, Immobilienbranche, Handel und Automobilindustrie.
Der CFO Survey zeigt, die strategischen Prioritäten mittelständischer Unternehmen sind: Kostensenkungen, organisches Wachstum, die Einführung neuer Produkte und Dienstleistungen sowie die Steigerung des operativen Cash-Flows. In einem politisch und regulatorisch sehr dynamischen Marktumfeld kommt es aktuell für die Unternehmen darauf an, die Komplexitäten und Risiken zu reduzieren, um das Unternehmensergebnis nachhaltig für die Zukunft auf- und sicherzustellen.
-Dr. Christine Wolter