Das Verkaufsverbot von CO2-emittierenden Fahrzeugen ab 20351 führt in Deutschland weiterhin zu gespaltenen Reaktionen. Neueste Verbraucherdaten zeigen, dass die geplante Regelung stark polarisiert. Trotz der positiven Effekte auf die Klimaziele wird ein Verbrennerverbot2 in den älteren Segmenten sogar überwiegend abgelehnt. Gleichzeitig wünscht sich fast die Hälfte der Deutschen weitere Maßnahmen zur Förderung des ÖPNV. Dies zeigt eine repräsentative Erhebung unter 1.000 Befragten, die Ende Oktober 2024 im Auftrag von Deloitte durchgeführt wurde.
Das Meinungsbild zum geplanten Ausstieg aus der Verbrennungstechnologie ist in Deutschland geteilt. Derzeit befürworten 40 Prozent der befragten Verbraucher:innen, dass ab 2035 in der EU ausschließlich emissionsfreie Fahrzeuge verkauft werden dürfen. Ein fast ebenso großer Anteil von 36 Prozent lehnt dies dagegen ab (s. Abb. 1). Die Umfrageergebnisse zeigen: Das Thema „Elektromobilität“ polarisiert, und für einen beachtlichen Teil der Befragten bleiben Verbrennerfahrzeuge aus heutiger Sicht auch langfristig eine Option.
Das geteilte Bild spiegeln auch die aktuellen Verkaufszahlen wider: Obwohl viele Automobilhersteller stark in die Elektrifizierung ihres Produktportfolios investieren, entwickelt sich die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen auf dem deutschen Automobilmarkt negativ. Dies zeigt sich in den ersten drei Quartalen 2024, in denen der Anteil vollelektrischer Fahrzeuge an den Gesamtverkäufen rund 13 Prozent betrug. Im Vorjahreszeitraum lag dieser Wert noch bei 18 Prozent.3
Gründe für die Kaufzurückhaltung analysiert die Deloitte Global Automotive Consumer Study 2024: Unzureichende Ladeinfrastruktur, Reichweitenangst und hohe Fahrzeugpreise halten viele der Befragten von der Anschaffung eines Elektroautos ab. Hinzu kommen die Folgen der abrupten Kürzungen der staatlichen Kaufprämie Ende letzten Jahres.
Jüngere Verbraucher:innen offener für ein Verbot
Bemerkenswert sind die unterschiedlichen Einstellungen zum geplanten Ausstieg aus der Verbrennungstechnologie in den jeweiligen Altersgruppen. So ist die Zustimmung zu einem Verbot im jüngsten Segment doppelt so hoch wie in der Gruppe der ältesten Befragten. Während Verbraucher:innen unter 45 Jahren die Sinnhaftigkeit eines Verbrenner-Aus mit großer Mehrheit wahrnehmen, kippt die Zustimmung bei Befragten ab 55 Jahren deutlich.
Häufig grundsätzliche Bedenken
Wer sich gegen ein Verbrennerverbot ausspricht, tut dies ohne Wenn und Aber. Von den 36 Prozent, die eine solche Reglementierung insgesamt ablehnen, hat der deutlich größte Teil grundsätzliche Bedenken (s. Abb. 3). Die Verschiebung auf einen späteren Zeitpunkt oder eine teilweise Umsetzung, z.B. ein Verbot von Verbrennungsfahrzeugen in bestimmten Regionen, ist nur für eine kleinere Gruppe eine Option. Damit verbleiben 26 Prozent aller Befragten, die grundsätzlich jegliche Einschränkung des Verkaufs von konventionellen Antrieben in der EU ablehnen.
Fast jeder Zweite wünscht sich mehr Förderung des Nahverkehrs
Der Ausstieg aus der Verbrennungstechnologie ist jedoch nicht die einzige Karte, die in Richtung Dekarbonisierung ausgespielt werden kann. Auch Anreize für alternative, umweltfreundlichere Verkehrsträger sind als Klimaschutzmaßnahmen in der Diskussion oder Umsetzung. Doch welche konkreten Instrumente würden sich Verbraucher:innen in Deutschland von der Politik wünschen? Tatsächlich wird in diesem Kontext an erster Stelle eine stärkere Förderung des öffentlichen Nahverkehrs genannt (s. Abb. 4). 46 Prozent der Befragten wünschen weitere Verbesserungen beim ÖPNV. Daneben spricht sich ein gutes Drittel für die Förderung synthetischer Kraftstoffe und anderer alternativer Antriebe aus. Hierbei zeigt sich der Effekt einer kontroversen Debatte rund um Technologieoffenheit und E-Fuels4, die bei einem Verbot weiterhin erlaubt wären. Weitere 29 Prozent wünschen eine stärkere Förderung von Elektroautos, und lediglich 11 Prozent der Befragten präferieren ein früheres Verbot von Verbrennungsmotoren. 9 Prozent unterstützen grundsätzlich keine Klimaschutzmaßnahmen.
Fazit: Am Ende geht es um die Dekarbonisierung des Verkehrs
Während die deutsche Automobilindustrie aktuell mit erheblichem Personalabbau und Werksschließungen kämpft, könnte die Überprüfung des Verbots von Verbrennerfahrzeugen im Jahr 2025 bestimmen, ob die E Mobilität mit Vollgas vorangetrieben wird oder die EU einstweilen auf die Bremse tritt. Dabei würden dann auch die ehrgeizigen Dekarbonisierungsziele auf der Strecke bleiben, für deren Erreichen an einer Elektrifizierung der Fahrzeugflotten kein Weg vorbeiführt.
Fakt ist aber auch, dass Verbraucher:innen auf dem Weg in die Elektromobilität mitgenommen werden müssen. Dies ist bislang nicht überall gelungen, denn die Meinungen gehen auch heute noch stark auseinander. Während eine große Gruppe das geplante Verbrennerverbot als notwendige Maßnahme zur Reduzierung der CO2-Emissionen betrachtet, lehnt eine starke Fraktion ein solches Verbot grundsätzlich ab. Folglich liegt auch das ambitionierte Ziel, bis 2030 insgesamt 15 Millionen Elektroautos auf deutsche Straßen zu bringen, in weiter Ferne. Nach unseren aktuellen Berechnungen5 werden in fünf Jahren lediglich 11 Millionen Elektrofahrzeuge in Deutschland unterwegs sein.
Welche sind relevante Hebel, um dem Ziel einer Dekarbonisierung des Verkehrs entscheidend näher zu kommen? Einerseits gilt es, die Akzeptanz und Attraktivität von Elektromobilität zu erhöhen. Entscheidende Faktoren hierfür sind unter anderem der Ausbau vom Ladeinfrastruktur sowie das Angebot erschwinglicherer Elektrofahrzeuge. Gleichzeitig darf die Förderung des ÖPNV nicht in den Hintergrund treten. Denn nur das orchestrierte Zusammenspiel unterschiedlichster Maßnahmen wird den Anforderungen der Verbraucher:innen gerecht und lässt das Ziel der Klimaneutralität entscheidend näher rücken. Letztlich wird der Erfolg der Dekarbonisierung davon abhängen, inwieweit es gelingt, alle Akteure von den gemeinsamen Zielen und dem Weg dorthin zu überzeugen. Hierzu bedarf es nicht nur einer passenden Strategie, sondern auch adäquater Kommunikation – auch um das derzeit stark polarisierte Meinungsbild der Verbraucher:innen zu harmonisieren.
1 Quelle: Europäisches Parlament
2 Ausnahmen gelten für den Betrieb mit klimaneutralen Kraftstoffen wie E-Fuels
4Gemeint sind synthetische Kraftstoffe, die durch Elektrolyse von Wasser mit (regenerativem) Strom hergestellt werden und als umweltfreundliche Alternative zu fossilen Brennstoffen gelten, da sie auf Wasserstoff als Grundprodukt setzen. Quelle: E-Fuels: Sind synthetische Kraftstoffe die Zukunft?
5Quelle: E-Mobility Sales Forecasting Model | Deloitte Germany
Nicolas Zauner
Senior | Automotive Research
Die Deloitte Industry Briefings analysieren Themen, die die Branchen bewegen, um kurzfristig und agil auf aktuelle Markentwicklungen und Branchenthemen reagieren zu können.
Harald Proff arbeitet seit 2015 bei Deloitte und ist Automotive Sektorleiter für Global/DCE/Deutschland. Sein Fokus liegt auf Transformationsprogrammen und neuen Geschäftsmodellen der industriellen Fertigung sowie der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung von Industrieunternehmen. Er ist der Gründer der Deloitte Digital Factory in Düsseldorf. Neben Deutschland hat er auch länger in Südkorea und Brasilien gelebt und gearbeitet. Nach seinem Studium in der Fachrichtung Wirtschaftsingenieurwesen und Maschinenbau und anschließender Promotion an der TU Darmstadt startete er als Manager für Industrialisierungsprojekte bei Mercedes Benz in das Berufsleben. Der Automobilindustrie ist er auch als Berater immer treu geblieben. Vor seiner Rolle als Automotive Sektorleiter war Herr Proff Lead Partner Operations Deutschland.