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TMT Industry Briefing: Werbung als Game Changer für Video-Streaming?

Kostenpflichtiges Video-Streaming hat sich in Deutschland längst etabliert. Inzwischen nutzen zwei Drittel der Konsumenten[1] Bezahldienste wie die von Netflix, Amazon Prime Video oder DAZN. Doch die Zeiten starken Abo-Wachstums sind vorüber, die Branche könnte vor der nächsten Zäsur stehen. Denn neue, werbebasierte Angebote wie AVoD[2] und FAST[3] verfolgen einen radikal anderen Monetarisierungsansatz. Und dieser trifft auf Konsumenteninteresse, wie der Deloitte Digital Consumer Trends Survey belegt: 31 Prozent der Konsumenten zwischen 18 und 75 Jahren sind grundsätzlich an werbebasierten Streaming-Angeboten interessiert.

Für die repräsentative Befragung wurden weltweit 38.150 Konsumenten im Auftrag von Deloitte befragt, 2.000 davon in Deutschland. Die Ergebnisse zeigen: Der Nutzeranteil kostenpflichtiger Video-Streaming-Dienste hat hierzulande ein Plateau erreicht. Zuwächse fallen spürbar geringer aus als in den Vorjahren. In den vergangenen zwölf Monaten ist die Nutzerbasis immerhin noch um vier Prozentpunkte gewachsen (s. Abb. 1). Anders ist die Situation bereits im Vereinigten Königreich, wo die Studienergebnisse einen Rückgang um zwei Prozentpunkte dokumentieren. Nach dem Peak zu Beginn der COVID-Pandemie haben Video-Bezahlabonnements in Großbritannien ihren Peak augenscheinlich überschritten.

Abb. 1: Nutzeranteil kostenpflichtiger Video-Streaming-Dienste

Tatsächlich haben dort 17 Prozent der Haushalte im letzten Jahr mindestens einen Video Streaming-Dienst gekündigt. Die Gründe sind vielfältig: Kurze Kündigungsfristen verleiten dazu, Abos nur temporär für einzelne Staffeln oder Sportereignisse abzuschließen. Die Rückmeldungen der Befragten zeigen aber auch, dass die anfallenden Kosten ein wesentlicher Faktor sind. So gaben 22 Prozent der Briten als Grund für die Kündigung an, dass sie wegen der steigenden Kosten in anderen Bereichen weniger für Abonnements ausgeben wollen. In Deutschland lag dieser Anteil sogar bei 23 Prozent.

 

Zahl werbebasierter Angebote steigt

 

Ist nun die Zeit für neue Erlösmodelle gekommen? Einiges deutet darauf hin. Denn die Anbieterseite zeigt aktuell ein bemerkenswertes Aktivitätsniveau. So hat Amazon im August mit Freevee seinen zweiten Streamingdienst in Deutschland gestartet. Anders als Prime Video finanziert sich dieser ausschließlich über Werbung. Freevee möchte mit einer Mischung aus Abrufinhalten und linearen FAST-Kanälen sowie eigens produzierten „Originals“ bei den Zuschauern in Deutschland punkten und wird mit bestehenden, werbefinanzierten Diensten wie Joyn oder RTL+ konkurrieren. Und ab November wird auch Netflix mit einem werbeunterstützen Angebot in Deutschland antreten. Dieses soll allerdings nicht komplett kostenlos sein, sondern mittels Werbung zu einem günstigeren Preis angeboten werden.

 

Großes Interesse an AVoD und FAST

 

Doch wie stehen Mediennutzer in Deutschland zu werbebasiertem Video-Streaming? Denn hier müssen im Gegenzug für vergünstigte oder kostenlose Dienste Werbeunterbrechungen und/oder Pre-Roll-Werbungen in Kauf genommen werden. Tatsächlich ziehen 22 Prozent der Befragten einen werbefreien Video-Genuss vor und sind auch bereit, dafür wie bisher den vollen Abo-Preis zu zahlen. Deutlich größer, nämlich 31 Prozent, ist jedoch der Anteil der an werbebasiertem Streaming interessierten Konsumenten (s. Abb. 2). Gemessen an der bereits hohen Verbreitung von SVoD[4] -Bezahlabonnements wird damit schnell klar: Das Potenzial von AVoD und FAST ist in Deutschland enorm. Das aktuell stark wachsende Angebot wird absehbar auf Wohlwollen der Mediennutzer treffen.

Abb. 2: An welcher Art von Video-Streaming-Diensten sind Sie am meisten interessiert?

Keine Kosten, dafür rund zehn Minuten Werbung pro Stunde, oder ein halbierter Abo-Preis bei fünf Minuten Werbung: AVoD und FAST sind in unterschiedlichen Spielarten möglich. Beispiele für die beiden Konzepte haben wir am Beispiel von Freevee und Netflix bereits genannt. Doch was bevorzugen deutsche Verbraucher? Die Rückmeldungen zeigen ein nahezu identisches Interesse an kostenfreien und kostenreduzierten Diensten. Dies spiegelt auch den zunehmenden Wunsch nach einem individuellen Medienkonsum wider, der den persönlichen Bedürfnissen des einzelnen Nutzers durch eine Vielzahl unterschiedlicher Angebote Rechnung trägt.

 

Fokus auf junge Zielgruppe sinnvoll

 

Besonders groß ist der Wunsch nach werbebasiertem Video-Angeboten in den Streaming-affineren jüngeren Alterssegmenten. Mit steigendem Alter der Befragten nimmt das Interesse kontinuierlich ab (s. Abb. 3). So ist unter jungen Erwachsenen die Zustimmung 2,5-Mal größer als in der Generation 65+. Dies verdeutlicht: Anbieter sollten bei der Platzierung werbebasierter Dienste ihren Fokus zunächst auf die jüngeren und mittleren Altersgruppen legen und Content-Angebote und Marketingmaßnahmen entsprechend ausrichten.

Abb. 3: Sind Sie an neuen, werbebasierten Video-Streaming-Diensten grundsätzlich interessiert? (nach Alterssegmenten)

Konsequenzen für Markt und Anbieter

 

Schon in den vergangenen Jahren haben Mediennutzer TV und Video in immer mehr Darreichungsformen konsumiert. Mit werbebasiertem Streaming wird sich das Angebot in Deutschland noch weiter diversifizieren. Die vorliegenden Studienergebnisse belegen das große Potenzial sowohl von kostenfreien als auch von kostenreduzierten Diensten. Diese werden künftig von der großen Mehrheit der Konsumenten komplementär zu den bestehenden Angeboten genutzt. Dabei nimmt die Bedeutung der einzelnen Plattformen als Kriterium für die Auswahl von Content absehbar weiter ab. Entscheidend ist vielmehr die Attraktivität von Inhalten und deren Preis.

Auch die Werbeindustrie dürften AVoD und FAST nicht unbeeinflusst lassen. So könnten große, globale Plattformanbieter das Geschäft mit TV- und Videowerbung schon bald noch stärker beherrschen. Denn wenn die Streaming-Schwergewichte ihre umfangreichen Inhalte konsequent mit Werbung versehen und diese auch noch selbst vermarkten, würden die bestehenden Machtverhältnisse im Werbemarkt auf den Kopf gestellt. Viele nationale Akteure aus den Bereichen Medien und Werbung erscheinen im Vergleich zu den dominanten Plattformanbietern als zu klein, zu unbeweglich und technologisch zu träge. In einem immer intensiveren Wettbewerb drohen sie perspektivisch abgehängt zu werden.

[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

[2] Ad-Supported Video on Demand

[3] Free-Ad-Supported-Streaming-TV

[4] Subscription-Video-on-Demand