Die Steigerung der Energie- und Materialeffizienz wird zunehmend nicht nur aus ökonomischer, sondern auch aus ökologischer Perspektive betrachtet. Der zunehmende Fokus auf die Verbesserung der unternehmerischen Nachhaltigkeit durch Politik und Gesellschaft spielt dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Gleichzeitig ist für viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) die Entwicklung oder Einführung von KI mit hohen Kosten und Aufwänden verbunden. Um diese Barrieren zu senken und Berührungsängste abzubauen, untersucht die Studie „Potenziale der schwachen künstlichen Intelligenz für die betriebliche Ressourceneffizienz“ gezielt Anwendungsfälle von KI dahingehend, ob und wie KI auch für Unternehmen zu Effizienzgewinnen führen kann. Dazu wurden über 1.300 wissenschaftliche Artikel gesichtet und klassifiziert. Schließlich konnten 54 Publikationen identifiziert werden, auf deren Basis zusammen mit Fachexpertinnen und -experten acht Anwendungsszenarien abgeleitet wurden, die eine besondere Bedeutung für die betriebliche Ressourceneffizienz haben. Zudem wurden 71 Vertreterinnen und Vertreter aus Unternehmen befragt, wie sie die Anwendungsbreite und -tiefe von KI, auch in Bezug auf die betriebliche Ressourceneffizienz, einschätzen. Neben den Anwendungsszenarien ist ein elementares Ergebnis der Studie ein KI-Reifegradmodell, das Unternehmen die Möglichkeit gibt, selbst einzuschätzen, wie es um den Einsatz von KI bei ihnen bestellt ist. Letztlich werden, basierend auf den identifizierten Hemmnissen und Erfolgsfaktoren, auch Handlungsempfehlungen an Politik, Wissenschaft und Unternehmen formuliert, um den Einsatz von KI weiter voranzutreiben.
Dass Ressourceneffizienz meist nicht die treibende Motivation hinter dem Einsatz von KI ist, zeigt sich in den Ergebnissen der Expertenbefragung. Unabhängig von der Unternehmensgröße gaben zwar 43% der befragten Unternehmen an, dass sie KI bereits in der Produktion einsetzen. Jedoch wollen sie damit vor allem Zeit oder Kosten sparen und die Qualität ihrer Produkte steigern. Die damit verbundene Steigerung der Ressourceneffizienz, z. B. durch die Verringerung von Ausschuss, ist oftmals ein sekundärer Effekt, welcher nicht separat gemessen wird. Allerdings konnte eine stark zunehmende Bedeutung von KI-Anwendungsszenarien in direktem Bezug auf Ressourcen für geplante Implementierungen festgestellt werden. Fast alle Befragten sehen hierbei die größten Einsparpotenziale beim Material- und Energieverbrauch.
Eine detaillierte Auswertung von Ressourceneinsparungen durch den Einsatz von KI findet momentan noch sehr begrenzt statt. In der im Rahmen der Studie durchgeführten Expertenbefragung wurde deutlich, dass die notwendige Datenlage derzeit noch unzureichend gegeben ist. Dies erklärt auch die Diskrepanz zwischen der durchschnittlich erwarteten Höhe des Einsparpotenzials (9,9%) und der nach Schätzung der Unternehmen im Durchschnitt tatsächlich eingesparten Ressourcen (3,6%). Das Einsparpotenzial wird tendenziell überschätzt, was jedoch teils auch auf die genannten Ungenauigkeiten und Erfahrungswerte mangels Datengrundlage zurückzuführen ist.
Viele der befragten Unternehmen sehen trotz der teils erhöhten Erwartungen nach wie vor enormes Potenzial in der Anwendung von KI im verarbeitenden Gewerbe. So ist KI derzeit Bestandteil der Unternehmensstrategie sowohl großer Unternehmen (60,6%) als auch bei KMU (66,7%).
Wichtige Erfolgsfaktoren bilden dabei die Nutzung bereits vorhandener KI-Lösungen, standardisierte Schnittstellen und Open-Source-Lösungen sowie die Vernetzung und das Training von KI-Anwendenden und KI-Teams. Gleichzeitig gibt es noch große Hürden, die es zu überwinden gilt: Dazu zählen die Experten vor allem fehlendes Know-how im Unternehmen sowie einen hohen Implementierungsaufwand. Sie äußern zudem Bedenken hinsichtlich der Datensicherheit sowie der geringen Datenverfügbarkeit für die Entwicklung von KI.
Die erarbeitete Studie zeigt erstmalig systematisch mögliche Anwendungsfelder der künstlichen Intelligenz zur Senkung des betrieblichen Ressourcenverbrauchs anhand von Praxisbeispielen auf und bildet somit eine gute Grundlage für Unternehmen zur Orientierung, welche möglichen Einsatzgebiete der KI im Bereich Ressourceneffizienz relevant sind. Ein Teil dieser Anwendungsszenarien wird nachfolgend erläutert.
Die vorausschauende Wartung (auch Predictive Maintenance genannt), stellt eine Instandhaltungsstrategie dar, bei der das System während des Betriebs kontinuierlich überwacht, um frühzeitig vorherzusagen, wann dieses gewartet werden muss. Dies resultiert darin, dass die Maschinen vor dem Ausfall instandgehalten werden, dennoch so lange wie möglich betrieben werden können, um eine optimale Nutzung der Ressourcen zu gewährleisten.
Bei der Anwendung von Predictive Maintenance werden zahlreiche Prozess- und Zustandsdaten sowie fortschrittliche Analyse- und KI-Methoden verwendet, um Ausfälle vorherzusagen, lange bevor sofortige Maßnahmen ergriffen werden müssen.
Durch den Einsatz der vorausschauenden Wartung kann mittels effizient gewarteter Maschinen die Material- und Energieeffizienz signifikant erhöht werden, da ungewollte Material- und Energieverluste durch den Verschleiß der bearbeitenden Werkzeuge und Maschinen verhindert werden. Die Steigerung der Energieeffizienz führt wiederum zu einer Senkung der THG-Emissionen.
Darüber hinaus können insbesondere Kosteneinsparungen durch die Verringerung von Stillstandszeiten innerhalb der Fertigung, eine Senkung der Instandhaltungskosten sowie eine Erhöhung der Zuverlässigkeit der Maschinen erzielt werden.
Die Optimierung der Prozesskette ist ein weiteres Anwendungsszenario für KI. Hier spielt das Konzept des digitalen Zwillings bzw. Digital Twin, also virtuelle Abbilder physischer Objekte oder Systeme, eine wesentliche Rolle. Digital Twins weisen vier wesentliche Merkmale auf:
Für den Digital Twin stellen Sensoren und Konnektivität eine Grundvoraussetzung dar. Die weiteren Funktionalitäten ermöglichen die Überwachung und Steuerung der realen Objekte und somit eine Optimierung der Prozesskette des Systems. Dies kann zu einer vergleichsweisen hohen Einsparung an elektrischer Energie sowie CO2-Emissionen führen. Ein Beispiele für eine Optimierung der Prozesskette ist der Einsatz von Simulationen im Bereich des Materialflusses, um Transportwege zu minimieren.
In vielen Produktionsprozessen sind die Qualitätsanforderungen sehr hoch. Selbst geringe Qualitätsmängel können zu einem hohem Nacharbeitungsaufwand oder zum Ausschuss dieser Teile führen. Der Einsatz von KI kann dabei unterstützen, mögliche Fehler automatisiert zu erkennen und Systemeinstellungen für den Produktionsprozess in Echtzeit anzupassen, damit die Beschädigungen bzw. Mängel erst gar nicht auftreten.
Bereits durch die reine Fehlererkennung kann die Ressourceneffizienz zum Teil signifikant verbessert werden. Die frühzeitige Fehlererkennung führt dazu, dass die Abweichungen im Prozess schnell korrigiert sowie die fehlerhaften Komponenten bzw. Produkte direkt aussortiert werden können. Die Fehlervorhersage (Predictive Quality) hat einen noch größeren Einfluss auf die Steigerung der Ressourceneffizienz, da das Entstehen von fehlerhaften Komponenten bzw. Produkten im Idealfall gänzlich verhindert wird. Die Haupteinsparungen sind demnach im Bereich Material zu erwarten.
Die Planung der Prozesskette kann mithilfe verschiedener KI-Methoden effizienter werden. Auf Basis historischer Prozessdaten können Algorithmen eingesetzt werden, um zum Beispiel Bedarfe für die Zukunft zu ermitteln und so optimal ausgelegte Fertigungsstraßen zu konfigurieren. Durch Analyse und Klassifizierung unterschiedlicher Fertigungsmethoden, z. B. hinsichtlich Effizienz, kann die Prozessplanung zusätzlich unterstützt werden. Hierzu finden insbesondere Methoden der Klassifizierung und Trendanalyse Anwendung. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse so auch einfacher mit weiteren Akteuren entlang der Wertschöpfungskette ausgetauscht werden, um so die Resilienz im Wertschöpfungsnetzwerk zu steigern.
Durch die verbesserte Planung sind Reduktionen in den Bereichen Material- und Energieverbrauch und somit eine entsprechende Senkung der Treibhausgas (THG)-Emissionen zu erzielen. Die Planung ist schlanker gestaltet und kann auf spezifische Bedürfnisse angepasst werden.
Unternehmen müssen ihre Prozesse stetig verbessern, um die Produktion zu flexibilisieren, Wartezeiten zu reduzieren und die Produktivität durch kleinere Zeitintervalle zu erhöhen. Um diese Ziele zu erreichen, werden effiziente und automatisierte Transport- und Handhabungssysteme benötigt. Dabei haben sich mit dem rasanten Fortschritt der Robotertechnologien sogenannte fahrerlose Transportsysteme (FTS) in verschiedenen Bereichen durchgesetzt. FTS sind mobile Geräte, die typischerweise in industriellen Anwendungen als automatisierte Hilfsmittel für den Transport von Materialien von Abholstellen zu Abgabestellen (d. h. Materialtransportaufgaben) eingesetzt werden. Sie finden insbesondere in Einrichtungen wie Distributionszentren, Fertigungsanlagen, Terminals und Lagern Verwendung. FTS sind mit einem zentralen Navigationssystem verbunden, das die Anweisungen an die Fahrzeuge sendet, ihre Positionsinformationen über verschiedene Sensoren erhält und sie bei der Erledigung der entsprechenden Transportaufgaben entlang zuvor festgelegter Pfade führt.
Dabei kommt KI bei der Priorisierung von Aufträgen und der Bestimmung von optimalen Fahrwegen zum Einsatz, um die Produktionslinien jederzeit mit Material versorgen zu können und Pufferplätze abzubauen bzw. diese nicht zu überlasten.
Durch den Einsatz autonomer Transportsysteme lassen sich deutliche Zeit- und Personaleinsparungen erzielen. Durch die verbesserte Planung und weniger Ausschussmengen sind Reduktionen in den Bereichen Material- und der THG-Emissionen möglich.
Das Streben nach nachhaltigen Wertschöpfungsketten ist längst auf der Agenda des Managements in vielen Bereichen, insbesondere auch der Automobilbranche, angekommen. Treiber sind primär externe Faktoren wie Regularien, gesellschaftlicher Druck, Wettbewerb sowie Verschiebung der Marktnachfrage nach emissionsfreien Produkten. Doch auch interne Faktoren wie Unternehmenskultur und -strategie verstärken die Dringlichkeit, Wertschöpfungsketten nachhaltiger auszurichten.
Speziell im Automobilbereich wird die Nachhaltigkeit derzeit durch eine Reduktion von CO2-Emissionen vorangetrieben. Die Europäische Union verhängt Strafzahlungen, sollten die CO2-Emissionen der im europäischen Raum registrierten Fahrzeuge einen kritischen Schwellenwert überschreiten. Interessanterweise spielen die Emissionen bei der Herstellung der Fahrzeuge keine Rolle. Vielmehr werden durchschnittliche Verbräuche des einzelnen Fahrzeugs in der Nutzungsphase bei der Berechnung des Flottendurchschnitts zugrunde gelegt.
Hierzu werden Simulations- und Optimierungslösungen eingesetzt, um CO2-relevante KPIs zu erfassen und so die Flotte hin zu einem CO2-reduzierten Portfolio zu steuern. Der Erfolg ist wesentlich von der Genauigkeit der Prognosen zu zukünftigen Ereignissen wie beispielsweise den zu erwartenden Fahrzeugregistrierungen abhängig. Retrospektiv kann diese Genauigkeit mithilfe von KI mehr als verdoppelt werden.
Laut neuester Studien müssen die Automobilhersteller die CO2-Emissionen ihrer im europäischen Raum registrierten Fahrzeuge um ca. 38 % reduzieren, damit die Zielvorgaben eingehalten werden können. Da die Strafzahlungen signifikant hoch sind, kann davon ausgegangen werden, dass Unternehmen mithilfe von Sustainability-Analytics-Lösungen diese CO2-Reduktion im Einklang mit den Unternehmenszielen erreichen können. Insgesamt sind somit potenzielle Einsparungen in hohem Maße realistisch.
Am 7. Juni 2021 wurde die Studie „Potenziale der schwachen künstlichen Intelligenz für die betriebliche Ressourceneffizienz“ durch Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) und dem Geschäftsführer des VDI Zentrum Ressourceneffizienz, Dr. Martin Vogt, auf der 25. Netzwerkkonferenz Ressourceneffizienz vorgestellt.
Auftraggeber und Betreuer der Studie ist die VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH. Das Kompetenzzentrum arbeitet im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU). Durchgeführt wurde die Studie von der Deloitte Consulting GmbH sowie dem Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA.
Die gesamte Studie „Potenziale der schwachen künstlichen Intelligenz für die betriebliche Ressourceneffizienz“ mit allen Ergebnissen und weiteren Details können Sie auf der Seite der VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH herunterladen.