Um smarte Gebäudeinfrastrukturen als neuen Gebäudestandard zu etablieren, sind eine einheitliche Definition sowie ein übergreifendes Verständnis der notwendigen Veränderungen innerhalb der Immobilien- und Baubranche unerlässlich. Wir bei Deloitte definieren Smart Buildings wie folgt:
"Smarte Gebäude verfügen über digital vernetzte Infrastrukturen, die optimierte Gebäude- und Betriebsautomatisierung mit intelligentem Raummanagement kombinieren, um die Nutzerzufriedenheit zu verbessern, die Produktivität zu steigern, Kosten zu senken und sowohl physische als auch digitale Sicherheitsrisiken zu mindern."
Das Fehlen einer einheitlichen Smart Building Definition in Kombination mit geringen Erfahrungen der Projektbeteiligten führt aktuell zu komplexen Implementierungsprojekten mit erhöhtem Abstimmungsbedarf. Auch die Bau- u. Immobilienbranche wird den neuen Anforderungen zur Implementierung digitaler Lösungen in Gebäuden kaum oder nur teilweise gerecht. Seit dem Einzug in eines der innovativsten Bürogebäude in Europa The EDGE in Amsterdam konnten wir von Deloitte die eigenen Erfahrungen bei der Realisierung smarter Gebäude stetig erweitern (z.B. London 1NSS) und haben bereits verschiedene Kunden bei der Entwicklung einer individuellen Smart Building Strategie unterstützen können.
Basierend auf unserer Erfahrung im Bereich der intelligenten und vernetzten Gebäudeinfrastruktur haben wir fünf Kernelemente identifiziert, welche bei der Planung eines Smart Building Projekts unbedingt zu beachten sind, um unnötige Komplexität und Fehler zu vermeiden.
1| Strategische Ziele definieren:
Zuerst sollten eine einheitliche Definition und die Ziele für das Smart Building Projekt festgelegt werden. Dieser Schritt klingt selbstverständlich, aber nach unserer Erfahrung scheitern die meisten Smart Building Projekte an einer unklaren Zieldefinition und einer Aufweichung der Umsetzungsvorgaben im Projektverlauf. Deshalb sollten die Kernziele konkret identifiziert und eine Implementierungsstrategie entwickelt werden (z.B. Reduktion der Betriebskosten um 20% bis zum nächsten Jahr oder Flexibilisierung der bereitgestellten Flächen). Eine Analyse der vorhandenen Gebäudeinfrastruktur und der operativen Prozesse sowie die Identifikation von möglichen Handlungsfeldern für Optimierungen mittels eines Benchmarkings können als Basis für die Ermittlung der erforderlichen Maßnahmen für eine erfolgreiche Umsetzung dienen.
2| In Use Cases denken:
Basierend auf den Kernzielen werden relevante Anwendungsfälle (Use Cases) identifiziert und detaillierte fachliche- und technische Anforderungen definiert. Hierbei sollte besonders auf die Erhebung relevanter Daten und interner Compliance Anforderungen zur Datenspeicherung geachtet werden. Der Markt für Smart Building Lösungen ist stark fragmentiert und viele Start-ups wie auch etablierte Unternehmen bieten vielversprechende Lösungen an. Die Auswahl eines geeigneten Komplettanbieters fällt daher schwer. Durch einen gut vorbereiteten und durchgeführten Ausschreibungs- und Vergabeprozess können die besten Hard- und Software-Lösungen für die individuellen Anforderungen identifiziert werden. Häufig entscheiden sich Kunden für eine singuläre und nicht-integrierte/ integrierbare Lösung aufgrund emotionaler Faktoren (wie bspw. Design oder Sympathie bei der Angebotspräsentation), nur um später festzustellen, dass interne IT-Standards oder funktionale Kernanforderungen nicht hinreichend abgedeckt sind. Diese späte Erkenntnis kann zu enormen Verzögerungen und einem Anstieg der Projektkosten aufgrund zusätzlicher Entwicklungsarbeit führen (Customization).
3| Business Case aufstellen:
Eine Implementierung von Technologie um der Technologie willen sollte vermieden werden. Die Berechnung des individuellen Return on Investment (ROI) kann dabei helfen, ein geeignetes Kosten-Nutzen-Verhältnis der potentiellen Technologielösungen zu identifizieren. Die intelligente Gebäudeinfrastruktur sollte dazu beitragen, die internen Prozesse und den Gebäudebetrieb zu optimieren, um somit Kosten und manuelle Aufwände zu reduzieren und die Kundenerfahrung in der Gebäudenutzung zu erhöhen. Häufig wird intelligente Gebäudetechnologie ohne einen klaren Business Case und/ oder Anwendungsfall implementiert, der die Implementierungskosten rechtfertigt. Nur wenn die Technologie passgenau an den zuvor definierten Zielen und Anwendungsfällen (z.B. Prozessoptimierung, Energieeinsparung) ausgerichtet ist und die Implementierung in die vorhandene Datenlandschaft optimal umgesetzt wurde, lassen sich die geplanten Wertbeiträge durch Smart Building Technologien auch realisieren.
4| Stakeholder identifizieren:
Die Identifikation der wichtigsten Interessensvertreter ist in Smart Building Projekten ein wichtiger Schritt. Die erfolgreiche Umsetzung des Projektplans ist nur möglich, wenn die relevanten Personen zur richtigen Zeit in das Projekt involviert sind. Neben internen Ressourcen (z.B. IT, Compliance und Facility Management) müssen auch externe Parteien (z.B. Planer, Fachingenieure, Dienstleister) hinzugezogen werden, um einen optimalen Projektfortschritt zu ermöglichen. Nachdem die Hauptansprechpartner identifiziert wurden, ist es entscheidend, die Aufgaben zu koordinieren und eine offene Kommunikation zu fördern. Redundante Besprechungen und Missverständnisse sollten vermieden werden. Diplomatie ist daher von entscheidender Bedeutung, da Smart Buildings für die meisten Beteiligten in der Bau- und Immobilienbranche neu sind und eine Abstimmung der operativen Prozesse auf die neuen Anforderungen meist noch nicht erfolgt ist. Neben den direkten Planungsbeteiligten spielen die späteren Gebäudenutzer eine bedeutende Rolle. Die Einbindung von ausgewählten Nutzervertretern in der Planungsphase des Smart Building Projekts ermöglicht einen Überblick über die Anforderungen, Erwartungen und Bedenken der Nutzer. Die Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse in der Planung kann dabei helfen, die Akzeptanz der Nutzer im späteren Gebäudebetrieb zu erhöhen.
5| Prozesse und Abläufe definieren:
Ein detaillierter Projektplan zur Koordinierung wichtiger Projektphasen und der Beteiligten ist ein weiteres wichtiges Element. In Smart Building Projekten wird die physische Installation von Hardware (z.B. Sensoren, Gateways) mit der Implementierung von Software kombiniert. Aufgrund der Komplexität des Projektumfangs ist es von entscheidender Bedeutung, zu verstehen, wann die notwendige Hardware installiert, die Software implementiert, interne Genehmigungen erteilt und externe/ interne Ressourcen eingeplant werden sollen. Darüber hinaus muss erarbeitet werden, welche Veränderungen sich aus der Digitalisierung der Gebäude für die Mitarbeiter ergeben und wie diese in einer angemessenen Kommunikation erläutert werden kann.
Smart Buildings bergen erhebliches Potenzial für alle Parteien der Immobilien- und Baubranche und letztendlich für den Nutzer. Auf dem Weg zu neuen Branchenstandards wächst die Zahl repräsentativer Vorzeigeprojekte und die Berichterstattung in den Medien. Diese Leuchtturmprojekte helfen, die abstrakte Idee eines digitalen Gebäudes in konkrete Anwendungsfälle zu übersetzen und tragen dazu bei, gemeinsame Branchenstandards zu definieren.
Die digitale Vernetzung der Gebäudeinfrastruktur bleibt für die meisten Immobilen- und Bauunternehmen Neuland und der Weg zu einer standardisierten Umsetzung eines digitalen Gebäudes ist noch weit. Die Berücksichtigung der fünf identifizierten Kernschritte kann jedoch maßgeblich zu einem erfolgreichen Verlauf in zukünftigen Smart Building Projekten beitragen.
Tobias Linzmaier
Senior Manager | Real Estate Consulting
tlinzmaier@deloitte.de
Tobias Neumann
Manager | Real Estate Consulting
toneumann@deloitte.de