Die sich verlangsamende und divergierende Weltwirtschaft wird den Bankensektor im Jahr 2024 vor neue Herausforderungen stellen. Obwohl die jüngsten Bemühungen zur Inflationsbekämpfung in vielen Ländern erste Erfolge verzeichnen können, erschweren eine Reihe weiterer Risiken das globale Wirtschaftswachstum. Hierzu zählen Unterbrechungen von Lieferketten, die Neuordnung von Handelsbeziehungen und anhaltende geopolitische Spannungen. Daneben haben auch wetterbedingte Extremereignisse wie Überschwemmungen, Hitzewellen und Wirbelstürme das Potenzial, die Weltwirtschaft empfindlich zu stören.
In diesem Umfeld reagieren Zentralbanken mit einer Feinabstimmung ihrer Zinspolitik (siehe Abb. 1). Im Jahr 2024 werden beispielsweise für den Euroraum erste Zinssenkungen erwartet. Insgesamt ist jedoch davon auszugehen, dass Quantitative Tightening Maßnahmen die globale Geldmenge schrumpfen lassen werden.
Ein solches Umfeld führt zu einer Reihe von Konsequenzen, die sowohl die Kosten- als auch die Einkommenseite des Bankengeschäfts betreffen. Folgende Herausforderungen sind damit verbunden:
Eine umfangreiche Analyse dieser Themen finden Sie im englischsprachigen Report. Zusätzlich zu dieser makroökonomischen Sichtweise auf die Gesamtindustrie beschäftigt sich der Banken- und Kapitalmarktausblick 2024 auch im Detail mit den neusten Entwicklungen und Trends in einzelnen Geschäftsfeldern (siehe Abb. 2). Dabei leistet die Studie wertvolle Hilfestellungen, wie sich Banken optimal auf das kommende Jahr vorbereiten können. Die einzelnen Geschäftsfelder gliedern sich dabei wie folgt:
Höhere Finanzierungskosten und geringeres Kreditwachstum sind nicht die einzigen Herausforderungen, vor denen das Retail-Geschäft im Jahr 2024 steht. Geringere Kundentreue und eine daraus folgende höhere Wechselbereitschaft verschärfen den Wettbewerb. Selbst bei sinkenden Zinssätzen sollte es schwierig sein, die Einlagekosten stabil zu halten. Daher müssen Retail-Banken neue Wege der Kundenbindung finden, welche vorwiegend auf einer stärkeren Personalisierung basieren.
Die Verschiebung von Bargeld hin zu digitalen Transaktionen bei Konsumausgaben wird sich weiter fortsetzen. Hierbei werden Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) zu neuen Herausforderungen mit Hinblick auf Cyberangriffe und Erkennung von Betrugsfällen führen. Zudem geraten Zahlungsdienstleister dank eines Trios aus regulatorischen, wettbewerblichen und marktbasierten Kräften immer stärker unter Druck. Viele Marktführer werden erkennen, dass sie einen über die reine Transaktion hinausgehenden Mehrwert schaffen müssen, um weiterhin am Markt bestehen zu können.
Zwar kann derzeit ein Wachstum des globalen Gesamtvermögens beobachtet werden, die jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten stellen jedoch eine große Herausforderung dar, wenn es um verwaltetes Vermögen geht. Wealth Management Abteilungen müssen deshalb alles daran setzten, ihren Beratungsprozess bestmöglich zu gestalten und diesen mit innovativen Produkten zu verknüpfen. Dabei helfen Technologien wie Künstliche Intelligenz einen höheren Grad an Personalisierung zu erreichen, welcher in diesem Geschäft essenziell ist.
Dem Bereich des Corporate und Transaction Banking steht eine ganze Aneinanderreihung von Marktentwicklungen gegenüber. Das stabile Wachstum bei Geschäftskrediten des letzten Jahres kann in den kommenden Quartalen aller Voraussicht nach nicht aufrechterhalten werden. Gebremst wird das Wachstum vor allem durch verschärfte Kreditvergabestandards und höhere Risiken bei gewerblichen Immobiliendarlehen. Zudem müssen Banken die Geschwindigkeit der Digitalisierung deutlich erhöhen, um Kundenbeziehungen zu stärken.
Das Investment Banking wird im Jahr 2024 ein leichtes Wachstum verzeichnen. Eine besonders hohe Nachfrage, insbesondere durch die Technologie- und Gewerbeimmobilienbranche, wird bei Dienstleistungen rund um den Restrukturierungsbereich erwartet. Entsprechend sollten Refinanzierungsvorhaben, Vorhaben mit Nachhaltigkeitsfokus und eventgesteuerte Übernahmen sowohl das Emissions- als auch das Beratungsgeschäft ankurbeln. Der Mangel an großen Megadeals und der stagnierende M&A-Markt könnten dabei das Geschäft von großen US-Institutionen hin zu kleineren europäischen Banken und Investment-Boutiquen verlagern.
Traditionelle Börsen werden sich einem schärferen Wettbewerb ausgesetzt sehen. Unter den neuen Marktteilnehmern werden sich Spezialbörsen befinden, die sich beispielsweise auf Nachhaltigkeit oder Preistransparenz fokussiert haben. Weitere Wettbewerber aus Regionen mit schnell wachsenden Volkswirtschaften und stark ansteigenden Handelsvolumina könnten diesen Trend verschärfen. Zudem wird erwartet, dass kanadische und australische Börsen zunehmend Marktanteile in der Europäischen Union (EU) gewinnen werden.
Angesichts dieser schnelllebigen Entwicklungen werden Banken ein hohes Maß an Flexibilität über sämtliche Unternehmensbereiche hinweg an den Tag legen müssen. Daher sollten Verantwortliche bestimmt und entschlossen handeln. Kreative Ansätze, bei denen die eigene Identität als Finanzintermediär jedoch weiterhin klar erkennbar bleibt, führen zum Erfolg.
Unsere Analyse zeigt, dass Neukundengewinnung sowie Erhalt des Kundenbestands aktuell deutlich schwieriger werden. In dieser Hinsicht Erfolge zu verzeichnen, ohne dabei die Kostenseite aus den Augen zu verlieren, ist daher ein zunehmend komplexer Abwägungsprozess. Hinzu kommen die derzeitigen geopolitischen Spannungen, welche die Zukunftsplanung von Banken zusätzlich erschwert.
Lutz Pehl, Banking & Capital Markets Sector Lead