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Banken und Klimaneutralität – die Rolle des weltweiten Bankensektors im Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft

Ein Report von Deloitte und der International Banking Federation

Bei der UN-Klimakonferenz 2021 (COP 26) einigten sich über 190 Länder darauf, die Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen zu beschleunigen. Gleichzeitig verpflichteten sich Finanzinstitute dazu, bis 2050 Privatkapital in Höhe von 130 Billionen US-Dollar für die Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens aus dem Jahr 2015 bereitzustellen. Diese sehen die Eindämmung der globalen Erderwärmung auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau vor. Aber wo steht der Bankensektor ein Jahr nach COP 26? Um diese Frage zu klären, haben wir gemeinsam mit der International Banking Federation (IBFed) eine weltweite Befragung unter Führungskräften und Vorständen von Banken durchgeführt. Zusätzlich haben wir mit Vertretern von Banken, Bankenverbänden und einer internationalen Organisation gesprochen.

Ein Jahr später, wo steht der Bankensektor jetzt?

 

Umwelt-, Gesellschafts- und Klimathemen haben einen wesentlichen Einfluss auf alle Wirtschaftssektoren. Die Sektoren der Realwirtschaft sind damit beschäftigt, Wege zur Dekarbonisierung ihrer Geschäftstätigkeiten gemäß der Verpflichtung zu Netto-Null-Emissionen und den entsprechenden Übergangsplänen zu entwickeln. Während Regierungen, Regierungsbehörden und Kohlenstoff emittierende Industriezweige wirksame Lösungen für den Klimawandel vorantreiben müssen, spielen Banken als Finanz-Intermediäre
und zentrale Akteure jeder Volkswirtschaft eine wichtige Rolle bei der
Unterstützung des Übergangs ihrer Kunden in verschiedenen Sektoren der
Realwirtschaft.

Tatsächlich müssen Banken nicht nur den Übergang ihres eigenen Geschäftsbetriebs berücksichtigen, sondern vor allem auch die Emissionen der Wirtschaftsaktivitäten, die sie finanzieren. Finan-zierte Emissionen machen etwa 75 Prozent des CO2-Fußabdrucks von Banken aus und sind äußerst schwer zu messen. Dennoch bieten diese Emissionen Banken die Möglichkeit, eine zentrale Rolle bei der Erreichung von Netto-Null-Emissionen in der Gesamtwirtschaft einzunehmen.

Um ihrer Rolle als Finanz-Intermediär beim Übergang zur Klimaneutralität gerecht zu werden, evaluieren Banken zunehmend Geschäftsmöglichkeiten, -chancen und -risiken, um ihre Kunden auf dem Weg zur Klimaneutralität zu begleiten und zu unterstützen. Parallel dazu überprüfen die Institute auch ihre eigenen Betriebs- und Geschäftsmodelle, damit ein angemessener Umgang mit der Klimathematik sowohl intern als auch bei Finanzierungsaktivitäten und in der Zusammenarbeit mit Kunden sichergestellt wird.

Banken müssen die Ausrichtung der Kapitalflüsse in den Umbau einer nachhaltigen Wirtschaft und das Risiko des Wertverlusts bestehender Vermögenswerte durch unvorhergesehene oder vorzeitige Abschreibungen und Wertminderungen genau beobachten. Die Berücksichtigung sogenannter „stranded assets“ wird beim Übergang zur Klimaneutralität von Kredit- und Anlageportfolios eine wichtige Rolle spielen. Der Erfolg des Übergangs hängt von einem kollaborativen, sektor- und institutsübergreifenden Lösungsansatz ab, von dem alle profitieren können.

Zentrale Ergebnisse des Reports

 

Unsere Untersuchungen zeigen sieben wichtige Erkenntnisse über die Bemühungen des Bankensektors zur Erreichung von Klimaneutralität auf: 

  • Es besteht große Einigkeit zwischen den nationalen Rechtsordnungen über die Notwendigkeit eines gerechten Übergangs zur Klimaneutralität. Das Jahr 2050 wird vom Intergovern-mental Panel on Climate Change (IPPC) – dem sog. Weltklimarat – und anderen wissen-schaftlichen Gremien als das Jahr für die Erreichung des Netto-Null-Ziels anerkannt, um den Temperaturanstieg auf unter 1,5 °C zu begrenzen und den Vorgaben des Pariser Klimaabkommens gerecht zu werden. Allerdings variieren die Fristen für die Erreichung der Zwi-schen- und Endziele je nach Land oder Region. Die meisten Banken stützen sich auf verschiedene internationale und nationale Initiativen, um ihre Arbeit in Richtung Klimaneutralität auszurichten. Dabei kann es für Banken eine Herausforderung darstellen, Netto-Null-Ziele früher zu erreichen als die Volkswirtschaften, in denen Sie tätig sind.
  • In erster Linie motiviert durch ihre eigenen Pläne, aber auch durch die Anforderungen der Kunden, treiben die meisten Banken weltweit Pläne zur Unterstützung von Klimaneutralitätszielen voran. Dabei müssen die Banken aber mit Klima- und Umweltrisiken, dem Risiko der Wertminderung und des Verlusts von Vermögenswerten sowie den Erwartungen von Regulierungsbehörden umgehen. Aus diesem Grund sind die meisten Befragten weltweit zwar der Meinung, dass Banken eine zentrale Rolle beim Übergang zur Klimaneutralität einnehmen sollten, doch einige geben an, dass Banken nicht als treibende Kraft, sondern als Prozessbegleiter betrachtet werden sollten. Dies beinhaltet, dass sie sich auf die Bereiche konzentrieren, in denen sie den stärksten Einfluss für eine positive Entwicklung ausüben können.
  • So wichtig Banken für das Thema Klimaneutralität auch sein mögen: Sie sind nur ein Akteur in einem nationalen und regionalen Ökosystem. Die kohlenstoffintensiven Sektoren müssen ihren Teil dazu beitragen, indem sie durch Innovationen ihren CO2-Fußabdruck verringern. In der Zwischenzeit müssen Regierungen und andere Sektoren den Unsicherheiten – in erster Linie regulatorischer Art – und regionsspezifische Herausforderungen mit klareren Richtlinien, harmonisierten Methoden und Koordination begegnen.
  • In einigen Rechtsordnungen sind Ausschlussverfahren das wichtigste Instrument zur Eindämmung der Klimaauswirkungen von Banken. Jedoch reichen diese nicht mehr aus, um die Klimaneutralitäts-Ziele zu erreichen. Um Vermögenswerte zu transformieren, anstatt sie abzuziehen (tranform instead of divest), sind andere Maßnahmen erforderlich, darunter Programme zur Kundeneinbindung und nachhaltige Finanzierungen durch Produkt- und Dienstleistungsinnovationen. 
  • Zwar gilt die Messung von Treibhausgasemissionen als Schlüssel für die Festlegung von Zielen und die Ausrichtung auf Klimaneutralität, doch wir stellen fest, dass die Messung von Scope-3-Emissionen für die meisten Banken und Unternehmen aufgrund erheblich beschränkter Datenverfügbarkeit und mangelnder Harmonisierungsmethoden noch eine Herausforderung darstellt. Aktuell entstehen mehrere internationale Initiativen zur weltweiten Harmonisierung von Standards und Methoden. 
  • Die derzeitige Energiekrise wird sich auf die Fähigkeit der Banken zur Planung und Umsetzung ihrer Klimaneutralitätsmaßnahmen auswirken, denn diese Krise beeinflusst das gesamte Ökosystem (Regierungen und Kunden gleichermaßen). Kurzfristig können energie-politische Entscheidungen eine Rückkehr zu Energiequellen mit stärkeren Emissionen verursachen. Dies ändert jedoch nichts an der Gesamtausrichtung auf Nachhaltigkeit. Im Allgemeinen gaben die Befragten an, nach wie vor an ihren bisherigen Engagements und Prio-ritäten diesbezüglich festzuhalten. Mittel- bis langfristig kann die Energiekrise eine strategische Chance sein, um nachhaltigere Energieerzeugung zu beschleunigen und die Abhängigkeit von emissionsintensiven Energiequellen zu reduzieren. Daher gestaltet sich der Weg zur Klimaneutralität möglicherweise nicht linear und die Banken müssen den Zeitplan für ihre spezifischen Ziele und Pläne für bestimmte Kunden ggf. anpassen. 
  • Ein gerechter Übergang zur Klimaneutralität ist notwendig, um den sozialen Zusammenhalt zu erhalten. Das richtige Maß an sozialem Engagement ist wiederum ausschlaggebend, um sicherzustellen, dass der Übergang von allen Stakeholdern unterstützt wird. Die Entwicklungsländer werden finanzielle und technologische Unterstützung von Industrieländern benötigen, um einen gerechten Übergang zu ermöglichen.

Kontakt

Hedwige Nuyens

Managing Director | International Banking Federation 

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