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Nachhaltigkeitstransformation entmystifiziert

Mit Methode zum Ziel: Experten-Interview mit den Studienautoren

Umfassende Nachhaltigkeit erfordert signifikant veränderte Geschäfts- und Betriebsmodelle, um letztlich klare Wettbewerbsvorteile zu erreichen. Der Weg dorthin braucht Strategie, Führung und Umsetzungsdisziplin. Aber keine Zauberei. Ein Experten-Interview zur Deloitte-Studie „Demystifying Sustainability Transformations“ mit den Studienautoren Fabian Marckstadt, Marc Dimke, Birte von Zittwitz und Dr. Sebastian Heil.

Es gibt bereits zahllose Papiere und Studien zum Thema Nachhaltigkeitstransformation. Was hat Sie bewegt, eine weitere Studie durchzuführen?

 

Fabian Marckstadt: Bisherige Studien fokussieren sich auf das WARUM und das sektorspezifische WAS der Transformation. Wir wollten praktisch nutzbare Erfolgsfaktoren für das WIE der Nachhaltigkeitstransformation identifizieren. Dazu haben wir für unsere Studie „Demystifying Sustainability Transformations“  zunächst eine repräsentative Probe von 260 europäischen Unternehmen gebildet. 30 davon erwiesen sich als Vorreiter bei der Nachhaltigkeitstransformation. Im Vergleich zwischen den 30 Champions und den 230 übrigen Unternehmen konnten wir erkennen, welche Faktoren den Transformationserfolg beflügeln.

Und was haben Sie herausgefunden?

 

Dr. Sebastian Heil: Die Unterschiede zwischen den Nachhaltigkeits-Champions und den verbleibenden Unternehmen beginnen schon beim Aufgabenverständnis. Den Champions ging es nicht nur darum, die ESG-Regularien einzuhalten. Sie sahen in der Nachhaltigkeit das Potenzial für zahlreiche neue Geschäfts- und Innovationspotenziale. Etwas zugespitzt lässt sich sagen: Eine erfolgreiche Nachhaltigkeitstransformation zielt zuvorderst auf neue Umsätze und Geschäftschancen, etwa durch nachhaltige Produkte und dann erst auf Kostensenkungen, wie etwa durch eigenes Energiesparen. 

Birte von Zittwitz: Durch eine volkswirtschaftliche Brille gesehen, könnte die europäische Wirtschaft durch die Dekarbonisierung ein Wachstumspotenzial von 730 Milliarden US-Dollar bis zum Jahr 2070 erschließen („The Turning Point“, Mai 2022). Die gesamten Potenziale der Nachhaltigkeit sind noch viel höher. 

Der Kern Ihrer Studie ist aber nicht das „Warum,“ sondern das „Wie“ einer Transformation. Erzählen Sie uns bitte mehr darüber.

 

Marc Dimke: Viele Publikationen vermitteln den Eindruck, dass die Nachhaltigkeitstransformation völliges Neuland ist. Das trifft aber nur auf die Umfeldfaktoren und die konkreten Maßnahmen zu – nicht auf die Architektur und Führung der Transformation. Unsere Studie zeigt: Am erfolgreichsten bei der Umsetzung waren die Unternehmen, die bereits über längere Zeit gezielt Transformationsfähigkeiten aufgebaut haben – wenn auch mit ganz anderen Zielsetzungen. Viele der Erfolgsfaktoren aus anderen Transformationen gelten auch für die Nachhaltigkeit. Es braucht also kein gänzlich neues Erfolgsrezept, obwohl bei genauerer Betrachtung doch ein paar Besonderheiten auffallen.

Was machen die Champions in der konkreten Umsetzung denn nun ganz konkret besser als andere Unternehmen?

 

Birte von Zittwitz: Die Champions konzentrieren sich auf strategische Früherkennung, gemeinsame Wertschaffung im Ökosystem und eine konsequente Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsstrategien. Es beginnt also damit, erfolgversprechende Nachhaltigkeitsszenarios frühzeitig zu identifizieren und dann die weiteren Marktentwicklungen laufend im Auge zu behalten. 

Dr. Sebastian Heil: Basierend auf diesen Szenarios entwickeln sie ihr Ökosystem aktiv weiter von innen nach außen und umgekehrt. Mithilfe der Unterstützung neuer Partner können neue technologische Fähigkeiten deutlich schneller aufgebaut werden – vergleichbar mit der Einbeziehung von Tech-Providern bei der Digitalisierung, wie etwa Hyperscalern. Die Nachhaltigkeit wird Ökosysteme deutlich größer, breiter und diverser machen. Die besten Netzwerker werden zudem die sein, die ihre Partner emotional, inhaltlich und operativ integrieren können. Das bringt allerdings auch eine neue Komplexität, die als elementarer Bestandteil der Nachhaltigkeitstransformation entwickelt und gemanagt werden muss.

Marc Dimke: Auch hier sehen wir: Das Rad muss nicht neu erfunden werden. Die Nachhaltigkeitstransformationen folgen weitgehend denselben Gesetzmäßigkeiten wie andere Transformationen. Wichtig ist, die richtigen Prioritäten zu setzen und die schon vorhandenen transformativen Fähigkeiten weiter zu stärken.  

Haben Sie denn auch strukturelle Erfolgskriterien für die Nachhaltigkeitstransformation gefunden?

 

Fabian Marckstadt: Also für Struktur und Steuerung einer Nachhaltigkeitstransformation gibt es keinen „One-Size-Fits-All“-Ansatz. Wir identifizierten jedoch zwei erfolgversprechende Modi bei den Champions: 

  • Wer noch relativ am Anfang der Transformation steht, profitiert in der Regel von einer starken Personifizierung der Transformation durch einen Chief Sustainability Officer (CSO)  mit einem starken Mandat.
  • Wer allerdings schon weiter in der Transformation ist, braucht diese Personifizierung nicht mehr. Planung und Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie erfolgen dann dezentral. 

Ich sehe da eine klare Parallele zur Situation des Chief Digital Officers (CDO) vor zehn Jahren.

Gibt es denn Branchen, die besondere Schwierigkeiten mit der Nachhaltigkeitstransformation haben?

 

Birte von Zittwitz: Verschiedene Branchen haben verschiedene Nachhaltigkeitsherausforderungen, aber auch Chancen. So haben herstellende Unternehmen eine große Dekarbonisierungs-Komponente, die beispielsweise bei Banken nur recht gering ausfällt. Bei dem WIE sehen wir jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen den Industrien.

Marc Dimke: Uns zeigte die Studie, wie unterschiedlich das Thema ESG  aufgefasst und interpretiert werden kann. Alle haben verstanden, dass das Thema für sie relevant ist. Alle haben die Risiken und Chancen verstanden und die allermeisten haben auch schon mit der Transformation begonnen. Jetzt ist es wichtig, sich ehrlich die Karten zu legen: Wie reif ist das Unternehmen bereits? Die Antwort liefert die Basis für die richtige Transformationsarchitektur.  

Wie ist denn die Resonanz auf die Studienergebnisse in der Diskussion mit IhrenKunden?

 

Birte von Zittwitz: Das Interesse ist sehr groß bei den Führungskräften. Wir können mit unserer faktenbasierten Analyse helfen, das Thema zu entmystifizieren und praktische Hinweise zu geben, wie sie die Transformation bei sich am besten aufsetzen. Denn eines ist klar: Der Weg, der vor allen Unternehmen liegt, ist noch weit, und sie werden ihren Transformationspfad immer wieder neu überprüfen und adjustieren müssen. 

Im Interview:

Fabian Marckstadt, 
Partner, Strategy & Business Design
Marc Dimke, Director, Market Offering Lead Strategic Transformation
Birte von Zittwitz, Senior Manager, Strategic Transformation
Dr. Sebastian Heil, Senior Manager, Strategic Transformation