Der Deloitte-Exportkompass für die deutsche Industrie vom Herbst 2024 hat gezeigt, wie geopolitische Trends und neuer Protektionismus die internationalen Handelsbeziehungen und die Exportlandschaft für Deutschland prägen. Während der erste Supply Chain Pulse Check die Chancen auf den Weltmärkten beleuchtete, konzentriert sich die aktuelle Ausgabe der Handelsanalyse auf die Wachstumspotenziale in Europa in einer unsicheren Welt.
In der aktuellen Ausgabe des Supply Chain Pulse Check wurden alle neuen Zölle und Gegenmaßnahmen berücksichtigt, die im ersten Quartal 2025 von den einzelnen Ländern angekündigt oder geplant wurden und die deutschen Industrieexporte betreffen (Stand: 15. März 2025). Ebenfalls modelliert wurden alle noch bestehenden Handelshemmnisse zwischen einzelnen Ländern innerhalb des EU-Binnenmarktes, die Handelskosten für deutsche Industrieunternehmen verursachen. Die verbleibenden hohen Barrieren innerhalb des großen EU-Binnenmarktes sind vor dem Hintergrund des weltweit zunehmenden Protektionismus besonders besorgniserregend. Ein Abbau dieser Hemmnisse würde große Wachstumspotenziale für alle Sektoren der deutschen Industrie freisetzen.
Im EU-Binnenmarkt bestehen zwar keine Zölle, aber immer noch zahlreiche Handelshemmnisse, die Kosten verursachen und auf den Absatz drücken (u.a. unterschiedliche Rechtspraktiken, verschiedene regulatorische Anforderungen oder nicht harmonisierte Vorschriften). Nach Berechnungen des Internationalen Währungsfonds (IMF) verursachen diese Schranken im Durchschnitt bis zu 44 Prozent der Handelskosten für Industriegüter.1 Sie können als Zolläquivalente verstanden werden, d.h. sie entsprechen einem durchschnittlichen Zoll von 44 Prozent.
Würden alle derzeit angekündigten und geplanten Zölle und Gegenmaßnahmen umgesetzt, würden die deutschen Industrieexporte in den größten Absatzmarkt USA bis 2035 mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von -3,2 Prozent stark einbrechen. Die Exporte in den zweitgrößten Absatzmarkt China würden mit einem Export-CAGR von 2,8 Prozent bis 2035 wachsen und diejenigen in die Region Europa mit durchschnittlich 2,5 Prozent. Die Exporte in die Top-10-Absatzländer in Südostasien (ohne China) würden dagegen mit 4,2 Prozent wachsen. Europa ist und bleibt aber die wichtigste Exportregion: Die Top 10 der europäischen Märkte weisen ein Absatzvolumen auf, das eineinhalbmal größer ist als das von USA, China und der Top 10 der südostasiatischen Absatzländer zusammen.
Würden die noch bestehenden Handelshemmnisse und Einschränkungen im EU-Binnenmarkt künftig um die Hälfte abgebaut, könnten die Exporte der deutschen Industrie in die meisten EU-Mitgliedsstaaten bis 2035 um ein zusätzliches Prozent pro Jahr wachsen. Würden alle verbleibenden Hemmnisse vollständig abgebaut, ließe sich das Exportwachstum der deutschen Industrie in die meisten wichtigen Exportländer im EU-Binnenmarkt nahezu verdoppeln. So würden die Exporte nach Belgien beispielsweise mit 4,5 Prozent wachsen (statt mit 2,3%) und die nach Italien mit 4,0 Prozent (statt mit 1,8%). Am stärksten würden die Ausfuhren in die Niederlande zunehmen (5,2%).
Von einer Halbierung der verbleibenden Barrieren im EU-Binnenraum würden vor allem der Maschinenbau und die Elektroindustrie deutlich stärker profitieren als die Automobil- und die Chemieindustrie. Die Maschinenbauexporte nach Italien, Österreich, Spanien und Tschechien würden mit einem Export-CAGR von 4,0 bis 4,9 Prozent bis 2035 wachsen. Hohe jährliche Wachstumsraten würden auch die Exporte von Elektronikgütern in die Niederlande (4,5%) und nach Spanien (3,9%) erzielen.
Vor dem Hintergrund des zunehmenden Protektionismus und angesichts der verbleibenden Handelsschranken im EU-Binnenraum sollten deutsche Industrieunternehmen versuchen, die potenziellen Auswirkungen auf ihr Geschäft zu modellieren, Optionen zu bewerten und mit der Umsetzung zu beginnen. Die wichtigsten Fragen, die es dabei zu beantworten gilt, werden in der aktuellen Ausgabe des Supply Chain Pulse Check beantwortet.
Laden Sie hier unsere aktuelle Ausgabe des Supply Chain Pulse Check herunter und erfahren Sie alle Ergebnisse im Detail.
„Der EU-Binnenmarkt ist ein schlafender Riese für die deutsche Industrie. Angesichts zunehmend protektionistischer Tendenzen im Welthandel kann die Industrie in Deutschland einen Wachstums-Boost aus Brüssel gut gebrauchen.“
Oliver Bendig, Industrial Products & Construction Lead bei Deloitte
1 IMF (2024): Regional Economic Outlook: Europe Note, Europe’s Declining Productivity Growth: Diagnoses and Remedies, zuletzt abgerufen am 15.3.2025.
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