Die Daten aus dem Deloitte Global Consumer Pulse Survey erlauben Einblicke, wie Verbraucher die aktuelle Inflation wahrnehmen. Demnach machen sich derzeit durchschnittlich 77 Prozent aller Verbraucher weltweit Sorgen über Preissteigerungen bei Alltagskäufen. In Deutschland sind es sogar 83 Prozent (s. Abb. 1). Am deutlichsten spüren die Befragten die erhöhten Preise bei Lebensmitteln. Im Juli 2022 gaben acht von zehn Konsumenten an, dass sich die Preise im Vergleich zum letzten Monat etwas beziehungsweise deutlich erhöht haben. Das sind 20 Prozentpunkte mehr als noch im Oktober 2021.[1]
Zugleich zeichnet sich in Deutschland ein deutlicher Rückgang der Einzelhandelsumsätze ab – diese sind in der ersten Jahreshälfte drastisch eingebrochen. Im Januar 2022 lagen sie noch um 10 Prozent höher als im Januar 2021. Im Juni 2022 verzeichnete der deutsche Einzelhandel hingegen ein reales Umsatzminus von -8,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Die Inflation und die Unsicherheit über ihre weitere Entwicklung führen demnach zu einem stärkeren Einbruch als die Corona-Krise: Das Umsatzminus betrug zu Beginn der Pandemie (April 2020) nämlich „nur“ -5,2 Prozent und zu Lockdown-Zeiten im Januar 2021 -5,4 Prozent.[2]
Passend zu der angespannten Situation verschlechtert sich mit dem Anstieg der Inflation auch das finanzielle Stimmungsbild der Verbraucher. Viele Konsumenten stellen demnach größere Anschaffungen zurück, machen sich häufiger Sorgen um ihre Ersparnisse und sind zudem besorgter, laufende Kosten nicht begleichen zu können. Gleichzeitig verschlechtern sich in der Einschätzung vieler Verbraucher die Aussichten für ihre eigene finanzielle Situation in den nächsten drei Jahren. Gaben im Januar 2022 noch 39 Prozent der Befragten an, ihrer finanziellen Zukunft optimistisch entgegenzublicken, sind es ein halbes Jahr später lediglich 31 Prozent.
Der durch die Preissteigerungen bedingte Wandel der Verbraucherstimmung beschränkt sich nicht auf die wachsenden Sorgen. Angesichts der besonderen Höhe der Steigerungen stellen die Konsumenten nun auch vermehrt Fragen nach der Fairness. Viele sind zwar durchaus bereit, Preiserhöhungen zu akzeptieren, wenn diese mit realen Kostensteigerungen durch Faktoren wie beispielsweise die Pandemie begründet sind. Tatsächlich schätzen immer mehr die Lage aber anders ein, und darin liegt für betroffene Unternehmen ein bedenklicher Trend: Auf globaler Ebene machen mit 54 Prozent mehr als die Hälfte der Befragten auch die Unternehmen selbst für die starken Preissteigerungen verantwortlich.
Dahinter steht aus Sicht der Verbraucher die Absicht der Unternehmen, die Situation auszunutzen, um Gewinne abzuschöpfen. In Deutschland haben sogar mehr als zwei Drittel der Befragten (64 Prozent) das Gefühl, dass Unternehmen die Preise stärker erhöhen, als es ihre gestiegenen Kosten erfordern, und somit zusätzlichen Gewinn machen. Dieses Empfinden hat sich seit April 2022 zunehmend verstärkt: Damals lag die Zustimmung zu dieser Aussage noch bei 54 Prozent.
Die Zahlen weisen auf einen latent wachsenden Vertrauensverlust bei den Verbrauchern hin. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Vorwürfe unfairer Preiserhöhungen faktisch zutreffen oder nicht. Allein schon die Wahrnehmung beeinflusst das Verbraucherverhalten negativ – das sollte Unternehmen zu denken geben. Denn dieses Sentiment korreliert mit niedrigeren Kaufabsichten. Unter Beachtung der Faktoren Alter und Einkommen zeigen die Daten einen klaren Trend auf: Verbraucher, die Unternehmen unterstellen, Profit aus der derzeitigen Situation zu schlagen, planen signifikant weniger zu konsumieren als Personen, die davon nicht ausgehen. Dieses Muster ist über alle Produktkategorien hinweg beobachtbar.
Wie sich Konjunktur und Inflationsrate in der zweiten Jahreshälfte entwickeln, bleibt abzuwarten. Zweifelsfrei ist aber, dass die vorherrschenden Einflussfaktoren auch in den kommenden Monaten weiterhin wirken werden: der Krieg in der Ukraine, politische Entscheidungen zu Öl- und Gasimporten, Zinserhöhungen der Zentralbanken und Störungen der Lieferketten durch fortgesetzte Lockdowns, etwa in China. Vor diesem Hintergrund ist die Weitergabe von Kosten an die Verbraucher oft unvermeidbar. Unternehmen sollten dabei jedoch berücksichtigen, dass ihnen ab einem bestimmten Punkt die Verantwortung für die Preissteigerungen zugesprochen werden wird. Insbesondere bei weniger notwendigen Ausgaben und verzichtbaren Konsumgüterkategorien drohen Nachfrage und Kundenbindung zurückzugehen. Neben Preismaßnahmen sollten Unternehmen daher auch andere Hebel nutzen, um die drohende Margenerosion mittel- und langfristig zu managen. Dazu gehören unter anderem die folgenden drei Punkte:
Transparenz: Konsumgüterunternehmen sollten ihr Preismanagement mit einer effektiven Kommunikation begleiten und die Notwendigkeit von Preiserhöhungen transparent erläutern. Wenn Unternehmen umgekehrt Maßnahmen zur Kostendämpfung durchführen, von denen Verbraucher profitieren, sollte auch das klar kommuniziert werden. So wird das Vertrauen der Verbraucher in eine faire Preisgestaltung gestärkt.
Innovation: Eine Möglichkeit in der aktuellen Situation höhere Preise aufzurufen, ist die Aufwertung von Produkten durch zusätzliche Kriterien. Dazu gehört insbesondere das Thema Nachhaltigkeit. Vor dem starken Anstieg der Inflation waren 67 Prozent der deutschen Verbraucher bereit, für das gleiche Produkt einen Aufschlag zu bezahlen, wenn es ihren Nachhaltigkeitskriterien entspricht. Damals betrug der akzeptierte Aufschlag im Durchschnitt 28 Prozent des Produktpreises.[3] Aktuell dürfte diese Akzeptanz jedoch etwas geringer ausfallen.
Portfolio: Im Rahmen der steigenden Lebenshaltungskosten ist mit weiteren Einschränkungen im Ausgabeverhalten der Konsumenten zu rechnen. Erweitern Konsumgüterhersteller ihre Produktpalette um günstigere Alternativen, so geben sie Verbrauchern die Möglichkeit, der Marke treu zu bleiben und gleichzeitig Geld beim Einkauf zu sparen.
Fazit:
Mit einer raschen Erholung der Konsumentenstimmung und Konsumausgaben ist aktuell nicht zu rechnen. Die EZB erwartet erst in der zweiten Jahreshälfte 2024 eine Annäherung an das Inflationsziel von 2 Prozent.[4] Deshalb sollten sich Konsumgüterhersteller und Händler bis dahin bewusst mit ihrer Preisgestaltung, alternativen Maßnahmen und den möglichen Folgen für das Verbrauchervertrauen auseinandersetzen.
[1] Deloitte Global Consumer Pulse Survey (Juli 2022).
[2] Destatis, Einzelhandelsumsatz, Juni 2022, https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2022/08/PD22_323_45212.html, abgerufen am 18.08.2022.
[3] Deloitte, Sustainability as a value driver, abgerufen am 18.08.2022.
[4] EZB (https://www.ecb.europa.eu/pub/projections/html/ecb.projections202206_eurosystemstaff~2299e41f1e.en.html#:~:text=A%20mechanical%20update%20of%20the,the%20second%20half%20of%202024.), abgerufen am 19.08.2022.