Die Besucher kündigen sich zwar rechtzeitig vorab an, sind aber sehr neugierig und stellen ihrem Gastgeber bohrende Fragen. Sie schauen sich interne Unterlagen an und wollen viele Einzelheiten wissen. Das kostet die Unternehmen Zeit und Nerven, manchmal auch viel Geld. Der Aufwand für Betriebsprüfungen lohnt sich für den Fiskus. Sie sind eine bedeutende Einnahmequelle.
Allein 2016 hat der Staat durch Betriebsprüfungen 14 Milliarden Euro zusätzlich eingenommen. Diese Summe entspricht dem jährlichen Haushalt des Bundesministeriums für Gesundheit. Mehr als 186.000 der insgesamt 7,8 Millionen Betriebe in Deutschland bekamen Besuch von einem Prüfer.
Im Visier der Steuerprüfer standen dabei besonders Großunternehmen. Mehr als zwei Drittel der Steuernachforderungen kam aus ihren Reihen. Kontrolliert wurde jeder fünfte größere Betrieb. Bei den Kleinen dagegen ging es entspannter zu. Nur bei 3,2 Prozent von ihnen standen die Betriebsprüfer vor der Tür. In der Gruppe der Kleinstbetriebe war sogar nur ein Prozent betroffen.
Die Betriebsprüfungen sind für den Fiskus ein lohnendes Geschäft, weil sich selbst große Firmen mit versierten Fachleuten im Dschungel der Steuern nicht immer zurechtfinden. Bekommt ein Unternehmen eine neue Rechtsform, ändert oder internationalisiert es sein Geschäftsmodell, führt es neue IT-Systeme ein, wird ees umstrukturiert oder von der Konkurrenz übernommen – fast immer bringen diese Schritte Konsequenzen für die Steuer mit sich, die kaum zu überblicken sind. Fallstricke lauern auch bei längeren dienstlichen Entsendungen ins Ausland oder bei der Wahl des richtigen Umsatzsteuersatz.
Eingeleitet wird die Prüfung formal mit der Prüfungsanordnung. Häufig meldet sich der Prüfer des Finanzamts vorab schon per Telefon und kündigt seinen Besuch an. In diesem Gespräch teilt er auch mit, auf welchen Zeitraum sich die Kontrolle bezieht. Gleichzeitig nennt er einen möglichen Termin für den Beginn der Prüfung. In aller Regel wird der Besuch zwei bis vier Wochen vorher mündlich angekündigt. Wenige Tage später landet dann die schriftliche Anordnung zur Betriebsprüfung im Briefkasten.
Neu ist, dass die Prüfungsanordnung durch immer mehr Daten- und Informationsanforderungen ergänzt wird. Bei global tätigen Unternehmen fordert die Betriebsprüfung vorab eine Verrechnungspreisdokumentation des Unternehmens an. Weiterhin fordert die Steuerverwaltung in vielen neuen Betriebsprüfungen eine steuerliche Verfahrensdokumentation nach dem sog. GoBD-Schreiben vorab an. In fast allen Außenprüfungen erfolgt heute auch immer eine vorab angekündigte digitale Betriebsprüfung.
Bis zu dem Termin gibt es für Unternehmen einiges zu tun. Sie müssen steuerrelevante Aufzeichnungen und Belege so ordnen, dass sie während der Prüfung schnell auffindbar sind. Wer seine Bücher nicht ordentlich führt, riskiert, dass die Finanzbeamten Umsatz und Gewinn neu schätzen – und das kann nach hinten losgehen.
Die Kontrolle eines Betriebs beginnt oft schon vor der Außenprüfung – indem der Prüfer sich auch auf den Termin vorbereitet. Mit den heute zur Verfügung stehenden digitalen Hilfsmitteln kann dies viel umfangreicher und effizienter erfolgen. Unter dem Motto „Elektronik statt Papier“ verlangt das Finanzamt seit 2013 von großen Unternehmen, dass sie ihre Bilanzen jedes Jahr nach einem vorgegebenen Datenstandard in elektronischer Form (E-Bilanz) übermitteln.
Dadurch können sie riesige Datenmengen mit Analyseprogrammen automatisch auswerten, Durchschnittswerte für Branchen ermitteln und sie mit den Angaben eines Unternehmens vergleichen. So lässt sich schnell erkennen, welche Firmen von der Norm abweichen. Dasselbe gilt für Fälle, wo sich die Daten in Steuererklärung und E-Bilanz nicht decken.
Auf diese Weise filtert das Finanzamt heute die Kandidaten für eine Betriebsprüfung heraus. Das bedeutet, dass Firmen künftig sehr viel sorgfältiger arbeiten müssen, um nicht durch fehlerhafte Buchungen oder Inkonsistenzen in Verdacht zu geraten. Doch das Finanzamt kann noch mehr: Ihre Algorithmen finden heraus, bei welchen Unternehmen eine Betriebsprüfung den meisten Erfolg, also die höchsten Nachzahlungen, verspricht. Die Gruppe der Kandidaten lässt sich so immer weiter verfeinern.
Für Unternehmen haben die E-Bilanzen aber nicht nur Nachteile. Denn auch die Steuerabteilung des Unternehmens kann den Bestand der für das Finanzamt elektronisch aufbereiteten Daten analysieren. Damit lassen sich die internen Compliance-Prozesse effizienter steuern, aber auch Hinweise für innerbetriebliche Kontrollsysteme für Steuern finden, die Regelverstöße verhindern sollen.
Hat sich der Betriebsprüfer angekündigt, sollte sich das Unternehmen sorgfältig vorbereiten. Im Zeitalter der Digitalisierung müssen sich die Besucher nicht mehr durch Stapel von bedrucktem Endlospapier kämpfen – schon gar nicht bei großen Konzernen. Sie haben das Recht, auf alle steuerrelevanten Unternehmensdaten direkt digital zuzugreifen. Darunter fallen alle aufzeichnungs- und aufbewahrungspflichtigen Unterlagen, die mit einem Datenverarbeitungssystem erstellt und elektronisch gespeichert wurden.
Bislang machten sie von diesem Recht nicht immer Gebrauch. Das ändert sich nun – was auch an der verbesserten Ausstattung der Beamten liegt. Sie kennen sich nicht nur mit Datenverarbeitung aus, sondern sind mit leistungsfähigen Notebooks ausgerüstet, die auch sehr große Datenmengen verarbeiten und speichern können.
Die Finanzbehörden dürfen während der Betriebsprüfung auf drei verschiedene Weisen auf das IT-System der Firmen zugreifen. Die Wege sind in der Abgabenordnung (AO) geregelt:
Unmittelbarer Datenzugriff (Z1): Dies ist für alle Beteiligten die komplizierteste Art, mit der Prüfer auf das System eines Unternehmens zugreifen. Sie umfasst den reinen Lesemodus. Daten runterladen oder analysieren? Geht nicht! Das gilt auch für den Fernzugriff vom Behördenschreibtisch. Für die Prüfung selbst nutzt das Finanzamt die Auswertungsmöglichkeiten, die das System selbst bietet. Das Unternehmen stellt dem Prüfer in diesen Fällen den Arbeitsplatz mit Computerterminal und einen Drucker zur Verfügung. Der Z1-Zugriff erfolgt vor allem bei großen Unternehmen.
Mittelbarer Datenzugriff (Z2): Der Betriebsprüfer darf verlangen, dass ihm das Unternehmen maschinell ausgewertete Daten zur Verfügung stellt – entweder auf Papier oder am Bildschirm mit Lesezugriff. Wichtig: Beim mittelbaren Datenzugriff dürfen nur Auswertungen gefordert werden, die in der Datenverarbeitung ohnehin vorhanden sind. Der Prüfer darf keine zusätzlichen Auswertungsmodule programmieren oder anwenden. In der Praxis spielt der mittelbare Zugriff nur eine sehr stark untergeordnete Rolle.
Zugriff durch Datenträgerüberlassung (Z3): Eine derzeit in der Praxis sehr beliebte Form ist, dass Unternehmen dem Prüfer Informationen auf einem auswertbaren Datenträger überlassen müssen. Das Extrahieren und Standardisieren der Daten muss vom Steuerpflichtigen selbst vorgenommen werden. Er darf aber auch einen Dritten damit beauftragen. Der Betriebsprüfer hat kein Recht dazu. In den meisten Betriebsprüfungen erfolgt zurzeit ein Z3-Zugriff.
Grundsätzlich darf das Finanzamt auch auf mehrere Arten parallel auf die Daten des Unternehmens zugreifen (z.B. gleichzeitig Z1 und Z3). Es muss dabei aber verhältnismäßig vorgehen oder einen triftigen Grund für die jeweilige Zugriffsform geltend machen.
Was einfach klingt, ist in der Praxis schwierig umzusetzen. Denn für Unternehmen ist es nicht immer möglich, die Daten aus ihren Quellsystemen so aufzubereiten, dass die Finanzämter sie in im von der Finanzverwaltung genutzten IDEA-System verwenden und auswerten können.
Ursache ist – wie so oft – ein Schnittstellenproblem. Denn im Gegensatz zu anderen Industrienationen gibt es in Deutschland kaum inhaltliche Standards, um Betriebsprüfern die gewünschten Daten zur Verfügung zu stellen. Lange Zeit existierte nicht mal ein Mindestumfang, an dem sich Unternehmen orientieren können. Im Bereich der Lohnsteuerprüfung gibt es mittlerweile den verpflichtenden Standard „Digitale LohnSchnittstelle“.
Die Zurückhaltung hat ihren Grund: Sind die Pflichten des Unternehmens schriftlich fixiert, lassen sich dadurch auch Einschränkungen des Zugriffsrechts ableiten. Das will die Finanzverwaltung vermeiden.
Dabei können Hersteller Schnittstellen für Buchhaltungssysteme oder Geschäftsressourcenplanung (ERP-Systeme) liefern. Doch welche Tabellen und Felder diese Programme haben müssen, ist nicht verbindlich geregelt. Daher kommt es immer wieder zu Unstimmigkeiten.
Das beginnt bei den Daten, die den Prüfern zur Verfügung gestellt werden müssen. Auf welche Bereiche muss ihm das Unternehmen direkten Zugriff einräumen? Wo ist dieser Zugriff beschränkt? Bei Unterlagen aus der Finanzbuchhaltung, lässt sich diese Frage noch beantworten. Doch was ist, wenn die Daten aus Systemen für Warenwirtschaft, Kassen oder Zeiterfassung stammen? Welche Informationen sind dort steuerlich relevant? Was muss anhand von Tabellen oder Buchungsmerkmalen einsehbar sein? Und wie bereitet man sich richtig darauf vor? Ohne die Hilfe erfahrener Steuerexperten sind selbst große Unternehmen oft überfordert.
Sind die gewünschten Daten im richtigen Format endlich vorhanden, fängt die Arbeit der Betriebsprüfer an. Sie lenken dabei ihren Blick auf Bereiche, in denen gewöhnlich die größten Fehler zum Nachteil des Fiskus passieren. Ein Feld, auf dem viel schief läuft, ist die Umsatzsteuer. Durch sie nahm der Bund allein 2016 rund 270 Milliarden Euro ein. Entsprechend motiviert sind Finanzbeamte und Betriebsprüfer, nachlässigen Firmen auf die Spur zu kommen.
Deshalb finden Kontrollen der Umsatzsteuerzahlungen nicht nur bei regulären Außenprüfungen statt. Manchmal kommen die Beamten auch unangekündigt vor Ort zu Besuch. Wenn sie nur die Umsatzsteuer prüfen wollen, haben sie das Recht dazu.
Die Unterlagen noch schnell zu sortieren, ist dann nicht mehr möglich. Alle Belege müssen sofort einsehbar sein. Wer sich gezahlte Umsatzsteuer erstatten lässt, muss die Rechnungen zehn Jahre aufheben. Liegen keine Belege vor, ist die erstattete Umsatzsteuer in der Regel an das Finanzamt zurückzahlen.
Eine Stolperfalle stellen die unterschiedlichen Sätze der Umsatzsteuer dar. Manchmal betragen sie sieben Prozent, dann wieder 19 Prozent. Ein plastisches Beispiel, das jeder schon einmal erlebt hat, sind Lokale, in denen man Speisen am Platz verzehren oder eingepackt mit nach Hause nehmen kann. Wer am Tisch isst, muss 19 Prozent Steuern zahlen, für alle, die ihr Gericht daheim essen, werden sieben Prozent fällig.
Im Prinzip einfach – vorausgesetzt der Kassierer berechnet den richtigen Steuersatz. Tippt er die falsche Taste, macht das Unternehmen zusätzlichen Gewinn zulasten des Staates. Die Betriebsprüfer schauen sich deshalb die Quote der Sieben-Prozent-Umsätze besonders genau an. Wenn sie ihnen zu hoch erscheint, machen sie eine Schätzung.
Diese Probleme, wenn auch mit ganz anderen Sachverhalten kommen selbst bei internationalen Konzernen täglich vor. Hier geht es bei grenzüberschreitenden Sachverhalten häufig darum, der Satz welches Landes ist anzuwenden - wenn nicht sogar eine Steuerbefreiung vorliegt.
Ein weiteres Thema, das besonders große Firmen betrifft, sind alle Fragestellungen rund um die „umsatzsteuerliche Organschaft“. Dabei geht es um folgendes: Verkauft ein Unternehmen Leistungen an ein anderes Unternehmen, wird dafür in der Regel Umsatzsteuer fällig. Das gilt aber nicht, wenn die Unternehmen als eine umsatzsteuerliche Einheit behandelt werden – also eine umsatzsteuerliche Organschaft bilden. Die Frage ist nur, wann von einer Organschaft die Rede sein darf. Die Rechtsprechung dazu füllt bereits Bände, die Steuerberater im Blick haben müssen.
Fragen der Organschaft sind besonders wichtig für Konzerne, zu denen Gesellschaften gehören, die sich gezahlte Umsatzsteuer nicht oder nur teilweise als Vorsteuer wiederholen können. Dazu zählen Banken, Versicherungen, Krankenhäuser oder Pflegeheime. Liegt eine Organschaft vor, dürfen sich die verbundenen Gesellschaften Leistungen erbringen, die als reine Innenumsätze nicht umsatzsteuerpflichtig sind. Kommen die Beamten bei der Betriebsprüfung jedoch zu der Ansicht, dass Umsatzsteuer hätte gezahlt werden müssen, können die Nachzahlungen extrem hoch ausfallen und Unternehmen in ihrer Existenz gefährden. Das kann zum Beispiel nach schlecht geplanten Umstrukturierungen der Fall sein.
Manchmal kommen Betriebsprüfer Fehlern auf die Spur, die weitreichende Folgen für das Unternehmen auch außerhalb des Steuerrechts haben können. Das kann bei einer Kontrolle der durchgeführten Dienstreisen passieren. Beispiel: Wird ein Arbeitnehmer mehrmals hintereinander für einen längeren Zeitraum zum selben Projekt ins Ausland geschickt, dann handelt es sich in vielen Fällen nicht mehr um Dienstreisen, sondern um eine Entsendung. Das kann steuerrechtliche Folgen haben, wirkt sich aber auch auf die Sozialversicherungspflicht aus. Unter Umständen muss der Arbeitgeber nach der Außenprüfung Beiträge in ein ausländisches System nachzahlen. Das kann teuer werden, zum Beispiel, wenn in Konzernen zahlreiche Beschäftigte betroffen sind.
Bei Außenprüfungen kann es zu Situationen kommen, wo Prüfer andere Ansichten haben, die mit denen der Unternehmensvertreter und Steuerberater nicht vereinbar sind – zum Beispiel, wenn das Steuerrecht keine eindeutige Vorschrift anbietet. In diesen Fällen ist es möglich, Einspruch einzulegen und später ein Gericht anzurufen, das den Streit regelt. Doch diese Lösung ist für beide Seiten anstrengend. Der Rechtsweg kostet Geld, Zeit und viele Nerven. Außerdem kann er sich über Jahre hinziehen. Besser ist, einen Kompromiss mit dem Prüfer zu suchen. Die Erfahrung der Deloitte-Fachleute zeigt, dass Konfrontation der falsche Weg ist. Viel wichtiger ist es, die Interessen der Gegenseite zu verstehen und eine gute Verhandlungsstrategie zu entwickeln.
Dieser Prozess sollte schon vor Beginn der Prüfung laufen. Dazu zählen folgende Punkte:
Wer vor einer Außenprüfung schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten auf sich zukommen sieht, sollte früh professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Deloitte-Experten entwickeln zum Beispiel mit Ihren Mandanten eine Strategie zur Verhandlungsführung während der Prüfung. Auf Wunsch nehmen erfahrene Steuerberater an den Gesprächen mit dem Betriebsprüfer als Moderator oder Verhandlungsführer teil und bereiten die Treffen vor.
In vielen Fällen ist eine Lösung gar nicht weit weg. Denn der Betriebsprüfer verfolgt während der Arbeit nur seine Interessen und möchte seinen Job möglichst gut machen – genauso wie die Unternehmensvertreter und der beauftragte Steuerberater.