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Verrechnungspreise – linke Tasche, rechte Tasche?

Miteinander verbundene Unternehmen müssen strenge Regeln beachten, wenn sie interne Dienstleistungen oder Lieferungen verrechnen.

Seit einigen Jahren ist das Thema Verrechnungspreise immer stärker in den Fokus der internationalen Finanzbehörden gerückt, Vorwurf dabei: Unternehmen verlagern mit Hilfe von bewusst gestalteten Verrechnungspreisen Gewinne in niedrigbesteuerte Länder. Heute zwingen strenge und zunehmend international abgestimmte Regeln dazu, grenzüberschreitende Aktivitäten umfassend zu dokumentieren.

Damals war alles einfacher: Als Gottfried Daimler vor mehr als 130 Jahren den Motorwagen erfand, baute er eine übersichtliche Menge von Teilen zusammen, von denen er sich die meisten beim Fahrradhändler besorgt hatte. Seitdem hat sich in der Autobranche jedoch viel getan. Heute fertigen die Hersteller ganze Baugruppen in fernen Ländern, verschiffen sie, um irgendwo auf der Welt komplette Fahrzeuge daraus zu machen.

Auf diese Weise bewegen Konzerne Milliardenwerte in den eigenen Reihen. Obwohl sich die meist wirtschaftlich selbstständigen Einheiten unter demselben Dach befinden, findet eine Bezahlung oder interne Verrechnung der konzerneigenen Empfänger für die erbrachten Leistungen mit ihren Schwesterunternehmen statt.

Durch solche internen Verrechnungspreise erhalten die Teilgesellschaften einen Anreiz, wirtschaftlich zu arbeiten und ihre Kosten nicht auf den Dachkonzern abzuwälzen. Der Gewinnbeitrag hilft dem Controlling dabei, Leistungskennzahlen zu entwickeln, die zum Beispiel als Basis für die Erfolgsprämie des Managements dienen. Darüber hinaus lassen sich die einzelnen Einheiten über Verrechnungspreise gezielt steuern.

Es bleibt in der Familie

Wie hoch der intern gezahlte Preis sein muss, ist nicht leicht zu bestimmen. Denn er hängt von vielen Einflüssen ab. Bei einem Motorkolben, einer Kupplung oder einem Zahnriemen mag die Ermittlung noch einfach sein. Aber was ist mit dem Nutzungsrecht für ein Computerprogramm aus einem Softwarehaus des Konzerns? Wie sieht es mit Kartendaten für ein Navi aus, die von einem Anbieter kommen, den das belieferte Unternehmen beherrscht? Oder wie hoch wird ein Darlehen verzinst, das ein Schwesterunternehmen gewährt?

Es gibt verschiedene Methoden, wie ein Unternehmen Verrechnungspreise festlegt. Die Höhe des zu zahlenden Betrags beeinflusst natürlich auch das Ergebnis der beteiligten Unternehmensbereiche – und damit die Höhe der zu zahlenden Steuern. Die verschiedenen Methoden und Wege zur Ermittlung von Verrechnungspreisen bergen dann aber das Risiko, dass die Finanzbehörden die vom Unternehmen angewandten Preise nicht anerkennen und eigene, für das Unternehmen meist nachteilige, Preise ansetzen. Grundvoraussetzung für eine Diskussion mit der Finanzverwaltung ist eine ausführliche Dokumentation der Preise und dessen Ermittlung.

Dorn im Auge der Behörden

Die Betriebsprüfer werfen zunehmend ein scharfes Auge auf die Verrechnungspreise. Sie wollen wissen, wie die Verrechnungspreise zustande gekommen sind. Und das müssen Unternehmen haarklein belegen können.

Die Festsetzung der Verrechnungspreise ist an strenge Regeln gebunden. Nur wenn Konzerne gute Argumente haben, können sie die Finanzbeamten überzeugen und dem Risiko aus dem Weg gehen, hohe Nachzahlungen oder gar Strafzuschläge aufgebrummt zu bekommen. Aus diesem Grund müssen sie jederzeit genau beschreiben können, wie ihre Verrechnungspreise zustande gekommen sind.

Die Steuerbehörden sind bei Betriebsprüfungen gut gewappnet und holen sich zum Teil ausländische Experten zur Hilfe. Je besser ein Konzern vorbereitet ist, desto größere Chancen hat er, eine Betriebsprüfung ohne steuerliche Nachteile zu überstehen. Das ist auch deshalb wichtig, weil die Anforderungen komplexer werden.

Controlling-Abteilungen haben es gern, wenn sich die Verrechnungspreise an den reinen Kosten orientieren. Finanzbehörden legen hingegen zunehmend Wert darauf, dass firmeninterne Verrechnungssätze den Preisen entsprechen, die am Markt erzielt worden wären. Sie müssen also wenn nötig einen Gewinnzuschlag enthalten, um damit dem sogenannten Fremdvergleich standzuhalten. Wie das gemacht wird, dazu gibt es in den nationalen Steuergesetzen unterschiedliche Regeln, die oft schwer zu überblicken sind. Die internationalen Aktivitäten zur Vereinheitlichung dieser Regelungen schreiten immer weiter voran – ausgehend von Organisationen wie der OECD.

Auf die richtige Berechnung kommt es an

Korrekte Verrechnungspreise müssen den Marktpreisen entsprechen. Um sie zu ermitteln, muss das Management zwischen mehreren Methoden wählen. Eine davon ist der äußere Preisvergleich. Er stellt auf Preise ab, die zwischen unabhängigen Unternehmen außerhalb des eigenen Konzerns am Markt zustande gekommen sind. Beim inneren Preisvergleich hingegen werden Preise als Maßstab hinzugezogen, die das eigene Unternehmen mit externen Geschäftspartnern vereinbart hat.

Ein Problem bei diesen Verfahren ist, dass exakte Kennzahlen nicht immer zu ermitteln sind. Oft fehlen etwa die Daten für einen aussagefähigen Vergleich. Manchmal wählt das Unternehmen auch andere Bezugsgrößen als die Finanzverwaltung. Das muss kein Fehler sein, führt aber zu Meinungsverschiedenheiten und ist manchmal unvermeidbar.

Denn kaum ein Geschäft läuft wie das andere. Die Qualität der Leistung, die Verträge, die Unternehmensgröße oder das Ansehen des Unternehmens – zahlreiche Faktoren wirken sich auf frei verhandelte Marktpreise aus. Deshalb müssen sie manchmal mit rechnerischen Verfahren angepasst werden. Oft bleiben die Verrechnungspreise dennoch rein hypothetisch und Unternehmen benötigen gute Argumente, wenn sie ihr Vorgehen gegenüber den Betriebsprüfern rechtfertigen wollen.

Jeder Schritt zur Ermittlung von Verrechnungspreisen muss deshalb genau belegt werden. Die Dokumentation ist Pflicht für alle internationalen Unternehmen, die Leistungen an ausländische Firmen abgeben, an denen sie mindestens 25 Prozent halten – oder die zu mindestens 25 Prozent einem ausländischen Unternehmen gehören. 

Wer zu spät kommt, den bestraft das Finanzamt

Wenn die Steuerabteilung so lange wartet, bis das Finanzamt eine Dokumentation der Verrechnungspreise im Rahmen einer Betriebsprüfung anfordert, hat meist schon verloren. Denn in diesem Fall beträgt die Frist nur 60 Tage, in bestimmten Fällen sogar nur 30 Tage; meist zu knapp, um alle fehlenden Unterlagen noch zu erstellen oder von verbundenen Unternehmen zu erhalten. Für unverwertbare Dokumentationen berechnet das Finanzamt einen Zuschlag von fünf bis zehn Prozent des Mehrergebnisses. Wird eine brauchbare Dokumentation zu spät vorgelegt, fallen pro Tag mindestens 100 Euro an. Die Gesamtsumme kann bis zu eine Million Euro pro Jahr betragen.
Die Dokumentation sollte in deutscher Sprache vorliegen und muss folgende Fragen beantworten:

  • Wie sehen Struktur und Organisation von Beteiligungsverhältnissen aus?
  • Welcher Art und welchen Umfangs sind die Geschäftsbeziehungen? (Leistungsaustausch mit verbundenen Unternehmen, Finanztransaktionen, Überlassung von Nutzungsrechten.) Welche Leistungen werden wie umfangreich erbracht? Wie sehen die entsprechenden Verträge aus? 
  • Welche Rahmenbedingungen gelten für die einzelnen Geschäfte hinsichtlich Funktion und Risiken
  • Wie werden die Verrechnungspreise für jeden einzelnen Geschäftsvorgang bestimmt? 
  • Wie wurde der Gewinn für ausländische Betriebsstätten ermittelt?
  • Welche außergewöhnlichen Geschäftsvorfälle hat es gegeben (Umstrukturierungen etc.)?

Zur Vermeidung von unterschiedlicher Behandlung in Bezug auf die Beurteilung gewählter Verrechnungspreise werden neue internationale Abkommen getroffen, die das Ziel haben, nationales Steuerrecht bei grenzüberschreitenden Sachverhalten zu vereinheitlichen und Schlupflöcher zu schließen. Für die Unternehmen bedeutet das in der Praxis meist mehr Aufwand, sie erhalten aber auch einen verlässlicheren Rahmen und damit Planungssicherheit.

BEPS – der weltweite Standard von OECD und G20

Das wichtigste Projekt der vergangenen Jahre nennt sich Base Erosion and Profit Shifting (BEPS). Es soll verhindern, dass internationale Unternehmen ihre Besteuerungsgrundlage aushöhlen und Gewinne verschieben. Verhandelt wurde BEPS unter dem Dach von OECD und G-20. Mehr als 100 Staaten haben das Abkommen angenommen. Einer der Schwerpunkte von BEPS sind Regelungen zu den Verrechnungspreisen.

Die Bundesregierung hat damit begonnen, die Übereinkunft in innerdeutsches Recht umzusetzen. Die neuen Regeln geben vor allem zusätzliche Dokumentationspflichten für internationale Unternehmen vor. Ein dreistufiges Verfahren soll weltweite Mindeststandards sicherstellen.

  1. Der Gesetzgeber verpflichtet international tätige Unternehmen dazu, einen Überblick über ihre Gruppe zu dokumentieren. In einem so genannten Master File müssen sie ausführliche Informationen darüber geben, welche grenzüberschreitenden Geschäfte sie betreiben. Aus der Aufstellung muss hervorgehen, wie sich globale Erträge verteilen, nach welchen Grundsätzen Verrechnungspreise ermittelt werden und wie die allgemeine Wirtschaftstätigkeit des Konzerns aussieht. Das Master File enthält also Informationen, die sich auf alle Gesellschaften eines Unternehmens beziehen. Ein solches Master File müssen internationale Konzerne erstellen, deren Umsatz im vorangegangenen Geschäftsjahr mindestens 100 Millionen Euro betragen hat.
  2. In einer weiteren Übersicht müssen international tätige Unternehmen eine lokale Dokumentation vorlegen. Dieses Local File beschreibt die grenzüberschreitenden Geschäfte einzelner Konzerngesellschaften. Die Übersicht muss unter anderem Auskunft darüber geben, zu welchem Zeitpunkt einzelne Verrechnungspreise bestimmt werden. Dadurch wird es für Unternehmen schwieriger, ihre Verrechnungspreise nach dem Geschäft noch einmal zu verändern – zum Beispiel, um das Ergebnis einer Teilgesellschaft nachträglich anzupassen.
  3. Internationale Konzerne mit mehr als 750 Millionen Euro konsolidiertem Jahresumsatz müssen darüber hinaus einen länderbezogenen Bericht verfassen. Er muss eine nach Steuerhoheitsgebieten gegliederte Übersicht enthalten. Darin gefordert sind jeweils die Zahl der Beschäftigten, Umsatzerlöse, Gewinne, gezahlte Steuern und weitere Kennzahlen. Mit Hilfe dieses Country-by-Country-Reports soll Finanzämter besser einschätzen können, wo im Konzern eine intensivere Prüfung lohnt. Auf diese Weise können sie ihre Ressourcen gezielter einsetzen.

Für die betroffenen Unternehmen bedeuten die neuen Regeln mehr Arbeit – besonders, wenn sie Informationen für länderübergreifende Prozesse beschaffen und aufbereiten. Sie müssen die Dokumentation ihrer Verrechnungspreise zentral und konsistent planen.  

Hilfe bei der Aufzeichnung

Dabei hilfreich ist ein Dokumentationsmanagement, so wie es die webbasierte Plattform Deloitte Digital DoX bietet. Das benutzerfreundliche System ermöglicht einen integrierten Prozess, um Dokumentationen zu erstellen, die den bisherigen lokalen Anforderungen gerecht werden und gleichzeitig den neuen BEPS-Regeln entsprechen. Deloitte Digital DoX verwaltet die Daten zentral und ermöglicht einen ständigen Abruf im gesamten Konzern, was besonders bei der Vorbereitung von Betriebsprüfungen hilfreich ist.

Finanzämter rüsten auf

Unterschiedliche Finanzbehörden werden künftig in der Lage sein, die Berichte untereinander automatisch auszutauschen und einzusehen. Sie erhalten dadurch mehr Einblick als früher. Das wird die Praxis bei Betriebsprüfungen zwar nicht grundlegend ändern. Möglich ist aber, dass Steuerbehörden unterschiedlicher Nationen um höhere Einnahmen wetteifern. Das erhöht die Gefahr von Doppelbesteuerungen.

Die einzelnen Gesellschaften globaler Konzerne müssen sich also eng abstimmen, wenn ihre Projekte mehre Länder betreffen. Das können sie mit eigenem Personal oft nicht schaffen. Zu hoch ist der Koordinationsaufwand.

Deloitte hat für diese Fälle eine schlagkräftige multinationale Einheit aus Ökonomen und Steuerspezialisten. Die Fachleute des Bereichs Tranfer Pricing kennen sich besonders gut mit Verrechnungspreisen aus – in Europa, Amerika und der Region Asien-Pazifik. Die Zusammenarbeit mit einem zentralen Dienstleister vermeidet Probleme, die entstehen, wenn Experten aus unterschiedlichen Häusern beteiligt sind.

Besonders wichtig ist die globale Expertise bei Absprachen zwischen mehreren nationalen Steuerbehörden. Nicht immer sind in Unternehmen das nötige Wissen und die entsprechende Erfahrung vorhanden. Dadurch entstehen Geschäftsrisiken, die teuer werden können.

Hilfsmittel gegen doppelte Steuern

Ist das Finanzamt zum Beispiel überzeugt, dass Verrechnungspreise eines Konzerns einem Fremdvergleich nicht standhalten und deshalb in Deutschland zu wenig Steuern gezahlt worden sind, wird eine Nachzahlung fällig. Die vermeintlich zu Unrecht verlagerten Einkünfte sind aber womöglich schon im Ausland versteuert worden.

Folge ist eine Doppelbesteuerung. In diesem Fall bietet sich zwar ein Verständigungsverfahren zwischen der inländischen und der ausländischen Steuerbehörde an, um den zu viel gezahlten Betrag zurückzubekommen. Dieses Vorgehen dauert allerdings lang, ist sehr teuer und kostet Nerven. Besser ist es, mögliche Konfliktherde vorher zu beseitigen.

Zeichnen sich Widersprüche zwischen den Steuergesetzen mehrerer Länder ab, steht es internationalen Unternehmen frei, selbst aktiv werden und sich im Vorfeld mit mehreren Finanzbehörden auf eine Verrechnungspreismethode einigen. Das Verfahren nennt sich Advance Pricing Agreement (APA). Es soll eine Einigung für einen bestimmten Zeitraum erzielen, funktioniert quasi wie ein Doppelbesteuerungsabkommen in Miniaturform.

Miniatur-Abkommen

Anlaufstelle in Deutschland ist das Bundeszentralamt für Steuern, das die Anträge bearbeitet. Bevor ein Unternehmen ihn stellt, findet in der Regel ein Vorgespräch im Bundeszentralamt für Steuern statt. Dabei werden Form, Inhalt und Unterlagen erörtert. Wenn sich die Vertreter der beteiligten Staaten geeinigt haben, stimmt das Unternehmen der Vereinbarung zu. Der Konzern muss für das Verfahren 20.000 Euro zahlen. Verglichen mit den Risiken einer Doppelbesteuerung kann sich die Ausgabe in vielen Fällen lohnen.

Egal, ob es sich um ein APA-Verfahren handelt, die Vorbereitung einer Betriebsprüfung oder die einfache Ermittlung von Verrechnungspreisen – in den meisten Fällen ist es notwendig, die einschlägige Rechtsprechung aus den beteiligten Ländern und ihre Geschichte zu kennen. Dieses Wissen bieten große, weltweit tätige Dienstleister wie Deloitte. Angesichts der hohen Risiken, die durch Steuernachzahlungen entstehen, ist es für internationale Unternehmen ratsam, die Praxis interner Verrechnungspreise aufmerksam zu verfolgen und sich, wenn nötig, Rat von außen zu holen.

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