Neben den Abhängigkeiten (Dependencies) haben Unternehmen durch ihre Geschäftsaktivitäten auch Auswirkungen (Impacts) auf die Natur. Nur durch den aktiven Schutz unserer Ökosysteme können Unternehmen langfristig erfolgreich sein. Unternehmen und Regierungen müssen somit eine zentrale Rolle beim Schutz und bei der Wiederherstellung von Ökosystemen und biologischer Vielfalt einnehmen. Dies geschieht zunehmend über Rahmenwerke und verpflichtende regulatorische Vorgaben wie das Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework (GBF), das Framework der Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) oder die Anforderungen der europäischen Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD).
Wirtschaft und Umwelt sind untrennbar miteinander verbunden. Eine Beeinträchtigung von Natur und Biodiversität hat schwerwiegende Folgen für Unternehmen, ihr Geschäftsergebnis und das Umfeld, in dem sie tätig sind. Ein Beispiel hierfür ist die Lebensmittel- und Getränkeindustrie, die durch den Verlust von Biodiversität besonders gefährdet ist. Entwaldung, Bodenerosion und das Insektensterben stellen eine Bedrohung für die Lebensmittelversorgung und für die globalen Wertschöpfungsketten der Industrie dar. Laut der Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) sind mehr als 75 Prozent der weltweit angebauten Nutzpflanzen in gewissem Maß auf Bestäuber angewiesen. Insgesamt 5 bis 8 Prozent der globalen Nutzpflanzenproduktion mit einem Marktwert von 235 bis 577 Milliarden US-Dollar sind direkt auf tierische Bestäubung zurückzuführen1. Dieser Marktwert ist in Gefahr, wenn sich der Verlust von Bestäubern weiter fortsetzt.
Zwar ist der Grad der direkten Abhängigkeit von Natur und Biodiversität von Branche zu Branche unterschiedlich, doch für alle Unternehmen besteht ein akutes Risiko. Während für Branchen wie Lebensmittelhersteller die Abhängigkeit von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und damit von intakten Ökosystemdienstleistungen auf der Hand liegt, kann diese Abhängigkeit indirekt auch zu steigenden Kosten oder Umsatzrückgängen bei Dienstleistern wie Versicherern oder Beratern der Lebensmittelbranche führen. Andererseits eröffnet erfolgreiches Management von Natur und Biodiversität zahlreiche Chancen wie geringere Kapitalkosten oder Zugang zu neuen Kundengruppen, die Wert auf nachhaltige Produkte legen. Ein Beispiel hierfür sind Modehändler, die mit Produkten aus umweltfreundlicheren Materialien wie nachhaltiger Baumwolle neue Kunden gewinnen können. Es gilt für Unternehmen zu verstehen, ob und wie sie zum Verlust von Natur und Biodiversität beitragen, wie sie von den Auswirkungen betroffen sind und was sie dagegen tun können.
Viele Unternehmen sind sich dessen bereits bewusst und beginnen, Maßnahmen zu ergreifen. Doch diese Entwicklung befindet sich noch in ihren Anfängen: Eine Studie unter den Fortune-100-Unternehmen ergab, dass sich nur zehn der 100 berücksichtigten Unternehmen messbare Biodiversitätsziele (beispielsweise hinsichtlich ihrer Landnutzung oder Entwaldung in der Lieferkette) im Einklang mit gesamtgesellschaftlichen Zielen – wie vom GBF beschrieben – gesetzt hatten2. Es ist nach wie vor eine Herausforderung, naturbezogene Risiken und Chancen für Unternehmen messbar zu machen.
1. Analysieren Sie Ihre Wertschöpfungskette und deren naturbezogene Auswirkungen und Abhängigkeiten:
Zunächst sollten Unternehmen herausfinden, wo in der Wertschöpfungskette ihre größten Auswirkungen auf und Abhängigkeiten von der Natur bestehen. Ansätze wie das Natural Capital Protocol oder der TNFD LEAP Approach können helfen, naturbezogene Auswirkungen und Abhängigkeiten zu identifizieren, um Hotspots entlang der Wertschöpfungskette zu erkennen. Einige Unternehmen haben Environmental Profit & Loss (EP&L)-Instrumente etabliert, die unterstützen können, den ökologischen Fußabdruck zu verstehen, zu verringern und greifbare Vorteile zu erzielen. Mit dem initialen Assessment wird die Grundlage für eine kontinuierliche Verbesserung der Analysemethoden geschaffen.
2. Leiten Sie eine Strategie und SMARTe Ziele ab, wie Sie Ihre naturbezogenen Risiken und Chancen durch konkrete Maßnahmen und in Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen und Lieferanten beeinflussen können:
Unternehmen, die in besonderem Maße von den Ressourcen und Leistungen der Natur abhängig sind, sollten naturbezogene Risiken und Chancen auf Systemebene betrachten. In Zusammenarbeit mit relevanten Unternehmensbereichen und externen Partnern können sie eine Strategie entwickeln, um priorisierte Maßnahmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette voranzutreiben. Auf Basis der Handlungsempfehlungen von Organisationen wie dem Science Based Targets Network (SBTN) können Unternehmen neben Klimazielen auch naturbezogene Ziele – zum Beispiel für Wasser, Landnutzung oder Biodiversität – definieren und in die Unternehmensstrategie und -berichterstattung aufnehmen. Diese Ziele sollten SMART sein, das heißt „specific, measurable, achievable, reasonable, time-bound“.
Bei einem international tätigen amerikanischen Chemieunternehmen beispielsweise erkennt die Unternehmensleitung die Abhängigkeit des Unternehmens von Naturkapital an, die bei extremer Trockenheit schnell zu einem Risiko werden kann, wenn Wasserknappheit die Fortführung von Produktionsprozessen gefährdet. Basierend auf Kollaborationen und einer gesamtheitlichen Analyse der Wertschöpfungskette hat das Unternehmen über einen Zeitraum von fünf Jahren 10 Millionen US-Dollar für die Arbeit mit The Nature Conservancy und anderen externen Stakeholdern bereitgestellt, um das Management naturbezogener Risiken zu beschleunigen.
3. Integrieren Sie die Umsetzung von Maßnahmen in Ihre Unternehmenssteuerung:
Die im Rahmen der Nature-Strategie identifizierten und priorisierten Maßnahmen sollten mit Hilfe von KPIs in die Unternehmenssteuerung integriert werden. Die Entwicklung von Metriken für die Quantifizierung wesentlicher naturbezogener Themen unterstützt Unternehmen bei der Nachverfolgung ihres Fortschritts gemessen an ihren strategischen Zielen sowie bei der Kommunikation an interne und externe Stakeholder.
Viele Unternehmen erfassen und steuern bereits Kennzahlen für ein oder mehrere naturbezogene Themen, zu denen auch der Klimawandel zählt. Neben etablierten Größen wie CO2e-Emissionen umfassen relevante Kennzahlen beispielsweise auch die Reduktion des Frischwasserverbrauchs durch Verwendung von recyceltem oder aufbereitetem Wasser. Diese bestehenden KPIs und dahinterliegenden Steuerungssysteme müssen ergänzt werden, so dass alle für das Unternehmen als relevant definierten Bereiche wie Klima, Wasser, Land, Meer oder Biodiversität abgedeckt sind und die Zielerreichung im Tagesgeschäft nachverfolgt sowie gesteuert werden kann.
Für die Bewältigung der Folgen des globalen Biodiversitätswandels sind gesamtgesellschaftliches Engagement und eine klare Vision erforderlich, die in die globale Unternehmensstrategie eingebettet ist. Unternehmen, die dies erkennen, die vorausschauend handeln und Lösungen entwickeln, stellen die Weichen für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg.
Wir von Deloitte unterstützen Sie gerne bei der Vorbereitung auf die naturbezogenen Anforderungen von CSRD, TNFD und SBTN sowie bei der Implementierung und Integration der Anforderungen in Ihre Geschäftsprozesse – beispielsweise durch ein Assessment Ihrer Geschäftsaktivitäten, die Definition Ihrer Nature-Strategie oder Unterstützung bei der Definition Ihrer naturbezogenen Ziele.
Kontaktieren Sie uns gerne jederzeit.
1 IPBES (2016): The assessment report on Pollinators, Pollination and Food Production, zuletzt abgerufen am 03.07.2023.
2 Ermgassen zu/ Sophus Olav Sven Emil et al. (2022): Are corporate biodiversity commitments consistent with delivering ‘nature-positive’ outcomes? A review of ‘nature-positive’ definitions, company progress and challenges, zuletzt abgerufen am 03.07.2023.