Wandel der Finanzfunktion in Zeiten der DigitalisierungFast jede Finanzabteilung experimentiert mit Technologien wie Robotics oder künstlicher Intelligenz, doch eine konkrete Vision, wo die digitale Transformation hinführen soll, hat Studien zufolge nur jeder zweite CFO vor Augen. Erfahren Sie mehr von unserem Experten Rolf Epstein (Leiter Finance Consulting und CFO Program Deutschland) im Gespräch mit www.finance-magazin.de/finance-tv.
Heutzutage verbringen die Mitarbeiter und Entscheider der Finanzfunktion viel Zeit damit, aussagefähige Daten auf verlässliche Weise verfügbar zu machen. Sie kämpfen dabei aber vielfach noch mit inkompatiblen IT-Systemen, Abstimmungsbrücken zwischen internem und externem Rechnungswesen oder aufwändigen manuellen Verfahren – und fühlen sich damit oft voll ausgelastet.
Deshalb zögern die CFOs und ihre Teams noch, Arbeitskraft zu binden, indem sie neue Technologien erproben. Sie setzen stattdessen auf bewährte Effizienzmaßnahmen wie die Auslagerung von Routinearbeiten in firmeninterne Dienstleistungszentren (Shared Service Center).
Dadurch entsteht Nachholbedarf in Sachen Digitalisierung. Das bestätigt der aktuelle CFO Survey Frühjahr 2018, für den Deloitte 150 CFOs deutscher Großunternehmen befragt hat. Daraus geht hervor, dass in 43 % der Unternehmen der Finanzbereich nicht über die nötigen Fähigkeiten verfügt, Robotics Process Automation zu betreiben. 48 % sind noch dabei, ihre Mitarbeiter entsprechend zu schulen. 38 % der Organisationen haben keine Kenntnis über das Potenzial von Big-Data-Anwendungen, und in 78 % der Unternehmen werden aktuell noch keine Cognitive-Computing-Anwendungen in der Finanzfunktion genutzt.
Gleichzeitig ist den befragten Finanzmanagern klar, dass immer mehr Unternehmen ihr komplettes Geschäft rein digital betreiben und dabei äußerst erfolgreich sind. Facebook ist ein Unternehmen mit mehr als zwei Milliarden Nutzern im Monat. Es schafft keine Inhalte, sondern profitiert vom digitalen Content, den diese Nutzer erzeugen. Amazon, der wertvollste Einzelhändler der Welt, hat keinen Lagerbestand. Airbnb, das größte Herbergsunternehmen der Welt, besitzt keine Immobilien. Uber, das größte Taxiunternehmen der Welt, besitzt keine Fahrzeuge, und hat dennoch tiefgreifenden Einfluss auf die ganze Transportbranche. Sie alle haben mit Hilfe von intelligenten Maschinen Plattformen in der Cloud geschaffen, die die Basis ihrer Geschäftsmodelle bilden.
In der Folge arbeiten viele Unternehmen heute unter einem großen, durch die Digitalisierung erzeugten Druck. Der Einzelhandel wird beispielsweise durch Onlinehändler wie Amazon & Co. angegriffen. Die Automobilbranche muss sich der Herausforderung des Autonomen Fahrens und dem Wandel des Autos hin zum Connected Device stellen. Und für die Industrie werden Manufacturing 4.0, die Digitalisierung der Supply Chain und das „Internet der Dinge (IoT)" gravierende Umwälzungen bringen.
Im Englischen gibt es einen Ausdruck, der die aktuelle Situation, in der sich viele Unternehmen wiederfinden, besonders gut erfasst: Den Begriff der „Crunch Time“.
Crunch Time bezeichnet einen Zeitraum, in dem die Chancen und Risiken ungewöhnlich hoch sind – und in dem die Notwendigkeit, zu reagieren und effektive Aktionen einzuleiten, immer weiter zunimmt. Zugleich bleibt dafür weniger Zeit als ursprünglich gedacht.
Es sind aber nicht nur ganze Unternehmen oder Branchen, die diesem Druck ausgesetzt sind. Insbesondere auch die Finanzfunktion wird sich den Herausforderungen und Chancen dieser „Crunch Time“ stellen müssen.
Dieser Handlungsdruck wird sich durch die weltweite Zunahme digitaler Informationen noch verstärken. Schätzungen zufolge wurden 90 Prozent aller vorhandenen Daten erst in den vergangenen zwei Jahren erzeugt. Diese Daten bilden den Rohstoff für neue Technologien, die das Geschäftsleben revolutionieren – auch in der Finanzfunktion.
Derzeit sind es vor allem globale Finanzorganisationen, die mit digitalen Technologien experimentieren. Einer ihrer Schwerpunkte liegt auf den eher einfacheren transaktionalen Prozessen wie z.B. der Rechnungsprüfung. Dank digitaler Workflow- und Analysesysteme müssen immer weniger Dokumente per Hand bearbeitet werden. Sie werden vielmehr automatisch verteilt, zugeordnet und bezahlt. Doch dabei wird es nicht bleiben.
Im nächsten Entwicklungsschritt werden Maschinen erkennen, welche Rechnungen Vorrang haben, sie werden Doppelzahlungen verhindern und betrügerische Muster erkennen. Selbstlernende Computer werden in der Lage sein, Daten zu interpretieren, eigene Erfahrungen zu sammeln und diese auf neue Fälle anzuwenden.
Diese als Machine Learning bezeichnete Technologie ist neben Predictive Analysis ein Schritt in Richtung Künstlicher Intelligenz. Die daraus entwickelten kognitiven Verfahren sind extrem leistungsfähig und werden in der Lage sein, effizienter und präziser zu arbeiten als die versiertesten Fachleute. Damit haben sie das Potenzial, zum wichtigsten Faktor der Entscheidungsfindung im Bereich des CFO zu werden. Und wie Studien und die Praxis zeigen, erachten CFOs die Entscheidungsunterstützung schon heute als eine Kernaufgabe der Finanzfunktion. Der Einsatz Künstlicher Intelligenz wird deshalb im Finanzbereich extrem schnell zunehmen und dort den Handlungsdruck verstärken.
Selbstlernende Systeme können schon heute ihre Aufgaben genauer und schneller verrichten als der Mensch. Beschäftigte im Unternehmen werden so von Routinetätigkeiten entlastet. Sie gewinnen stattdessen Zeit, um besser Entscheidungen vorzubereiten und zu treffen, Abläufe zu planen und zu optimieren sowie Personal sinnvoll einzusetzen. Neue Technologien wirken sich also umfassend auf die Prozesse, Inhalte und Fähigkeiten im Arbeitsleben aus. Die Finanzfunktion bleibt davon nicht unberührt. Durch die intelligente Kombination bestehender Innovationen und Technologien kann sie deren Vorteile nutzen, um erfolgreich ihre Transformation zu gestalten.
Auf dieser Basis lassen sich sieben Vorhersagen für die Zukunft ableiten:
1. Self-Services: Der neue Standard für das Reporting
Für Standardreports und die Analyse der Zahlen wird kein Finanzexperte mehr nötig sein. Relevante Daten werden umfassend und jederzeit verfügbar sein. Mitarbeiter, Manager und die Geschäftsführung werden künftig die gängigen Fragen dazu über Apps stellen oder professionelle Chatbots nutzen, um mit einem intelligenten System zu kommunizieren, das ihre Sprache versteht – so wie es im Smart-Home mit Siri, Alexa oder Google Home bereits möglich ist. Grundlegende Finanzberichte und Analysen lassen sich auf diese Weise ohne menschliche Hilfe erzeugen und nutzen.
2. Neue strategische Aufgaben und Kompetenzen
56 % der CFOs sagen heute, dass die leitenden Mitarbeiter im Bereich Finanzplanung und Analyse (FP&A) und im Controlling ihre wichtigsten direkten Ansprechpartner sind. Und 60 % der CFOs geben an, dass Datenanalysen einen erheblichen Einfluss auf die Unternehmensstrategie haben, insbesondere auch bei der Verlagerung hin zu digitalen Geschäftsmodellen. Diese Zusammenarbeit wird noch enger werden, wenn der FP&A-Bereich wiederkehrende Routineaufgaben durch automatisierte analytische Verfahren erledigen lässt. Predictive Analytics kann neben den speziellen Kompetenzen wie Tax und Treasury zur neuen Kernkompetenz der Finanzfunktion werden. Spezialisierte FP&A-Teams können virtuell aufgestellt und bedarfsweise agil gezielt in einzelnen Märkten, Projekten oder Produkt-Teams eingesetzt werden. Die Finanzfunktion kann sich so künftig noch stärker auf strategische Aspekte des Geschäfts konzentrieren und wertvollen Input liefern, um maßgeblich die Arbeit von CFOs zu unterstützen – zum Beispiel bei Entscheidungen über die Kapitalallokation oder die Produktentwicklung.
3. Roboter im Service-Center
Die Transaktionsverarbeitung in Shared Service Centern wird automatisiert. Interne Dienstleistungen werden dort in Zukunft ausschließlich von IT-Systemen erbracht. Ein Grund ist der wachsende Einsatz von Prozessrobotik (Robotics Process Automation). Untersuchungen von Deloitte zufolge nutzen diese Technologie bereits 30 Prozent der befragten Unternehmen. Auf lange Sicht wird zudem die Blockchain einen tiefgreifenden Einfluss darauf haben, wie Transaktionen stattfinden, kontrolliert und auditiert werden. Sie wird im Rahmen der Transaktionsverarbeitung besonders bei Smart Contracts an Bedeutung gewinnen. Dabei bilden webbasierte Computerprotokolle Verträge ab und helfen dabei, sie aufzusetzen und abzuwickeln. Rechte der Vertragspartner werden automatisch durchgesetzt. Die Rechtsexperten können sich stattdessen um anspruchsvollere strategische Themen kümmern.
4. Finanzfunktion ohne Finanzen
Geschäftsprozesse in Länder mit kostengünstigen Lohnstrukturen auszulagern, wird sich für Unternehmen aufgrund der zunehmenden Automatisierung künftig nicht mehr rechnen. Zusätzlich haben unabhängige Spezialisten für Business Process Outsourcing (BPO) bis dahin viel Erfahrung mit digitalen Technologien gesammelt, bieten ihre Dienste weitgehend automatisiert an und können sie deshalb zu sehr günstigen Preise offerieren. Um Kostenvorteile zu nutzen, werden Unternehmen zunehmend diese Dienste in Anspruch nehmen. Die BPO-Anbieter werden damit zu Treibern der Digitalisierung. Immer mehr klassische Aufgaben der Finanzfunktion werden zu ihnen abwandern.
5. Der CFO als oberster Datenhüter
Ein digitales Core-System, das – um Microservices ergänzt – mit verschiedenen Cloud-integrierten Subsystemen korrespondiert, wird zum Standard. Der CFO wird in Zukunft das globale Datenmanagement im Unternehmen steuern. Er wird dafür verantwortlich sein, die verwendeten Daten einfach und sicher für die Nutzer verfügbar zu machen. Um Probleme bei der Bereinigung und Integration zu lösen, werden neue Werkzeuge zur Verfügung stehen: Automatisierung, Sprachverarbeitung und maschinelles Lernen werden die manuelle Bearbeitung und Verwaltung von Daten überflüssig machen. Data Stewardship wird zu den wichtigsten Aufgaben des CFO und seines Arbeitsbereichs gehören. Dabei gilt es den funktionsübergreifenden Data Lake zu bewirtschaften und die notwendige Governance auszuüben.
6. Die digitalen Services etablieren sich als neue Funktion
In Unternehmen wird die Funktion „Digital Services“ eine herausragende Rolle einnehmen und wichtige Teile des heutigen Finanzbereichs umfassen. Dem CFO untersteht in Zukunft damit eine neue Funktion. Sie wird zusammen mit anderen Geschäftsbereichen das Design der stetig neu entstehenden Anwendungen steuern – also beispielsweise Apps, Bots, Chat-Bots sowie Applikationen Künstlicher Intelligenz. Neben der Data-Governance wird sich dieser Bereich darum kümmern, neueste Analyseanwendungen zu erarbeiten und zu testen. Er wird außerdem eine Kontrollfunktion ausüben, indem er zum einen die Robotertechnik überwacht, aber auch den digitalen Output im Unternehmen sammelt und auswertet. Diese Daten sind die Grundlage für selbstlernende Maschinen, die eines Tages womöglich in der Lage sein werden, eine Antwort auf eine Frage zu geben, bevor sie gestellt wurde.
7. Talente gesucht
Es wir eine deutliche Veränderung bei den Talenten im Finanzbereich geben. Die Finanzkosten in großen globalen Unternehmen betragen etwa 1 % des Umsatzes. Bis 2025 könnten sich diese Kosten bis auf 0,5 % vom Umsatz reduzieren. Es wird zukünftig insgesamt weniger Personal, auch klassisches Finance-Fachpersonal, im Finanzbereich beschäftigt sein. Künstliche Intelligenz in Steuern, Treasury und Accounting wird beginnen, die verbleibenden Arbeitskräfte dort zu verstärken.Wir werden zudem einen zunehmenden Anstieg der Nachfrage an MINT Stellen erleben. Aufgaben, die eine Kombination von Mathematik, Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften und Technologie erfordern. Zudem benötigt Finance im Umgang mit internen und externen Kunden bessere „Storyteller". Die Kernaufgabe hier wird sein, Daten über zum Teil komplexe Analyticsmodelle in nachvollziehbare Informationen und Handlungsempfehlungen zu übersetzen, welche die Entscheidungen des Unternehmens maßgeblich beeinflussen werden.
Deloitte begleitet die Finanzfunktion auf dem Weg in die Digitalisierung. Es geht darum, maßgeschneiderte Lösungen für Unternehmen zu finden, damit diese die Chancen und Möglichkeiten nutzen können, die innovative Technologien ihnen bieten.
Dabei steht den Deloitte Experten eine breite Palette von Werkzeugen zur Verfügung, die sich von Robotik über Cloud-Computing, Automatisierung und Analytics bis zur Künstlichen Intelligenz erstreckt.
Für die Unternehmen kommt es darauf an, mit diesen Instrumenten neue Aufgaben für die Finanzfunktion zu erschließen, Prozesse zu ordnen sowie die Arbeit zwischen Menschen und Maschinen sinnvoll neu zu gestalten. Das wiederum hat Einfluss auf die Gestaltung der Arbeitsplätze und die Profile der Beschäftigten.
Deloitte kann maßgeblich dazu beitragen, dass die Finanzfunktion von dem durch innovative Technologien ausgelösten Umbruch profitiert und damit künftig den größtmöglichen Nutzen für das Unternehmen, das Management, die Mitarbeiter und die Kunden erbringt.
Die Digital Finance Labs von Deloitte versetzen Sie in die digitale Zukunft der Finanzfunktion von Morgen.
Im gesamten Lab werden wir Sie durch eine Reihe von Übungen führen, die Ihnen dabei helfen, zukünftige Erwartungen zu erfüllen, die digitale Finanzwelt spielerisch kennenzulernen, mögliche Anwendungsgebiete neu für Sie zu entdecken und Sie mit innovativen Ansätzen und Technologien zu inspirieren.