Zum 13.01.2019 trat das Umsetzungsgesetz zur EbAV II-Richtlinie in Kraft. Es ergeben sich Auswirkungen auf die Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation und auch die eigene Risikobeurteilung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV). Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat in Rundschreiben Ende 2020 die entsprechenden Anforderungen aus Ihrer Sicht konkretisiert. (Rundschreiben MaGo für EbAV, begleitender Text zur Veröffentlichung des Rundschreibens, ERB Rundschreiben)
Im September dieses Jahres hat die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) ihren Ergebnisbericht zur Versicherungsmathematischen Funktion (VmF) bei Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung veröffentlicht.
Die VmF ist eine der sogenannten Schlüsselfunktionen für EbAVsi. Die VmF hat u. a. die Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen zu überwachen. Insbesondere obliegt ihr:
Dies ist verbunden mit Informationspflichten gegenüber dem Vorstand und ggf. auch der Aufsichtsbehörde. Der DAV Ergebnisbericht greift in seiner Detaillierung auf die oben genannten Rundschreiben der BaFin zurück.
Eine VmF ist nicht erforderlich, wenn die EbAV weder eine Zinsgarantie noch eine Garantie der biometrischen Rechnungsgrundlagen gewährtii. Dies ist beispielsweise dann gegeben, wenn ein Pensionsfonds ausschließlich nicht-versicherungsförmige Pensionspläne ohne vorgenannte Garantien im Rahmen von Übertragungen von Pensionsverpflichtungen anbietet. Sollte allerdings die Rentenbezugsphase eines Pensionsplans versicherungsförmig gestaltet sein, hat der Pensionsfonds eine VmF zu bestimmen. Auch für den Fall, dass eine EbAV ausschließlich Sozialpartnermodelle anbietet, bedarf es einer VmF nicht.
Die Funktion der VmF in einer EbAV hat insbesondere starke Überschneidungen mit der des Verantwortlichen Aktuars (VA). Ursächlich dafür ist u. a., dass EbAV – anders als Lebensversicherungen – nicht den Anforderungen von Solvency II unterliegen. Damit entfällt unter anderem das Erfordernis eine Marktwertbilanz aufstellen zu müssen. Insbesondere bedarf es damit bei EbAVs keiner Ermittlung von Marktwerten der Vermögensgegenstände und keines besten Schätzwertes der versicherungstechnischen Rückstellungen.
Die DAV sieht in ihrem Ergebnisbericht nicht nur eine große Nähe der Tätigkeiten von VmF und VA, sondern auch zu den Aufgaben des Versicherungsmathematischen Sachverständigen i. S. d. BaFin Rundschreiben 2/2018 für Pensionskassen und 3/2018 für Pensionsfonds. Dem Versicherungsmathematischen Sachverständigen obliegt das Erstellen des sogenannten versicherungsmathematischen Gutachtens über den Einfluss der wesentlichen Gewinn- und Verlustquellen auf das Bilanzergebnis und über die wesentlichen versicherungsmathematischen Annahmen, die der Berechnung der versicherungstechnischen bzw. pensionsfondstechnischen Rückstellungen zu Grunde liegen. Folgerichtig formuliert die DAV in ihrem Ergebnisbericht: „Es ist in der Regel möglich, dass mehrere oder alle der o. g. Funktionen von einer Person ausgeführt werden. In diesen Fällen kann es zu Interessenkonflikten kommen. Interessenkonflikte sind kein prinzipieller Hinderungsgrund für die gleichzeitige Wahrnehmung mehrerer oder aller versicherungsmathematischer Aufgaben durch eine Person. Jedoch sind diese transparent zu machen und es ist der Umgang mit ihnen in geeigneter Weise zu dokumentieren.“
Die VmF kann intern aber auch extern organisiert sein. Verantwortliche/r ist immer eine natürliche Person. Gleichwohl können viele andere Personen der VmF zuarbeiten. Die die Schlüsselfunktion ausübende Person ist bei interner Organisation regelmäßig in die Organisation des Unternehmens eingebunden. Eine externe Organisation ist im Wege der Ausgliederung nach § 32 VAG möglich. Auf die besondere Qualifikation des Ausgliederungsbeauftragten und dessen besondere Verantwortung, die er bei einer Ausgliederung übernimmt, sei an dieser Stelle der guten Ordnung halber hingewiesen.
Die Aufgabenstellungen der VmF beschreibt der Ergebnisbericht der DAV in detaillierter Form. Daher soll hier lediglich auf zwei unterschiedliche Berichte, an denen (auch) die VmF mitarbeitet, kurz eingegangen werden.
Der Bericht der VmF ist zu unterscheiden vom Bericht zur eigenen Risikobeurteilung von EbAVs nach § 234d VAG.
Die DAV gibt eine beispielhafte Struktur für den Bericht der VmF an:
„1. Einleitung
1.1. Zielsetzung des Berichts
1.2. Berichtserstellung
1.3. EbAV-spezifische Besonderheiten
2. Zusammenfassung einschließlich Feststellungen
3. Bericht der VmF
3.1. Berichterstattung zu den technischen Rückstellungen
3.2. Stellungnahme zur Zeichnungs- und Annahmepolitik
3.3. Stellungnahme zur Rückversicherung
3.4. Unterstützung des Risikomanagements
3.5. Nachverfolgung aus den Vorberichten“
Darüber hinaus gibt die DAV in ihrem Ergebnisbericht neben Erläuterungen auch Formulierungshilfen zu den Positionen 3.1. bis 3.4 des Berichts der VmF.
Insbesondere die Darlegungen in vorgenannter Ziffer 3.4 sind eng verknüpft mit der eigenen Risikobeurteilung, die ebenfalls der Geschäftsleitung vorzulegen ist. Die Struktur der Berichterstattung im Rahmen der eigenen Risikobeurteilung folgt typischerweise i. W. der des § 234d Abs. 2 VAG:
1. Darstellung, wie die eigene Risikobeurteilung in die Leitungs- und Entscheidungsprozesse der Pensionskasse einbezogen wird
2. Beurteilung der Wirksamkeit des Risikomanagementsystems
3. Darstellung, wie Interessenkonflikte mit dem Trägerunternehmen verhindert werden, oder wie mit ihnen verfährt, wenn die verantwortliche Person für eine Schlüsselfunktion zugleich eine ähnliche Aufgabe im Trägerunternehmen ausübt
4. Beurteilung des gesamten Finanzierungsbedarfs und gegebenenfalls Beschreibung von Maßnahmen zur Deckung des Finanzierungsbedarfs
5. Beurteilung der Risiken, die für die Versorgungsanwärter und Versorgungsempfänger in Bezug auf die Auszahlung ihrer Altersversorgungsleistungen bestehen, sowie Einschätzung der Wirksamkeit von Gegenmaßnahmen. Dabei sind in die Betrachtung einzubeziehen die gegebenenfalls bestehenden
a. Indexierungsmechanismen
b. Mechanismen zur Minderung der Anwartschaften und Ansprüche auf Versorgungsleistungen, wobei auch anzugeben ist, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang die Anwartschaften und Ansprüche gemindert werden können und wer die Minderung vornimmt
6. Qualitative Beurteilung der Mechanismen, die zum Schutz der Anwartschaften und Ansprüche auf Versorgungsleistungen bestehen, einschließlich der zugunsten der Pensionskasse oder zugunsten der Versorgungsanwärter und Versorgungsempfänger gegebenenfalls bestehenden
a. Garantien, bindenden Verpflichtungen oder finanziellen Unterstützung jeglicher anderen Art durch das Trägerunternehmen
b. Versicherungs- oder Rückversicherungsvereinbarungen, oder
c. Abdeckung durch eine Altersversorgungssicherungssystem
7. Qualitative Beurteilung der operationellen Risiken
8. Beurteilung der neu hinzugekommenen und voraussichtlich hinzukommenden Risiken, die dadurch bedingt sind, dass die Pensionskasse ökologische, soziale und die Unternehmensführung betreffende Faktoren bei ihren Anlageentscheidungen berücksichtigt.
In die Beurteilung der letzten Nummer 8 sind unter anderem Risiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel, der Verwendung von Ressourcen und der Umwelt sowie soziale Risiken und Risiken im Zusammenhang mit der durch eine geänderte Regulierung bedingten Wertminderung von Vermögenswerten einzubeziehen.
Darüber hinaus muss die EbAV dem Proportionalitätsprinzip entsprechende Methoden einsetzen, anhand deren sie diejenigen Risiken erkennen und beurteilen kann, die
a. sie kurz- oder langfristig betreffen oder betreffen könnten und
b. sich auf ihre Fähigkeit auswirken könnten, die Verpflichtungen zu erfüllen.
Die VmF kann und sollte insbesondere wertvollen Input zu den Themenfeldern 2, 4 bis 6 und 8 des Berichts zur eigenen Risikobeurteilung geben. Darüber hinaus kann sie einen wesentlichen Beitrag zu dem Einsatz der Methoden leisten, anhand derer die unter a. und b. aufgeführten Risken erkannt und beurteilt werden können.
Zu einer ausführlicheren Darstellung der eigenen Risikobeurteilung gelangen Sie hier.
i § 234b VAG
ii § 234 Abs. 6 VAG