Im Fall, der vor FG Düsseldorf am 15.01.2024 (6 K 2351/19 K) verhandelt wurde, ging es um die Frage, ob eine später festgestellte Unwirksamkeit einer Änderung einer Versorgungsordnung rückwirkend bei den steuerbilanziellen Pensionsrückstellungen berücksichtigt werden muss.
Das Finanzgericht Düsseldorf hatte die Frage zu klären, ob eine unter Berücksichtigung einer garantierten Rentenanpassung steuerbilanziell passivierte Pensionsverpflichtung nachträglich korrigiert werden muss, wenn die Anpassungsregelung später durch arbeitsgerichtliche Entscheidungen als unwirksam eingestuft worden ist (Urteil vom 15.01.2024 – 6 K 2351/19 K).
In einem Unternehmen existierten Ruhegeldrichtlinien mit Anpassungsregelungen für laufende Leistungen entsprechend § 16 Abs. 1 BetrAVG. Der Arbeitgeber hatte also alle drei Jahre einen Anpassungsbedarf aufgrund eingetretenen Kaufkraftverlusts zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden.
Im Jahr 2006 wurde mittels einer abändernden Betriebsvereinbarung (BV-2006) die Anpassungsregelung durch eine Neuregelung entsprechend der Escape-Klausel des § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG (garantierte Erhöhung laufender Leistungen um mindestens 1% jährlich) ersetzt, so dass laufende Leistungen jährlich zum 1.7. um jeweils 1% der Vorjahresrente angepasst werden sollten.
Abändernde Betriebsvereinbarung: Änderung der Anpassungspraxis auch für Altzusagen und Rentenbezieher
Die Neuregelung der Rentenanpassung sollte gemäß der BV-2006 auch für Altzusagen gelten, d.h. für Zusagen, die bis zum 31.12.1998 erteilt worden waren. Dies obwohl gemäß der Übergangsvorschrift in § 30c Abs. 1 BetrAVG die maßgebliche Escape-Klausel des § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG nur für laufende Leistungen gilt, die auf Zusagen beruhen, die nach dem 31.12.1998 erteilt werden.
Die Zulässigkeit, Altzusagen von der Neuregelung zu erfassen, war in einem von den Betriebsräten beauftragten Rechtsgutachten eines ehemaligen Vorsitzenden Richters am Bundesarbeitsgericht bestätigt worden. In diesem Rechtsgutachten wurde weiter festgestellt, dass die Regelungskompetenz der Betriebsparteien auch gegenüber bereits aus dem Unternehmen ausgeschiedenen Versorgungsempfängern besteht.
Die in der BV-2006 garantierte 1%-ige Anpassung wurde erstmals zum 31.12.2006 bei der Erstellung des Jahresabschlusses (rückstellungserhöhend) berücksichtigt.
In der Folgezeit kam es zu diversen Klagen von Rentenbeziehern.
Im Jahr 2011 hatte das BAG schließlich entschieden, dass die Neuregelung der Rentenanpassung einen Verstoß gegen § 30c Abs. 1 BetrAVG darstellt. Es kommt nämlich für die Anwendbarkeit der Escape-Klausel des § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG doch darauf an, wann die ursprüngliche Versorgungsregelung vereinbart wurde (vor oder nach dem 31.12.1998); nicht – wovon das Unternehmen auf Basis des Rechtsgutachtens ausgegangen war – auf den Zeitpunkt der Vereinbarung der 1%-igen Anpassungsgarantie.
Rückabwicklung der geänderten Anpassungspraxis
Aufgrund dieser Entwicklung fasste der Konzernvorstand im Herbst 2011 den Beschluss, eine Rückabwicklung der 1%-Regelung vorzunehmen und wieder zu den alten Anpassungsrichtlinien zurückzukehren. Entsprechend wurde die garantierte Rentenanpassung von 1% jährlich ab dem 31.12.2011 nicht mehr bei den Pensionsrückstellungen berücksichtigt.
Strittig: Auswirkungen auf die steuerbilanziellen Pensionsrückstellungen
Im Folgenden kam es zu einer Außenprüfung durch das Finanzamt für Groß- und Konzernprüfung. Die Prüfer waren der Meinung, die Pensionsrückstellungen zum 31.12.2006 müssten um den Effekt der garantierten Rentensteigerung von 1% korrigiert werden. Denn durch die BAG-Rechtsprechung wäre klar geworden, dass kein Rechtsanspruch auf die 1%-ige Dynamisierung nach § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG bestanden hat. Deswegen sei die diesbezügliche Rückstellungsbildung ausgeschlossen.
Zudem habe aufgrund ständiger arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung der Betriebsrat keine Regelungskompetenz für ausgeschiedene Anwärter und Rentenbezieher, d.h. die geänderte Anpassungsregelung greife für diese Personen nicht.
Das Unternehmen klagte vor dem FG Düsseldorf.
Das FG Düsseldorf gab dem Unternehmen Recht. Die Pensionsrückstellungen sind nicht rückwirkend um den Effekt der garantierten Rentenanpassung zu korrigieren.
Änderung der BV im Jahr 2006 maßgeblich für bilanzsteuerliche Berücksichtigung – trotz § 30c Abs. 1 BetrAVG
Das Unternehmen hatte bei der Bildung der Pensionsrückstellung die zugesagte Anpassungsgarantie zulässigerweise berücksichtigt.
Denn für den Ansatz und die Bewertung von Rückstellungen müssen steuerrechtlich die Verhältnisse maßgeblich sein, die am Bilanzstichtag objektiv richtig erscheinen.
Vorliegend konnte erst durch die höchstrichterliche Entscheidung des BAG im Laufe des Jahrs 2011 für das Unternehmen feststehen, dass die geschlossene Betriebsvereinbarung über die pauschale Anpassung der Pensionsansprüche der Arbeitnehmer des Konzerns unwirksam ist. Diese neue Erkenntnis aus dem Jahr 2011 wirkt steuerbilanziell aber nicht auf den Stichtag im Jahr 2006 zurück.
Fragliche Regelungskompetenz der Betriebsparteien für ausgeschiedene Arbeitnehmer steht Rückstellungsbildung nicht entgegen
Zur Frage, ob die Betriebsparteien Regelungskompetenz für bereits aus dem Unternehmen ausgeschiedene Arbeitnehmer haben, verweist das FG auf die diesbezügliche zum strittigen Zeitpunkt unklare Rechtslage (vgl. BAG, 10.02.2009 – 3 AZR 653/07).
Damit konnte auch mit diesem Argument nicht rückwirkend die bilanzierte Rentendynamik aufgrund offensichtlich fehlenden Rechtsanspruchs als unzulässig eingestuft werden.
Die Revision war zugelassen, wovon die Finanzverwaltung Gebrauch gemacht hat (XI R 10/24). Es bleibt also abzuwarten, ob der BFH sich der Sicht des FG Düsseldorf anschließt.