Langsam, aber sicher rückt der Mega-Trend künstliche Intelligenz (KI) in den Fokus der Aufsichtsräte. Die neue Deloitte-Studie zeigt deutliche Verbesserungen gegenüber 2024, zugleich verbleiben aber kritische Lücken. So ist in fast einem Drittel aller Boards weltweit KI immer noch kein Diskussionsthema (2024: 45%), und zwei Drittel der Befragten attestieren ihrem Gremium mangelnde Kenntnisse und Erfahrungen in diesem Bereich (2024: 79%). Deutsche Aufsichtsräte sind bei vielen KI-Aspekten allerdings weiter fortgeschritten als der globale Durchschnitt.
Eine Transformation von epochalem Ausmaß: KI schafft völlig neue Möglichkeiten für Gesellschaft und Wirtschaft. Immer mehr Unternehmen setzen auf Technologien wie maschinelles Lernen (ML), Generative KI (GenAI) und maschinelles Sehen (Machine Vision). Ständig treten zudem weitere innovative Ansätze auf den Markt, etwa Agentic AI oder Physical AI. Durch diese Entwicklung sind auch die Aufsichtsräte in hohem Maß gefordert, denn umsichtige Governance ist eine unabdingbare Voraussetzung für den langfristigen KI-Erfolg. Dafür müssen die Boards Chancen und Risiken der Technologie abwägen, einen Rahmen für die Umsetzung gestalten und dabei ethische sowie strategische Dimensionen berücksichtigen. Wie weit die Aufsichtsräte bei der KI-Governance inzwischen fortgeschritten sind, zeigt die zweite Ausgabe der „Governance of AI“-Studie von Deloitte, für die 695 Gremienmitglieder weltweit befragt wurden, davon 49 aus Deutschland.
Die erste Ausgabe des Surveys identifizierte 2024 erhebliche Lücken bei der Thematisierung von KI in den Gremien. Diese sind inzwischen kleiner geworden, aber keineswegs verschwunden. Erfreulich fallen im Vergleich die Ergebnisse für Deutschland aus, die Auswertung zeigt hier teilweise markant bessere Werte. Während insgesamt 31 Prozent der Boards weltweit KI noch nicht im Gremium diskutieren (2024: 45%), sind dies hierzulande nur 16 Prozent. 19 Prozent befassen sich einmal jährlich damit (Deutschland: 29%), 33 Prozent halbjährlich (Deutschland: 39%), 17 Prozent bei jeder Sitzung (Deutschland: 16%). 33 Prozent aller Befragten finden, dass ihr Gremium dem Thema KI nicht genug Zeit widmet (Deutschland: 24%) – ein hoher Anteil, aber eine Verbesserung gegenüber 2024 um 13 Prozentpunkte. 40 Prozent aller Teilnehmenden geben außerdem an, dass sie zur Lösung der Herausforderungen durch KI die Zusammensetzung des Boards überdenken (Deutschland: 49%).
Die hohe Dynamik von KI-Innovation, Marktentwicklungen und regulatorischen Aktivitäten setzt die Unternehmen unter Handlungsdruck. Wie steht es vor diesem Hintergrund um die Geschwindigkeit der KI-Umsetzung in den Organisationen der Teilnehmenden? Eine Mehrheit von 53 Prozent sieht die Notwendigkeit einer Beschleunigung des KI-Einsatzes (Deutschland: 57%), ein Plus von neun Prozentpunkten gegenüber 2024. Nur ein Viertel ist zufrieden oder sehr zufrieden mit dem Umsetzungstempo (Deutschland: 35%). 22 Prozent haben dagegen mit der Umsetzung noch nicht begonnen oder haben dies überhaupt nicht vor (Deutschland: 8%). Fortschritte gibt es bei der Integration von KI in Geschäfts- und Betriebspläne: Nur 22 Prozent haben KI noch gar nicht integriert (Deutschland: 10%), 2024 waren es 32 Prozent. Andererseits haben erst fünf Prozent KI durchgängig integriert (2024: 4%), in Deutschland sind dies acht Prozent. Aus Sicht der befragten Gremienmitglieder sind zudem 31 Prozent der Organisationen noch nicht bereit für den KI-Einsatz (2024: 41%). In Deutschland sieht es bei der „AI Readiness“ besser aus: Hierzulande sind nur 20 Prozent noch nicht ausreichend vorbereitet.
Immer mehr Boards wollen bei der KI-Governance die Initiative ergreifen. Um im Rahmen ihrer Aufsicht effektive Aktivitäten anzustoßen und greifbare Ergebnisse zu erzielen, müssen sie sich dafür gezielt mit Top-Executives aus der Organisation austauschen. Dabei stehen laut Survey insbesondere die Technologie-Führung sowie Chief Executive Officer (CEO) im Zentrum: 72 Prozent der Befragten kommunizieren mit ihren Chief Information Officers (CIO) und Chief Technology Officers (CTO) über KI (Deutschland: 82%), 52 Prozent mit ihren CEOs (Deutschland: 63%). Aber auch mit anderen C-Level Executives tauschen sich die Gremienmitglieder über KI aus, was für einen ganzheitlichen Blick auf die Thematik spricht. Genannt werden Chief Financial Officer (CFO) mit 27 Prozent (Deutschland: 43%) sowie Chief Information Security Officer (CISO) und Chief Risk Officer (CRO) mit jeweils 12 Prozent (Deutschland: 8 bzw. 10%). Nur acht Prozent kommunizieren gar nicht mit dem Top-Management über KI, in Deutschland sind dies sogar nur zwei Prozent.
Eine große Herausforderung stellt nach wie vor die KI-Kompetenz im Aufsichtsrat dar. 66 Prozent der Befragten geben an, dass ihr Gremium nur in begrenztem Ausmaß oder überhaupt nicht über KI-Kenntnisse und -Erfahrungen verfügt (Deutschland: 59%). Auch wenn das eine Verbesserung gegenüber 2024 darstellt (79%), müssen die Unternehmen hier weiterhin durch entsprechende Bildungsangebote für das Board gegensteuern. Das geschieht allerdings erst in 48 Prozent der Firmen (2024: 40%, Deutschland: 49%). Demgegenüber bilden sich 59 Prozent der Aufsichtsräte aus eigener Initiative zu KI weiter (Deutschland: 51%). 36 Prozent der Gremien nutzen außerdem externe Spezialist:innen für eine regelmäßige KI-Wissensvermittlung (Deutschland: 33%). Im Bereich KI-Weiterbildung besteht somit immer noch dringender Handlungsbedarf. Nur mit ausreichender Kompetenz können die Boards das strategische Potenzial von KI angemessen einordnen und die richtigen Weichenstellungen für eine erfolgreiche Implementierung vornehmen.
Neben weiteren aufschlussreichen Ergebnissen bringt der neue Survey auch eine Reihe von thematisch gegliederten Leitfragen für das Board. Diese liefern hilfreiche Anregungen für den Auf- und Ausbau einer zielführenden KI-Governance, die einen positiven Wertbeitrag der Technologie langfristig sicherstellt.
Laden Sie hier die zweite Ausgabe des Survey „Governance of AI: A critical imperative for today’s boards“ herunter und erfahren Sie mehr über die Studienergebnisse sowie über die Leitfragen.