Liquidität und Arbeitskapital managen, regulatorische Fristen einhalten, Buchhaltung und Controlling steuern: Solche traditionellen Arbeitsfelder von CFOs sind auch heute fundamental für die Unternehmen. Doch längst ist der Verantwortungsbereich der Finanzleiter:innen nicht mehr darauf beschränkt. Sie verstehen sich nun auch als strategische Partner des Business, die neue Ansätze anregen und ermöglichen. Dabei überschreiten sie die Schwelle zu anderen Unternehmensbereichen und übernehmen anspruchsvolle Zusatzaufgaben. Nur so werden sie der zunehmend komplexen Umgebung gerecht, in der ihre Organisationen heutzutage Wachstumsimpulse setzen müssen.
Im aktuellen Makro-Umfeld sind neue Herausforderungen zu meistern, die einen hohen Grad an Verflochtenheit aufweisen. Auf den Finanzmärkten herrscht Unsicherheit über die aktuell deutlich erhöhten Kapitalkosten. Wann ist mit Zinssenkungen zu rechnen, wenn überhaupt – und wenn ja, in welcher Höhe? Die geopolitischen Spannungen nehmen zugleich stetig zu und belasten die Lieferketten. Auch die Demographie beschäftigt CFOs: Einerseits verändert die Alterung der Gesellschaft Märkte und Nachfrage, andererseits stellen auch junge Verbraucher:innen neue Ansprüche. Ein weiterer dynamischer Treiber sind technologische Disruptionen. Ansätze wie die Generative Künstliche Intelligenz (GenAI) versprechen große Effizienzgewinne und neue Anwendungen. Wie sie in die bestehenden Workflows zu integrieren sind, ist jedoch eine alles andere als trivial. Nicht zuletzt wirft der verschärfte Fokus auf Nachhaltigkeit Fragen auf – im Hinblick auf die Kapital-Allokation unter geänderten Risikobedingungen, aber auch in der Abwägung mit finanziellen Zielen. Angesichts der Komplexität dieser Entwicklungen lassen sich die folgenden sechs zentralen Punkte der aktuellen CFO-Agenda nicht vollständig trennscharf definieren. Dass sie von höchster Priorität für die kommenden zwölf Monate sind, ist aber ohne Zweifel.
Wertschöpfung wird traditionell mit der Steigerung der Shareholder-Erträge gleichgesetzt. Zuletzt hat sich diese Rechnung aber wesentlich verkompliziert. Denn auch weitere Stakeholder müssen nun berücksichtigt werden, etwa durch das Nachhaltigkeitsthema. Der Wertbeitrag entsprechender Investitionen lässt sich jedoch schwerer quantifizieren als finanzielle Ergebnisse. CFOs müssen daher eine längerfristige Sichtweise einnehmen und neue Strategien für die Investoren-Kommunikation entwickeln. Die Wertschöpfung wird zusätzlich beeinflusst durch Geopolitik und Makro-Entwicklungen. Oft liegt der Finanz-Fokus aktuell auf Kostensenkungen und Kapitalerhalt. Für die langfristige Aufstellung sollte aber auch das Thema M&A auf die Tagesordnung genommen werden. Durch die Finanzierung von geeigneten strategischen Zukäufen können CFOs einen wertvollen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten. Auch durch die Veräußerung von peripheren Geschäftsbereichen kann das Unternehmen gestärkt werden. Darüber hinaus müssen Finanzvorstände die steigenden Kapitalanforderungen durch technologische Wachstums-Hebel wie Cloud oder KI im Blick behalten.
Der Fachkräftemangel ist derzeit ein drängendes Problem. CFOs stehen dadurch vor kurzfristigen Herausforderungen, beispielsweise durch die Präferenz von Mitarbeitenden für hybride Arbeitsmodelle. Gerade die junge Generation Z erwartet entsprechende Angebote vom Arbeitgeber. Die Beurteilung der Produktivität erfordert bei solchen Modellen aber neue Ansätze. Datengetriebene Technologie kann dabei helfen, muss aber transparent und auch für Mitarbeitende vorteilhaft eingesetzt werden. Offline-Interaktionen dürfen darüber nicht vernachlässigt werden, da sie originäre Vorteile bieten, beispielsweise durch Mentoring oder Fortbildungen. Lernbereitschaft stärkt die Resilienz der Organisation und wird in Zukunft eine immer wichtigere Fähigkeit – für Mitarbeitende, aber auch für CFOs selbst.
In der aktuellen Diskussion wird GenAI als transformative Technologie erkannt, die von Führungskräften in Geschäftsstrategien und operative Prozesse integriert werden muss. Wesentlicher Erfolgsfaktor ist dabei ein graduelles, ergebnisorientiertes Vorgehen. Ein Verzicht auf GenAI wird dagegen schnell zum Wettbewerbsnachteil, denn die Technologie eröffnet Wachstumschancen und Produktinnovationen. Eine weitere Voraussetzung für die Ausschöpfung der Potenziale Generativer KI ist eine geeignete Datenstruktur. Standardisierung sowie eine entsprechende „Data Governance“ sorgen für Konsistenz, Genauigkeit und Vollständigkeit. Aber auch Aspekte wie Governance und Risiken müssen beim GenAI-Einsatz beachtet werden. Datenschutz, geistiges Eigentum und „Model Bias“ sowie Falschaussagen („Halluzinationen“) sind spezifische Risikobereiche der Technologie. Auf menschliches Wissen kann beim Einsatz von KI daher nicht verzichtet werden. Bei der Umsetzung könnten CFOs etwa bei der Finanzplanung und -analyse (FP&A) ansetzen, um die Qualität von Prognosen zu erhöhen. Hier erzielt GenAI einen messbaren Wertbeitrag. Einen weiteren sinnvollen Schritt stellt die Automatisierung repetitiver manueller Tätigkeiten, etwa bei der Berichterstellung, dar. Schließlich sind auch Investitionsfragen bei der Umsetzung zu klären (Eigenentwicklung oder Nutzung externer Tools).
Die Steigerung der operativen Effizienz durch Technologie hat hohe Dringlichkeit. Sie wird aber durch den Fachkräftemangel spürbar gebremst, besonders bei Themen wie maschinellem Lernen und GenAI. Dabei sind diese entscheidend für Prozessoptimierung und Produktivitätssteigerung. Effizienzgewinne können derweil auch in anderen Bereichen erzielt werden, etwa durch die Überwindung von Daten-Silos. Daneben gilt es, die Effizienz und Resilienz der Lieferkette zu stärken, wofür CFOs mit anderen Funktionen kooperieren müssen. Durch eine agilere Aufstellung wird die Finanzorganisation allgemein flexibler und handlungsfähiger bei unvorhergesehenen Risiken. Zentrale Bedeutung für die Resilienz hat außerdem das Thema Cybersecurity. Das geht über die regulatorischen Pflichten hinaus: CFOs sollten mit der IT-Führung zusammenarbeiten, um wichtige Risiken zu identifizieren. Auch Geschäftskontinuitätspläne sollten erstellt werden.
Bei der Stärkung der Resilienz der Organisation sind auch Klimawandel und Nachhaltigkeit einschlägig. Das Unternehmen muss sich auf mögliche Zukunftsszenarien vorbereiten, etwa auf ein Marktumfeld weitgehender Dekarbonisierung oder auf potenzielle Wetter-Disruptionen. Dabei dürfen die Wachstumstreiber nicht aus dem Fokus rücken – und ebenso sind Anforderungen des Nachhaltigkeits-Reportings zu erfüllen, etwa im Kontext der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU. Entsprechende Tools zur Emissionsmessung müssen implementiert werden. Auch Ansätze wie Klimakompensation („Carbon Credits“) kommen in Frage. Durch wirksame Initiativen stärken Unternehmen das Vertrauen der Stakeholder.
Bis vor kurzem hingen viele CFOs der Ansicht an, dass die wirtschaftlichen Pluspunkte der Globalisierung die möglichen Risiken übertreffen. Doch die Zeit der regional begrenzten Krisen könnte sich dem Ende zuneigen. Die geopolitische Dimension erfordert neue Aufmerksamkeit. Die Implikationen sind weitreichend – strategisch, operativ und in Bezug auf Reputationsschäden. Embargos und Volatilität im Rohstoff-Bereich werden zum Thema vor allem für produzierende Unternehmen. Dazu kommen politische Unwägbarkeiten. In vielen Ländern stehen Wahlen bevor, woraus sich ebenfalls Veränderungen im Außenhandel ergeben könnten. Neue Regulationen und das entsprechende „Compliance-Reporting“ stellen ein weiteres Aufgabenfeld dar. Mit einem effektiven Risiko-Framework bringen CFOs Struktur in die Mitigierung alter und neuer Risiken, ein verstärkter Fokus auf die Analyse externer Faktoren schafft die Voraussetzungen. Genauigkeit und Konsistenz haben dabei Priorität.