Die Covid-19-Pandemie, die weltweite Chip-Krise und die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine: Die Störungen für Industrieunternehmen reißen nicht ab. Insbesondere die Lieferketten des Automotive-Sektors stehen unter Druck. Zusätzlich muss sich der Sektor auch langfristigen Herausforderungen und Automotive-Trends stellen. In diesem disruptiven Umfeld sind neue Ansätze dringend gefragt. Eine zukunftsweisende Antwort liefert Catena-X, eine innovative digitale Kollaborations- und Datenplattform für die automobile Wertschöpfungskette („catena“: lat. „Kette“). Diese Plattform liefert innovative Data-Sharing-Ansätze als Antwort auf die Herausforderungen der Autobranche.
Im Jahr 2021 haben sich 28 namhafte Partner unter der Beteiligung des Bundeswirtschaftsministeriums zu dieser Data-Sharing-Allianz zusammengeschlossen, darunter befinden sich auch deutsche und europäische OEMs, Zulieferer und globale Technologiepartner. Ein faszinierendes Projekt auf der Höhe der Zeit: Immerhin handelt es sich bei dem Thema Data Sharing laut der aktuellen Deloitte Tech Trend Studie 2023 um einen zentralen Technologie-Trend, der die kommenden Jahre prägen wird.
Catena-X bietet ein nutzerfreundliches System für durchgängige Datenketten mit einheitlichen Standards, dezentralem Betriebssystem und normierten APIs. Catena-X ist an das bestehende ERP anschlussfähig, aber auch via Portal zugänglich. Data Sharing „as-a-Service“ mit niedriger Einstiegsschwelle macht das Modell somit auch für KMU attraktiv. Auf dieser Grundlage können auch diese neue datenbasierte Geschäftsmodelle aufsetzen, etwa durch eine Vergütung für das Teilen von Daten mit bestimmten Parametern, die dann für die Entwicklung von neuen Anwendungen genutzt werden.
Der große Vorteil von Data Sharing: Es werden innovative Lösungen realisierbar, die ein Unternehmen für sich allein aufgrund der begrenzten Datenlage nicht hätte entwickeln können. Dadurch können über die Unternehmensgrenzen hinaus im Ökosystem der Partner tiefer gehende datenbasierte Erkenntnisse aus der Lieferkette erzielt werden. Außerdem wird durch Data Sharing oft überhaupt erst die kritische Masse an Daten erreicht, die für viele digitale Use Cases notwendig ist. Dabei steigert das standardisierte Daten-Ökosystem die Skalierbarkeit der Lösungen. Das Data Sharing-Modell funktioniert allerdings nur, wenn alle Teilnehmer ihre eigenen Interessen gewahrt wissen. Hierbei geht es um mehr als die – offensichtlich unerlässliche – Cyber-Sicherheit der Datenplattform. Darüber hinaus muss auch die individuelle Datenhoheit erhalten bleiben. Wettbewerbern sollen schließlich keine Geschäftsgeheimnisse offenbart werden.
Vertrauen und Kontrolle sind für einen derartigen kooperativen Ansatz die Grundvoraussetzung. Catena-X schafft die Vertrauensbasis durch einheitliche Security- und Compliance-Standards für alle. Teilnehmer können frei entscheiden, welche Daten sie wie umfangreich und für welche Zwecke teilen. Avancierte „Privacy Preserving“-Methoden können dies auf der technischen Ebene garantieren, wobei die Entwicklung auf diesem Feld noch im Fluss ist. Wichtig ist der Vertrauensaspekt besonders im Hinblick auf die kulturellen Eigenheiten der oft mittelständisch geprägten Zuliefer-Branche. Viele Unternehmen aus diesem Bereich weisen nach wie vor eine gewisse Zurückhaltung beim Offenlegen eigener Daten auf.
Bei der Überwindung solcher Hürden hilft der Umstand, dass durch Catena-X der Prozess der Vertrauensbildung selbst viel effizienter wird. Unternehmen müssen nun nicht mehr Vertrauensbeziehungen zu jedem einzelnen Partner im Liefernetzwerk aufbauen, sondern nur noch zur gemeinsamen Plattform. Den Rahmen für Catena-X liefert GAIA-X, ein Projekt zum Aufbau eines einheitlichen europäischen Dateninfrastruktur-Ökosystems mit entsprechender regulatorischer Einbettung. Tatsächlich handelt es sich bei Catena-X um eine der ersten konkreten Umsetzungen von GAIA-X – eine Industrie-Initiative mit Pionier-Charakter.
Erste Praxis-Erfolge des Zusammenschlusses konnten bereits erzielt werden, beispielsweise in der Lieferkette: Ein Automobilhersteller identifizierte ein Qualitätsproblem, das potenziell zehntausende Fahrzeuge hätte betreffen können. In der Vergangenheit hätte dies einen sehr umfangreichen Rückruf bedeutet, der hohe Kosten und Auseinandersetzungen mit Zulieferern über Vertragsstrafen usw. nach sich zieht. Durch den Datenaustausch mit den Partnerunternehmen konnte der Kreis der möglicherweise betroffenen Fahrzeuge jedoch sehr stark eingegrenzt werden. Im Ergebnis sank das Volumen des nötigen Rückrufs um massive 80 Prozent. Ein Resultat, das für sich spricht – aber nur eine von unzähligen denkbaren Anwendungen des Datennetzwerks.
Geeignet ist Catena-X auch für neue Ansätze im Bereich Nachhaltigkeit. Die Zirkularität in der Wertschöpfung kann ebenfalls durch Data Sharing optimiert werden. Dasselbe gilt für die soziale Dimension der Supply Chain, z.B. bei der effektiven Rückverfolgung im Kontext der Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes. Zu den weiteren geplanten Use Cases gehören Zukunftsthemen wie Partnerdaten, Digital Twins oder Echtzeitsteuerung.
Mit Catena-X zieht die Branche die Konsequenzen aus den Verwerfungen der jüngsten Vergangenheit und schafft einen Rahmen für die Lösung der großen Zukunftsherausforderungen. OEMs und Zulieferer, Entwicklungs-, Finanz-, Logistik- und Vertriebspartner ziehen an einem Strang, eröffnen neue Potenziale, partizipieren an einem Kulturwandel hin zu einer Daten-orientierten Startup-Mentalität. Die garantierten Standards von Catena-X machen die Sorge über einen vermeintlichen Kontrollverlust obsolet.
Neues Fenster öffnen