Mit dem VSME hat die EU einen freiwillig anzuwendenden Berichtsstandard für kleine und mittlere Unternehmen veröffentlicht. Im Rahmen der Omnibus-Pakete (Februar 2025) plant die EU nun, einen neuen, freiwillig anzuwendenden Standard basierend auf dem VSME zu entwickeln. Was bedeutet diese Entwicklung und welche Chancen ergeben sich hierdurch für nicht-berichtspflichtige Unternehmen?
Im Dezember 2024 veröffentlichte die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) einen freiwillig anzuwendenden Berichtsstandard, den Voluntary Sustainability Reporting Standard for non-listed SMEs (VSME). Der VSME richtet sich an nicht börsennotierte Kleinst-, kleine und mittlere Unternehmen (KMUs), die nicht der Berichtspflicht nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) unterliegen. Mit den Omnibus-Paketen plant die EU-Kommission den Anwenderkreis der CSRD zu reduzieren und auf Basis des VSME einen neuen freiwilligen Standard für nicht berichtspflichtige Unternehmen zu entwickeln.
Der VSME ist ein modular aufgebauter Standard zur Nachhaltigkeitsberichterstattung. Er orientiert sich in seiner Struktur an den europäischen European Sustainability Reporting Standards (ESRS) und enthält neben allgemeinen Unternehmensinformationen auch Offenlegungspflichten in den Bereichen Umwelt (Environment), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance).
Der Standard besteht aus zwei Modulen:
Ein wichtiger Aspekt des VSME-Standards ist der Verzicht auf eine verpflichtende Wesentlichkeitsanalyse. Diese war im ersten Entwurf noch vorgesehen, wurde aber aufgrund des damit verbundenen Aufwands gestrichen. Stattdessen wurde das sogenannte „if applicable“-Prinzip eingeführt. Es bedeutet, dass bestimmte Datenpunkte nur dann offengelegt werden müssen, wenn sie für das jeweilige Unternehmen relevant sind. Das ermöglicht es den Anwendern, unternehmensspezifische Gegebenheiten besser zu berücksichtigen.
Ziel des VSME ist es, ein einheitliches Rahmenwerk zu schaffen, mit dem KMUs ihre Nachhaltigkeitsinformationen effizient und vergleichbar an Kreditgeber, Investoren, Geschäftspartner und weitere Stakeholder kommunizieren können. Gleichzeitig sollen KMUs von unkoordinierten und mehrfachen ESG-Datenanfragen entlastet werden. Der Standard fördert damit nicht nur Transparenz, sondern auch die Vergleichbarkeit von Unternehmen, die nach dem VSME berichten.
Am 26. Februar 2025 veröffentlichte die EU-Kommission die ersten beiden der insgesamt drei Omnibus-Pakete zur Vereinfachung der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Im Rahmen der Omnibus-Pakete schlägt die EU-Kommission eine Anpassung des Anwenderkreises von berichtspflichtigen Unternehmen nach CSRD auf 1.000 Beschäftigte vor. Der neue freiwillige Berichtstandard (im Folgenden als „VSME+“ bezeichnet) wird sich daher an Unternehmen unterhalb der CSRD-Schwelle richten. Insbesondere durch die fortschreitende Umsetzung der CSRD und der EBA Pillar-3 Berichtspflichten für Banken wird in den kommenden Jahren die Anzahl der Anfragen von Nachhaltigkeitsinformationen aus der Wertschöpfungskette signifikant steigen. Infolgedessen erweitert sich voraussichtlich auch die Anzahl an freiwillig berichtenden Unternehmen kontinuierlich.
Der neue Standard soll als delegierter Rechtsakt erlassen werden und als sogenannter „Value-Chain-Cap“ direkt in der CSRD verankert werden. Mithilfe des VSME+ soll so der „Trickle Down“-Effekt reduziert werden, indem nicht-berichtspflichtige Unternehmen vor übermäßigen Informations- und Datenanforderungen durch CSRD-berichtspflichtige Unternehmen geschützt werden. Insgesamt verfolgt die EU-Kommission mit dem VSME+ das Ziel, die Transparenz und Vergleichbarkeit innerhalb der Wertschöpfungskette zu verbessern, ohne kleinere Marktakteure zu überfordern.
Die europäische Nachhaltigkeitsregulatorik bildet ein vernetztes System. Während die ESRS sowie der VSME und der im Entwurf bestehenden ESRS LSME (ESRS for Listed Small- and Medium-sized Enterprises) einheitliche Berichtsstandards für Unternehmen definieren, greifen Regularien wie die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), EBA Pillar-3 sowie die Benchmark-Verordnung (BenchmarkVO) teilweise auf diese Daten zurück, um Transparenz und Vergleichbarkeit bei Finanzprodukten, Bankrisiken und ESG-Benchmarks sicherzustellen.
Wir haben eine Analyse basierend auf Anlage B in den ESRS 2 durchgeführt, um zentrale Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Anforderungen des VSME im Vergleich zu den oben aufgeführten Standards und Regularien zu identifizieren. Die Ergebnisse zeigen sowohl inhaltliche Überschneidungen als auch Potenziale für eine Harmonisierung der Bereitstellung von Daten im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung mit den Datenanforderungen von Investoren und Banken. Insbesondere im Hinblick auf eine Reduzierung des Anwenderkreises der CSRD wird eine Erhöhung des Umfangs des VSME+ erwartet, da sich dieser im Gegensatz zum aktuellen VSME nicht allein an KMUs richten wird. Außerdem sollte bei der geplanten Weiterentwicklung der SFDR im vierten Quartal 2025 darauf geachtet werden, dass die Anforderungen der Finanzmarktteilnehmer auf die Datenverfügbarkeit der Emittenten ausgerichtet werden. Mögliche Anpassungen der Anforderungen an die Berichterstattung der Banken nach EBA Pillar-3 wird ebenfalls eine Auswirkung auf die Datenbereitstellung von Unternehmen haben.
In einem im März 2025 gemeinsam veröffentlichten Brief an die EU-Kommission haben das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) und das Austrian Financial Reporting Advisory Committee (AFRAC) Stellung zum VSME genommen. In diesem weisen das DRSC und die AFRAC auf unklare Formulierungen, uneinheitliche Terminologien, fehlenden Kontext und Komplexität im VSME hin. Auch die EU Platform on Sustainable Finance hat in ihrem Bericht (März 2025) einen Vorschlag für ein vereinfachtes Rahmenwerk („SME Sustainable Finance Standard“) für KMUs veröffentlicht. Neben der Vereinfachung der Taxonomie-Kriterien schlägt die Plattform auch ein Online-Tool vor, das KMUs die Berichterstattung erleichtern soll.
Die Nachhaltigkeitsberichterstattung von KMUs und allgemein nicht-berichtspflichtigen Unternehmen wird durch den geplanten VSME+ weiterentwickelt. Durch die Erstellung eines freiwilligen Nachhaltigkeitsberichts kann eine Abdeckung der relevantesten Datenanforderungen durch Kreditgeber, Investoren und Geschäftspartner sichergestellt werden. Um bestmöglich auf die Einführung einer Nachhaltigkeitsberichterstattung vorbereitet zu sein, können Unternehmen bereits tätig werden. Neben einer Bestandsaufnahme zu bestehenden ESG-Daten-Anfragen von Stakeholdern sowie einer Gap Analyse auf ein mögliches Minimum-Set an quantitativen Indikatoren und Offenlegungsanforderungen, können Unternehmen bereits jetzt eine klare ESG-Organisation, eingebettet in die Unternehmens- und Risikostrategie, aufsetzen. Ein frühzeitig eingeführtes internes Kontrollsystem (IKS) sorgt zudem für eine verlässliche Datenbasis und strukturierte ESG-Datenerhebung.
Sie haben Fragen rund um die Entwicklung der freiwilligen Berichterstattung oder möchten sich auf eine freiwillige Berichterstattung in ihrem Unternehmen vorbereiten? Kommen Sie gerne auf uns zu, wir freuen uns Sie bei den Herausforderungen mit unserer Expertise zu beraten und zu begleiten.