Während geopolitische Erschütterungen zu einem zunehmend herausfordernden Faktor für die globale Wirtschaftswelt werden, gewinnt das Label „Made in Europe“ an neuer Relevanz. Laut unserer Verbraucherumfrage von Ende März 2025 wählen heute vier von zehn Deutschen bewusst und regelmäßig Produkte aus europäischer oder deutscher Herstellung (s. Abb. 1). Verbraucher:innen fragen sich, woher Produkte kommen, unter welchen Bedingungen sie hergestellt wurden und welche wirtschaftlichen oder politischen Implikationen ihr Kauf hat. 14 Prozent gehen sogar so weit, Produkte aus bestimmten (Übersee-)Regionen zu boykottieren. Regionalität – europäisch gedacht – gewinnt als Ausdruck bewussten Konsums an Bedeutung und kann so zu einem entscheidenden Kaufkriterium werden. Für Händler und Hersteller eröffnen sich damit die Chancen, durch eine verstärkte Produktion in Europa nicht nur stabilere Lieferketten zu schaffen, sondern auch mit lokaler Wertschöpfung bei den Konsument:innen zu punkten.
Regionalität ist Verbraucher:innen wichtig. Sie ist aber kein Selbstläufer und ihre Relevanz ist durchaus abhängig vom Konsumgut (s. Abb. 2). Aspekte wie Verfügbarkeit, Vertrauen und nicht zuletzt auch der Preis entscheiden darüber, ob zur regional produzierten Variante gegriffen wird oder nicht. Bei Lebensmitteln und Getränken ist die Sachlage allerdings eindeutig: Für die große Mehrheit der Deutschen gehört der Blick aufs Herkunftsland bereits fest zur Einkaufsroutine. Das liegt nicht nur an einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis und bester Verfügbarkeit regionaler Produkte im Handel, sondern vor allem auch daran, dass Verbraucher:innen das Konzept von Regionalität durch eine lokal präsente Landwirtschaft unmittelbar nachvollziehen können.
Bei genauerer Betrachtung der Ergebnisse zeigen sich altersseitig unterschiedliche Präferenzen (s. Abb. 3). Die größte Kluft ist bei Lebensmitteln und Getränken zu erkennen: Neun von zehn der Generation 55+ achten bei ihrem Einkauf auf regionale Produkte. Im Vergleich zur jüngsten Alterskohorte ist das ein signifikanter Unterschied – hier legt nur jede:r Zweite Wert auf Regionalität. Ähnlich verhält es sich bei Haushaltsgeräten. Die Differenz zwischen der ältesten und jüngsten Altersgruppe ist beachtlich. Und auch im Textilbereich lässt sich ein ähnlicher Trend beobachten. Mit zunehmendem Alter nimmt das Regionalitätsbewusstsein also grundsätzlich zu; das gilt für den Großteil der abgefragten Konsumgüter. Interessanterweise kehrt sich vor allem Fahrzeugen das Muster um. Hier sind es die 18- bis 34-Jährigen, die den größten Wert auf europäische Produktion legen.
Die wachsende Bedeutung der regionalen Herkunft bietet für Unternehmen aktuell ein günstiges Momentum. Denn im Kontext einer zunehmend komplexen geopolitischen Landschaft ist ein hohes Maß an Resilienz erfolgsentscheidend. Jeder zweite Händler und Hersteller gibt in einer aktuellen Deloitte-Befragung an, bereits an der Minimierung von Abhängigkeiten in Absatz- und Beschaffungsmärkten zu arbeiten (s. Abb. 4). Europäische Wertschöpfungsstrukturen könnten ein Weg dorthin sein und sichtbare Verbraucherpräferenzen der nötige Schub für verstärkte Investitionen. Schon jedes fünfte Unternehmen aus Handel und Herstellung diskutiert im Jahr 2025 eine Verlagerung von Produktionsstätten. Bislang dämpfen allerdings vor allem administrative Hürden verstärkte Investitionen in den europäischen Binnenmarkt. Mit der Ankündigung der Europäischen Kommission, diese zeitnah abzubauen, sollte die Wettbewerbsfähigkeit der EU aber langfristig steigen und Investitionen dürften sich weiter erhöhen.
Unternehmen sollten ihre Positionierungsstrategie aber in jedem Fall an die spezifischen Marktgegebenheiten ihrer Branche anpassen. In Produktkategorien, in denen Verbraucher:innen eine europäische Herkunft wertschätzen und entsprechende Preisaufschläge akzeptieren, also bei Lebensmitteln, Textilien und Bekleidung sowie Haushaltsgeräten, bietet sich die Stärkung regionaler Wertschöpfungsketten als vielversprechende Strategie zur Steigerung der Resilienz an. Auch in demografisch älteren Märkten kann Regionalität ein wirkungsvolles Differenzierungsmerkmal darstellen. In Produktkategorien, in denen die Herkunft der Produkte aktuell eine untergeordnete Rolle spielt, also bei Kosmetika, Unterhaltungselektronik und Einrichtungsgegenständen sollten weiterhin andere Wettbewerbsvorteile in den Vordergrund gestellt werden. Hier können Faktoren wie Liefergeschwindigkeit, Service-Excellence oder technologische Innovation die regionalen Kostenstrukturen kompensieren, ohne dass eine europäische Herkunft explizit vermarktet werden muss.
1Repräsentative Online-Befragung von 1.000 deutschen Verbraucher:innen.
2Deloitte (2025): CFO Survey Frühjahr 2025
3Europäische Kommission (2025): Kommission vereinfacht Vorschriften für Nachhaltigkeitsberichterstat-tung und EU-Investitionen: mehr als 6 Mrd. EUR an Entlastung beim Verwaltungsaufwand angestrebt; ab-gerufen am 16.5.2025.
Die Deloitte Industry Briefings analysieren Themen, die die Branchen bewegen, um kurzfristig und agil auf aktuelle Markentwicklungen und Branchenthemen reagieren zu können.