In den nächsten Jahren wird die wirtschaftliche Situation in Krankenhäusern unabhängig von der finalen Ausgestaltung der Krankenhausreform angespannt bleiben. Damit sich das Krankenhausmanagement darauf einstellen kann, müssen wirtschaftliche Schwachstellen gezielt angegangen werden. Dabei wird sich ein erfolgreiches Krankenhausmanagement im Schwerpunkt an folgenden Themen bemessen:
Die angespannte wirtschaftliche Situation ist eine langjährige Entwicklung im deutschen Krankenhausmarkt. Die COVID-19-Pandemie hat strukturelle Probleme in der Finanzierung deutscher Krankenhäuser aufgedeckt und die wirtschaftliche Situation dramatisch verschärft. Von den Auswirkungen der Pandemie konnten sich die meisten Krankenhäuser bislang nicht erholen. Durch den nachhaltigen Rückgang der stationären Behandlungsfälle um 15 Prozent im Jahr 2022 im Vergleich zu 2019 gibt es enorme Erlöseinbußen für Krankenhäuser1. Zusätzlich steigen die Kosten in Krankenhäusern massiv an. Zum einen können energie- und inflationsbedingte Sachkosten nicht kompensiert werden, zum anderen gibt es einen deutlichen Anstieg der Tariflöhne bei Ärztinnen und Ärzten sowie in der Pflege in den letzten Jahren2.
Verstärkt wird die Situation durch den anhaltenden Pflegenotstand. In fast allen Krankenhäusern gibt es Stations- und Bettensperrungen durch fehlende Pflegekräfte3. Für die Patientenversorgung müssen zusätzlich massive Kosten für Leiharbeit getragen werden, die nur teilweise über das Pflegebudget refinanziert sind. Auch im Bereich der Pflege gibt es Veränderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen durch die Ausweitung der Pflegepersonalregelung (PPR 2.0), bei denen der Pflegeeinsatz auf Stationen berichtet werden muss. In bestimmten Bundesländern wurden darüber hinaus Entlastungstarifverträge eingeführt, welche stations- und schichtgenaue Personal-Patienten-Ratios zur Bemessungsgrundlage machen4.
Aktuell fehlt es an vielen Kliniken an Übersicht über den tatsächlichen Pflegeeinsatz. Die Ausweitung der Rahmenbedingungen stellt viele Krankenhäuser vor erhebliche Probleme. Im Ergebnis zeigt sich die derzeitige angespannte wirtschaftliche Lage darin, dass im Jahr 2022 nur 20 Prozent der Krankenhäuser ein positives Jahresergebnis aufweisen und nur sechs Prozent der Häuser die aktuelle wirtschaftliche Lage als gut bezeichnen5.
Die anstehenden Änderungen in der Krankenhausfinanzierung sind eine Reaktion auf die aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen in der deutschen Krankenhauslandschaft. Mit dem Beschluss der Krankenhausreform wird mit der Vorhaltefinanzierung eine neue Erlösverteilung für Krankenhäuser etabliert. Zusätzlich gibt es eine Erweiterung des Erlösvolumens über Zuschläge in bestimmten Bereichen (Pädiatrie, Geburtshilfe, Notfallversorgung, Stroke Unit, Spezielle Traumatologie und Intensivmedizin), um hier der chronischen Unterfinanzierung entgegenzuwirken6.
Darüber hinaus hat die Veröffentlichung des neuen AOP-Katalogs von 20237 gezeigt, dass ein erheblicher Teil der aktuellen stationären Behandlungen potenziell ambulant durchgeführt werden kann. In diesem Zuge wird die Einführung von Hybrid-DRGs und damit eine Erweiterung des ambulanten Leistungsangebots für Krankenhäuser diskutiert. Auch wenn die Verhandlungen über die Ausgestaltung der Tagesbehandlungen in der ersten Runde gescheitert sind, ist davon auszugehen, dass es in absehbarer Zeit zu einer Lösung kommen wird8.
Das bisherige Finanzierungssystem setzt durch den reinen Mengenanreiz der Fallpauschalen Fehlanreize und erscheint spätestens seit der COVID-19-Pandemie mit einem bundesweiten Rückgang der Fallzahlen überholt9. Die Krankenhausreform soll dem entgegenwirken und nach der Aussage des Bundesgesundheitsministers Prof. Dr. Lauterbach viele Krankenhäuser vor einer Insolvenz retten (siehe Abbildung 1)10. Am 10. Juli 2023 haben sich Bund und Länder auf ein Eckpunktepapier zur Krankenhausreform verständigt. Das Gesetz zur Krankenhausreform soll zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. Nach einer Konvergenzphase ist eine erste Auszahlung der Vorhaltefinanzierung ab dem Jahr 2026 zu erwarten.
Abb. 1: Änderungen durch Eckpunktepapier zur Krankenhausreform
Das Eckpunktepapier sorgt aktuell für eine große Unsicherheit in den Häusern, da sich die Auswirkungen der Reform noch nicht final abschätzen lassen. Erst die Zuteilung der Leistungsgruppen durch die Länder ab 2024 wird Klarheit für die Krankenhäuser bringen. Für das Erbringen der Leistungsgruppen müssen die Krankenhäuser spezifische Qualitätskriterien erfüllen. Die Grundlage für die Einteilung ist das NRW-Modell mit 64 Leistungsgruppen inklusive weniger zusätzlicher Gruppen in bestimmten Fachbereichen11.
Möglich ist, dass durch die Verteilung der Leistungsgruppen viele Häuser Änderungen im Leistungsspektrum vornehmen müssen und somit Erlöseinbußen in Kauf nehmen müssen. Eine Umverteilung der Ressourcen in den Bereichen Personal und Infrastruktur wird in dem Fall unumgänglich. In bestimmten Regionen werden Krankenhäuser möglicherweise kooperieren und Leistungsgruppen aufteilen, um weiter wirtschaftlich arbeiten zu können.
Unabhängig von der finalen Ausgestaltung der Reform wird es Anpassungen in der wirtschaftlichen Steuerung für Krankenhäuser geben. Die Möglichkeit der jährlichen Fallzahlensteigerung zur Kompensation steigender Kosten verliert an Bedeutung12 . Eine Fallzahlensteigerung über das Vorjahresniveau hinaus bringt keinen zusätzlichen Gewinn, sondern deckt nur die durch den Fall entstehenden variablen Kosten. Damit sollen Krankenhäuser incentiviert werden, eine durch die Vorhaltepauschalen vorgegebene Fallmenge kosteneffizient zu behandeln. So fällt die Möglichkeit der Quersubventionierung defizitärer Abteilungen innerhalb eines Krankenhauses weg. Bisher konnten defizitäre Bereiche durch Fallmengensteigerungen in profitablen Bereichen innerhalb eines Hauses kompensiert werden. Mit der veränderten Finanzierung muss zukünftig jeder Bereich eigenständig profitabel gesteuert werden.
Damit steigt der Fokus auf die Verweildauersteuerung als zentraler Hebel zur Profitabilitätssteigerung. Nur mit einer optimierten Verweildauer in allen Fachbereichen werden Krankenhäuser wirtschaftlich arbeiten können. Zusätzlich rückt der Blick stärker auf das Controlling von Kosten. Sachkosten in medizinischen und nicht-medizinischen Bereichen müssen optimiert werden, um die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit zu erhöhen.
In der aktuellen angespannten Lage muss das Krankenhausmanagement mit gezielter wirtschaftlicher Steuerung reagieren. Nur so kann das volle wirtschaftliche Potenzial ausgeschöpft werden. Bei den aktuellen Herausforderungen sollte sich das Krankenhausmanagement auf bestimme Bereiche konzentrieren, um krisenfest aufgestellt zu sein (siehe Abbildung 2).
Abb. 2: Top 3 Beiträge aus Finanzfunktionen
1. Effektive Liquiditätssteuerung
Durch den Rückgang der stationären Behandlungszahlen und die Einführung des Pflegebudgets gibt es in Krankenhäusern in den letzten Jahren einen drastischen Rückgang an liquiden Mitteln. Dadurch sind Krankenhäuser vermehrt damit konfrontiert, Liquidität effektiv zu steuern (siehe Abbildung 3).
Abb. 3: Potenziale in der Liquiditätssteuerung
Das Forderungsmanagement ist als größter Hebel zur Liquiditätssicherung zu sehen. Im Wesentlichen umfasst dies zwei Bereiche (siehe Abbildung 4). Auch Stimmen aus dem Krankenhausumfeld legen nahe, dass im Forderungsmanagement hohes wirtschaftliches Potenzial liegt.
„Der größte ungenutzte Hebel im Krankenhausmanagement ist das Forderungsmanagement!“ | Leitung Controlling im Krankenhaus der Maximalversorgung
Abb. 4: Forderungsmanagement
2. Aktives Pflegecontrolling
Neben den akuten Herausforderungen der Liquiditätssicherung gibt es eine immer größer werdende Nachfrage bei der Steuerung der Pflegeressourcen. Durch den anhaltenden Pflegenotstand und die steigenden gesetzlichen Anforderungen an Pflegebesetzung auf Stationen besteht im Krankenhausmanagement vermehrt Handlungsbedarf. Allerdings fehlt es aktuell in vielen Häusern an Übersicht über den tatsächlichen Pflegeeinsatz auf den Stationen. Dies führt zu Herausforderungen für Ärzteschaft und Pflege in Bezug auf den optimalen Personaleinsatz und die mögliche Bettenbelegung. Eine Lösung dafür ist die Etablierung eines Pflegecontrollings zur gemeinsamen Steuerung des Pflegeeinsatzes mit der Pflegedirektion, welches in drei Stufen eingeführt werden kann (siehe Abbildung 5).
Abb. 5: Einführung Pflegecontrolling
Dementsprechend können gesetzliche Anforderungen (PPR 2.0 und PpUGV) und tarifbedingte Vorgaben an die Personalbesetzung auf Stationen zentral gelenkt werden. Ziel ist es, die mögliche Bettenbelegung bei limitierten Personalressourcen zu erhöhen.
3. Optimiertes Steuerungsmodell
Das langfristig größte Potenzial zur Profitabilitätssteigerung im Krankenhausmanagement bietet ein optimiertes Steuerungsmodell. Es ermöglicht dem Management eine Übersicht über die Wirtschaftlichkeit des gesamten Krankenhauses sowie einzelner Kliniken. Die aktuelle wirtschaftliche Lage, die Veränderungen der Krankenhausfinanzierung und der steigende Druck zur Ambulantisierung machen eine Optimierung des Steuerungsmodells für Krankenhäuser unumgänglich.
Das Steuerungsmodell im Krankenhaus umfasst zwei Ebenen. Auf der gesamtwirtschaftlichen Ebene wird dem Top-Level Management eine Entscheidungsgrundlage für die Steuerung geliefert. Auf der Klinikebene wird die Profitabilität eines Fachbereichs ermittelt und den Klinikleitungen operative Steuerungsgrundlagen gezeigt. Dabei können über das Steuerungsmodell sowohl Leistungen als auch Kosten optimiert werden.
Eine erfolgreiche Leitung der Finanzbereiche gelingt, indem die Ausrichtung der Bereiche auf die aktuellen Herausforderungen angepasst werden. Dabei sollten folgende Punkte berücksichtigt werden:
Basierend auf Deloitte Erfahrungswerten kann die Transformation hin zu einem modernen Krankenhausmanagement innerhalb von 12 Monaten erfolgreich umgesetzt werden.
„Ein Finanzcontrolling mit guter Qualität rechnet sich von selbst.“ | Kaufmännischer Leiter eines Städtischen Krankenhauses
Kurzfristig hilft ein optimiertes Steuerungsmodell durch Liquiditätssicherung bei der Insolvenz-Vermeidung und einer wirtschaftlich optimierten Steuerung in der Konvergenzphase der Krankenhausreform.
Mittelfristig wird eine Anpassung des Steuerungsmodells an die wirtschaftlichen Änderungen durch die Krankenhausreform erzielt. Hier schaffen die richtigen Kennzahlen eine nachhaltige Erhöhung der Effizienz, das Freisetzen von zusätzlichen Ressourcen und eine Leistungsausweitung.
Langfristig resultiert eine höhere Resilienz der Finanzfunktionen in einer des Krankenhauses gegenüber zukünftigen Krisenszenarien finanzieller, geo-politischer sowie gesundheitlicher Natur.
Mitarbeit an der Studie
David Weiger
Senior Consultant Finance & Performance | Health Care
1 WIDO Wissenschaftliches Institut der AOK (2023): Pressemitteilung vom 6. März 2023, Krankenhaus-Fallzahlen: Rückgang 2022 noch größer als in den ersten beiden Pandemie-Jahren, zuletzt abgerufen am 07.08.2023.
2 DKG (2022): DKG zur Veröffentlichung des Orientierungswertes durch das Statistische Bundesamt. Orientierungswert zeigt immense Kos-tensteigerungen, zuletzt abgerufen am 07.08.2023.
3 tagesschau (2022): Verband beklagt Personalmangel. Pflegebranche warnt vor Notstand, zuletzt abgerufen am 07.08.2023.
4 Ärzteblatt (2022): Entlastungstarifvertrag für Unikliniken steht, zuletzt abgerufen am 07.08.2023.
5 DKG (2022): DKG zum DKI-Krankenhaus-Barometer 2022. Krankenhaus-Insolvenzwelle rollt an, zuletzt abgerufen am 07.08.2023.
6 Bundesgesundheitsministerium (2023): Eckpunktpapier. Krankenhausreform, zuletzt abgerufen am 07.08.2023.
7 DKB (2023): Ambulantes Operieren (§ 115b SGB V), zuletzt abgerufen am 07.08.2023.
8 Ärzteblatt (2023): Hybrid-DRG. Mit überschaubarem Katalog starten, zuletzt abgerufen am 07.08.2023
9 DKG (2022): DKG zu den Reformvorschlägen der Regierungskommission. Krankenhausreform braucht den Konsens mit den Ländern und darf nicht auf struktureller Unterfinanzierung aufsetzen, zuletzt abgerufen am 07.08.2023
10 Bundesgesundheitsministerium @BMG_Bund (2023): Tweet des Bundesgesundheitsministeriums vom 5. Januar 2023, zuletzt abgerufen am 07.08.2023.
11 Bundesgesundheitsministerium (2023): Krankenhausreform, zuletzt abgerufen am 07.08.2023.
12 Regierungskommission für moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung (2023): Vierte Stellungnahme und Empfehlung der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung. Reform der Notfall- und Akutversorgung in Deutschland Integrierte Notfallzentren und Integrierte Leitstellen, zuletzt abgerufen am 07.08.2023.
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