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TMT Industry Briefing: Nachhaltigkeit bei Smartphones noch kaum im Fokus

92 Prozent aller volljährigen Personen in Deutschland1 besitzen ein Smartphone. 46 Prozent der aktuell genutzten Geräte wurden in diesem oder im letzten Jahr gekauft. Daraus ergibt sich eine Zahl von rund 20 Millionen Smartphones, die zuletzt allein in Deutschland pro Jahr über die Ladentheken gingen. Nachhaltigkeitsaspekte spielen bei der Anschaffung jedoch aktuell noch eine untergeordnete Rolle. Dies zeigen die Ergebnisse des diesjährigen Digital Consumer Trends Survey, für dessen deutsche Ausgabe im Juni und Juli 2.000 Konsumenten im Auftrag von Deloitte befragt wurden. So ist die CO2-Bilanz nur für 5 Prozent ein relevantes Kaufkriterium, während eine lange Akkulaufzeit 40 Prozent der Befragten wichtig ist. Auf der anderen Seite wären ein Drittel der Deutschen bereit, für ein Smartphone mit geringerem CO2-Footprint mehr Geld auszugeben – wenn auch die anderen Produkteigenschaften stimmen.

Smartphones werden im Jahr 2022 laut einer Deloitte-Prognose weltweit 146 Millionen Tonnen CO2 -Äquivalente verursachen2. Dies entspricht dem Ausstoß des gesamten deutschen Verkehrssektors im Jahr 2021. Allein durch den enormen Gerätebestand sind Smartphones für die CO2-Bilanz damit ein relevanter Faktor. Kritisch zu bewerten ist auch die Nutzung nicht-erneuerbarer, teilweise unter fragwürdigen Bedingungen gewonnener Rohstoffe im Herstellungsprozess, sowie die bislang eingeschränkte Reparatur- und Recyclingfähigkeit der Geräte. Auch werden die CO2 -Emissionen von Rechenzentren durch die Nutzung von Smartphones erheblich forciert. Bei den Konsumenten in Deutschland ist diese Botschaft jedoch noch nicht angekommen. Für sie stehen bei der Wahl eines neuen Smartphones praktische Merkmale eindeutig im Mittelpunkt.

 

Nachhaltigkeit aktuell kein Kaufkriterium

 

Leistungsstarke Smartphone-Akkus, eine einfache Bedienung und hochwertige Kameras werden von deutschen Smartphone-Käufern als wichtigste Auswahlkriterien beim Kauf genannt. Nachhaltigkeitsaspekte, wie eine günstige CO2-Bilanz oder der Einsatz recycelter Materialien, finden sich dagegen genau am anderen Ende der Prioritätenliste (s. Abb. 1). Auch Faktoren, die potenziell eine lange Nutzung des neuen Smartphones ermöglichen, sind nicht sonderlich gefragt: Lebensdauer, Verfügbarkeit von Software-Updates oder Reparaturfreundlichkeit rangieren alle in der unteren Hälfte des Rankings.

Abb. 1: Welche der folgenden Kriterien sind neben dem Preis für Sie bei der Wahl eines neuen Smartphones entscheidend?

Zahlungsbereitschaft vorhanden – wenn der Rest stimmt

 

Ein Drittel der Konsumenten in Deutschland wäre bereit, mehr Geld für ein Smartphone mit geringerem CO2-Footprint auszugeben. Jeder Zehnte äußert sogar eine starke Offenheit für ein solches Angebot (s. Abb. 2). Wie sind diese Zahlen einzuordnen, gerade im Kontext des überschaubaren Stellenwertes von Sustainability-Kaufkriterien? Die Erklärung liegt in der aus Nutzersicht exponierten Rolle des Smartphones. Kein Gerät wird häufiger und für mehr Anwendungsszenarien verwendet. Entsprechend hoch sind die Anforderungen an Leistungsfähigkeit und Usability. Sind diese Grundvoraussetzung gegeben, so würde eine beträchtliche Zahl von Verbrauchern zusätzlich für einen geringeren CO2-Fußabdruck zahlen.

Abb. 2: Zustimmung zur Aussage: Ich würde ein Smartphone mit geringerem CO2-Fußabdruck kaufen, auch wenn der Preis höher wäre.

Nachhaltig durch lange Lebensdauer

 

Bislang hat kein Smartphone-Modell mit Nachhaltigkeit und überzeugender Performance eine größere Kundenzahl erobert. Damit bleibt kurzfristig nur ein Hebel, um den CO2-Footprint von Smartphones zu reduzieren: Die Lebensdauer der existierenden Geräte muss spürbar verlängert werden. Denn 83 Prozent der Gesamtemissionen eines Smartphones fallen durch Produktion und Transport von Neugeräten an.

Tatsächlich dürften viele Smartphones künftig länger genutzt werden – allerdings weniger aus Gründen eines nachhaltigeren Konsumverhaltens. Stattdessen haben Anbieter Preise von €1.000 und mehr für Premium-Geräte durchsetzen können. Diese Smartphones sind auch nach zwei Jahren Lebensdauer noch überaus leistungsfähig. Folglich sehen viele Besitzer keinen Grund für einen Gerätetausch, andere verkaufen ihr Smartphone als hochwertiges Gebrauchtgerät. Denn auf der anderen Seite wünschen nicht wenige Verbraucher ein Premium-Smartphone, können oder wollen aber den Neupreis nicht zahlen. Als Konsequenz steigt der Anteil gebraucht erworbener Smartphones (s. Abb. 3). Dieser liegt aktuell bei 16 Prozent, vor einem Jahr haben erst 13 Prozent aller Mobilfunknutzer ihr aktuelles Gerät gebraucht oder aufbereitet („refurbished“) erworben.

Abb. 3: Anteil in Deutschland gebraucht* gekaufter Smartphones

Weiteres Potenzial bei Second-Hand-Smartphones

 

Was hält weitere Verbraucher vom Kauf eines gebrauchten Smartphones ab? Häufig ist es das fehlende Vertrauen in die angebotenen Geräte und die beteiligten Verkäufer (s. Abb. 4). Sobald etablierte Akteure mit geprüften Geräten zu attraktiven Preisen den Markt konsequent besetzen, dürfte der Second-Hand-Anteil weiter steigen. Bislang sind entsprechende Aktivitäten von Geräteherstellern und Netzbetreibern eher halbherzig umgesetzt und werden kaum beworben. Wie groß das Potenzial sein kann, zeigt das Engagement zahlreicher Automobilhersteller, die sich mit eigenen Marken zum Vertrieb junger Gebrauchtwagen – in Kombination mit umfangreichen Garantieversprechen – erfolgreich zusätzliche Zielgruppen erschließen. Nutzt man dieses Konzept als Blaupause für den Smartphone-Bereich, so könnten bald nicht nur die beteiligten Akteure, sondern auch die Umwelt erheblich profitieren.

Abb. 4: Warum haben Sie kein gebrauchtes* Smartphone gekauft?

Konkrete Maßnahmen gefragt

 

Das Thema Nachhaltigkeit wird in Deutschland in vielen Facetten diskutiert und in vielen Initiativen angegangen. Im Zusammenhang mit Smartphones herrscht jedoch offensichtlicher Nachholbedarf. Noch fehlt es an Angebot, Nachfrage und Aufklärung: Am Angebot, weil die großen Gerätehersteller die Vermarktung nachhaltiger Smartphones bislang kleinen Nischenanbietern überlassen. An der Nachfrage, weil Konsumenten Nachhaltigkeit nur dann akzeptieren, wenn auch die anderen Produkteigenschaften stimmen. Und an Aufklärung, weil der Fußabdruck von Milliarden Smartphones weltweit und die damit verbundenen Lösungsansätze bislang kaum thematisiert werden.

Wie lange es dauert, bis die Mehrzahl neuer Smartphones nachhaltig produziert und von Konsumenten gekauft werden, ist Stand heute nicht seriös absehbar. Wichtige Impulse könnten von neuen EU-Regulierungen ausgehen. Diese möchten mittels eines Nachhaltigkeits-Scores Transparenz schaffen über die Haltbarkeit verbauter Akkus, die Unempfindlichkeit gegen Stürze sowie die vorhandene Wasser- und Staubfestigkeit. Auch müssen Gerätehersteller künftig schon im Entwicklungsprozess hohe Anforderungen an die Robustheit von Smartphones berücksichtigen (z.B. bis zu 100-maliges Fallenlassen ohne Funktionseinbußen) sowie Reparaturen ermöglichen. Dafür soll die Versorgung mit Ersatzteilen sichergestellt und deren Preise sollen offengelegt werden. Auch plant die EU eine Verpflichtung zum einfachen Löschen persönlicher Daten, damit Geräte einfacher auf dem Gebrauchtmarkt verwertet werden können.

Unabhängig davon können die beteiligten Stakeholder mit einer möglichst langen Nutzung der vorhandenen Gerätebasis einen Beitrag zur CO2-Reduktion leisten. Hierzu braucht es nicht zuletzt eine Stärkung der professionellen Angebotslandschaft für hochwertige Second-Hand-Geräte. Ebenso wichtig ist es, dass Netzbetreiber Consumer Hardware in ihre Nachhaltigkeitsinitiativen umfassend einbeziehen, die Relevanz von Smartphone & Co. für die CO2-Bilanz an ihre Kunden kommunizieren sowie konkrete Maßnahmen umsetzen. Denkbar ist etwa die Fokussierung von Geräte-Subventionen auf möglichst nachhaltige Hardware, vergünstigte Tarif- und Zubuch-Optionen mit Premium-Gebrauchtgeräten oder ein konsequenteres Engagement beim Handel mit Second-Hand-Smartphones.

 

Weitere Autorin:

Ines Österle

ioesterle@deloitte.de

 

Fußnoten

1Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

2Bei Betrachtung über den gesamten Smartphone-Lebenszyklus.