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TMT Industry Briefing: Unternehmen wollen resilienter gegen Lieferkettenprobleme werden

78 Prozent der Unternehmen aus der europäischen Technologie-, Medien- und Telekommunikationsbranche (TMT) sind aktuell von Lieferkettenproblemen betroffen. Insbesondere gestiegene Preise werden als Problem wahrgenommen. Obwohl die TMT-Branche weniger betroffen ist als andere Industrien, leiten Unternehmen bereits Gegenmaßnahmen ein. Das zeigt eine Sonderauswertung des aktuellen Deloitte CFO Survey, für die 1.260 Finanzverantwortliche europäischer Unternehmen befragt wurden, davon 95 CFOs aus der TMT-Industrie.

Die fragileren Lieferketten von TMT-Unternehmen haben unterschiedliche Ursachen. Ein enorm gestiegener Chip-Bedarf führt seit Monaten zu einem beträchtlichen Nachfrageüberhang bei Halbleitern, dem die Anbieterseite nach wie vor keine entsprechenden Produktionskapazitäten gegenüberstellen kann. Hinzu kommen aktuell die im Rahmen der dortigen Null-COVID-Strategie geschlossenen Fabriken in China. Deren Produktionsausfälle schränken die kurzfristige Verfügbarkeit von Hardware zum Teil massiv ein. Schließlich drückt der Krieg in der Ukraine nicht nur auf die Stimmung von Unternehmen und Verbrauchern, sondern begrenzt auch die Lieferbarkeit von Komponenten und Rohstoffen, beispielsweise Neon-Gas für die Halbleiterproduktion.

 

Dienstleistungsanteil dämpft negative Effekte

 

Die Rückmeldungen der europäischen Finanzvorstände zeigen: Mehr als drei Viertel der Technologie-, Medien- und Telekommunikationsunternehmen sind von Lieferkettenproblemen und deren Folgen betroffen (s. Abb. 1). Das Ausmaß der Beeinträchtigungen ist aber uneinheitlich und sogar dazu angetan, die aktuelle Problematik aus TMT-Sicht etwas zu relativieren. Während branchenübergreifend 21 Prozent der Unternehmen nach Einschätzung ihrer CFOs „in hohem Umfang“ betroffen sind, liegt die Quote in der TMT-Industrie bei gerade einmal 5%. Auch der Anteil der Unternehmen ohne Lieferkettenprobleme liegt in der Technologie-, Medien- und Telekommunikationsbranche um zehn Prozentpunkte höher als im Branchendurchschnitt. Hier macht sich der insgesamt hohe Dienstleistungsanteil innerhalb der TMT-Industrie bemerkbar. Denn anders als für Hardware-Anbieter sind die Folgen unterbrochener Lieferketten für Telekommunikationsdienste, Medien und IT-Services vergleichsweise unkritisch.

Abb. 1: In welchem Ausmaß ist Ihr Unternehmen derzeit von Lieferketten-/Lieferproblemen betroffen?

Höhere Preise werden als problematisch wahrgenommen

 

Unternehmen aus der TMT-Industrie nehmen jedoch durchaus Probleme in ihren Lieferketten wahr. An erster Stelle genannt werden in diesem Kontext höhere Preise für Rohstoffe und Zwischenerzeugnisse sowie gestiegene Transportkosten. Auch Lieferverzögerungen und geringere Lagerbestände beobachten manche TMT-Unternehmen, letztere sogar häufiger als im Branchendurchschnitt. Auffällig ist jedoch, dass Technologie-, Medien- und Telekommunikationsunternehmen die einzelnen Problemfelder seltener als relevante Herausforderungen betrachten als der Branchendurchschnitt.

Abb. 2: Was sind die Hauptprobleme in der Lieferkette Ihres Unternehmens?*

Entspannung nicht vor 2023

 

Wann erwarten die befragten TMT-Finanzvorstände eine Entspannung der aktuellen Lieferkettenproblematik? Kurz gesagt: nicht vor 2023. Gerade einmal 10 Prozent rechnen mit der Rückkehr zur Normalität noch im Jahr 2022 (s. Abb. 3). Fast ebenso hoch ist die Zahl der pessimistischen Einschätzungen, nach denen eine Erholung erst 2024 oder später zu erwarten ist. Dagegen halten mehr als die Hälfte der Befragten eine Stabilisierung der Lieferkettensituation im Laufe des kommenden Jahres für wahrscheinlich. Mit wieviel Unsicherheit diese Prognosen behaftet sind, zeigt der hohe Anteil jener Vorstände, die sich auf kein konkretes Datum festlegen wollen.

Abb. 3: Wann erwarten Sie, dass Ihre Lieferketten wieder normal funktionieren?

TMT-Unternehmen ergreifen Gegenmaßnahmen

 

Auch wenn andere Branchen von der aktuellen Situation noch stärker betroffen sind: Die Technologie-, Medien- und Telekommunikationsindustrie zieht aus der aktuellen Lieferkettenproblematik Konsequenzen. 73 Prozent der befragten TMT-CFOs berichten, dass in ihrem Unternehmen mindestens eine gezielte Maßnahme geplant oder bereits umgesetzt ist (s. Abb. 4). Das sind zehn Prozentpunkte weniger als der Durchschnitt über alle Industrien hinweg, aber gemessen an den weniger akuten Konsequenzen für die TMT-Unternehmen ein bemerkenswert hoher Anteil.

 

Dabei kristallisiert sich nicht das eine Standardinstrument heraus, sondern es kommen unterschiedlichste Hebel zum Einsatz. So sollen insbesondere Lieferbeziehungen und Vertriebswege diversifiziert und Kooperation mit Lieferanten vertieft werden. Auch digitale Planungstools, Stresstests und höhere Langerbestände werden als relevante Maßnahmen genannt, die TMT-Unternehmen resilienter gegen künftige Lieferkettenprobleme machen sollen. Selbst sehr weitgehende Überlegungen wie die Neubewertung und/oder Verlagerung von Produktionsstandorten sind für manche CFOs kein Tabu: Immerhin 15 Prozent der Technologie-, Medien- und Telekommunikationsunternehmen denken darüber nach.

Abb. 4: Hat Ihr Unternehmen eine der folgenden Maßnahmen ergriffen oder wird es diese ergreifen?

Kritische Analyse von Lieferantenbeziehungen notwendig

 

Die Studienergebnisse machen deutlich: Trotz des hohen Dienstleistungsanteils innerhalb der TMT-Industrie sind sich die Finanzvorstände der Relevanz von Problemen in der Supply Chain bewusst und wollen aktiv gegensteuern. Wichtig ist dabei einerseits ein frühzeitiges Ergreifen von Maßnahmen, da die Umstellung von Lieferketten nicht von heute auf morgen erfolgt. Auf der anderen Seite will die Neuordnung von Lieferantenbeziehungen gut überlegt sein. Denn die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit etablierten Partnern ist ein hohes Gut, das durch eine Diversifizierung von Einkaufsquellen durchaus auch Schaden nehmen kann. Dennoch erfordern die aktuellen geopolitischen Veränderungen ein konsequentes und vorbehaltloses Hinterfragen bestehender Lieferantenstrukturen. Dazu zählen auch Überlegungen zur Relokalisierung von Lieferstufen und ein diesbezügliches Abwägen zwischen Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit auf der einen sowie Kostennachteilen auf der anderen Seite.

Unmittelbarer Handlungsdruck besteht in erster Linie bei TMT-Unternehmen mit Hardware-Fokus. Deren Lieferketten sind in der Regel stark international verflochten, mit entsprechend höheren Risiken als bei den übrigen TMT-Segmenten. Wie einschneidend die Konsequenzen sein können, zeigen die seit Monaten andauernden Engpässe bei der Versorgung mit Halbleitern sowie die aktuellen Produktionsausfälle bei Consumer-Technology-Produkten. Hardware-Anbieter werden daher aus gutem Grund entschlossener auf die Lieferkettenproblematik reagieren als Unternehmen aus den übrigen Marktsegmenten der TMT-Industrie.