Seit der globalen Finanzkrise 2007 wird die europäische Bankenlandschaft durch ein Niedrigzinsumfeld, hohen Wettbewerbsdruck und eine Regulierungswelle geprägt. Entsprechend herausfordernd war es für den Bankensektor in dieser Zeit, rentabel zu wirtschaften und positive Margen zu erzielen. Das Stichwort „Bankenkonsolidierung“ steht deshalb bereits seit mehr als einem Jahrzehnt im Raum: Institute mit geringer Profitabilität verlassen den Markt oder werden Ziel von Übernahmen. Darüber hinaus gewinnen Unternehmenszusammenschlüsse mit dem Ziel Fixkosten einzusparen zunehmend an Bedeutung. Dementsprechend finden Berichte über größere Fusionsvorhaben am Bankenmarkt immer wieder den Weg in die Schlagzeilen.
Unsere Analyse der Bankenkonsolidierung in Deutschland und in der Eurozone über die letzten fünf Jahre zeigt eine eindeutige Entwicklung: Die Zahl der Banken hat sich seit 2017 Jahr für Jahr kontinuierlich verringert. In Deutschland sind hiervon vor allem Genossenschaftsinstitute betroffen. Zudem findet die Konsolidierung primär auf nationaler Ebene statt, grenzüberschreitende M&A-Transaktionen zwischen Banken bleiben selten.
Abbildung 1 illustriert den beträchtlichen Rückgang der Zahl der Banken im Zeitraum von 2017 bis 2021 sowohl in Deutschland als auch in der gesamten Eurozone. Insgesamt beträgt der Rückgang bei deutschen Instituten 14,8 Prozent (3,15 % p.a.). Sogar noch etwas stärker fällt das Minus im Euroraum aus: Hier ist eine Abnahme von 16,3 Prozent (3,50 % p.a.) zu beobachten.
Besonders beachtlich ist dabei die Stetigkeit des Trends: Die Zahl der Institute ist in jedem einzelnen Jahr gesunken. Das geringste Minus mit 1,5 Prozent verzeichnete Deutschland erstaunlicherweise im Pandemiejahr 2020. Staatliche Unterstützungsmaßnahmen für die Wirtschaft hatten Banken vor größeren Kreditausfällen geschützt und so die Geschwindigkeit der Konsolidierung temporär gebremst. Zudem führte die allgemeine Unsicherheit am Markt zum Aufschub oder Abbruch von Fusionsplänen. Jedoch war bereits 2021 wieder ein Rückgang um 3,3 Prozent zu verzeichnen. Vor diesem Hintergrund ist eine anhaltende Verlangsamung der Konsolidierung zunächst nicht zu erkennen. Stattdessen ist eine kontinuierliche Fortsetzung des Rückgangs mittelfristig wahrscheinlicher.
Einen genaueren Blick auf den Entwicklungstrend in Deutschland wirft Abbildung 2. Sie schlüsselt die prozentuale Veränderung der Anzahl an Instituten über die letzten fünf Jahre nach Bankengruppen auf. Hier zeigt sich: Genossenschaftsbanken waren bisher am stärksten von der Konsolidierung betroffen. Die Zahl der Institute sank über den gesamten Zeitraum um 21 Prozent. Da Genossenschaftsbanken mit 773 Instituten (Ende 2021) das zahlenmäßig größte Segment des Bankenmarktes ausmachen, sind sie ein vorrangiger Treiber der Abwärtsbewegung.
Sparkassen als zweitgrößte Gruppe (371 Banken) zeigten sich mit einem Rückgang von sieben Prozent im Vergleich zur Zahl den Kreditgenossenschaften deutlich stabiler. Die Gruppe der anderen Banken [1] (hauptsächlich deutsche Privatbanken, 160 Institute) folgte bis Mitte 2018 dem Verlauf der Sparkassen, anschließend beschleunigte sich der Trend jedoch nach unten. Insgesamt führte diese Entwicklung zu einem Minus von 14,4 Prozent und damit einem Wert zwischen Kreditgenossenschaften und Sparkassen. Lediglich bei der kleineren Kategorie der Auslandsbanken [2] (142 Institute) wuchs die Anzahl der Institute leicht um 2,1 Prozent. Unter anderem hatte hier der Brexit dafür gesorgt, dass Banken aus dem Vereinigten Königreich nicht mehr ohne Weiteres innerhalb der EU operieren konnten. Folglich wurden eigene Tochtergesellschaften in der verbleibenden EU gegründet, um weiterhin in diesem Markt aktiv bleiben zu können – ein Prozess von dem auch der Finanzstandort Frankfurt profitieren konnte.
Dass die Entwicklung der Institutsanzahl nicht zwangsläufig mit der Geschäftsentwicklung einhergehen muss, zeigt der Verlauf der Bilanzsummen, denn für jede einzelne Gruppe ist eine Steigerung zu erkennen (siehe Abbildung 3). Auch hier stehen Auslandsbanken wieder an der Spitze: Das Plus über die letzten fünf Jahre beträgt ganze 40 Prozent. Davon fallen allein zwölf Prozentpunkte auf den Januar 2021. Einer der Gründe für diesen starken Anstieg ist erneut der Brexit. Das Ende der Übergangsphase zum Jahreswechsel 2020/2021 hatte betroffene Banken dazu veranlasst, Bilanzpositionen aus dem Vereinigten Königreich auf die zuvor gegründeten deutschen Tochtergesellschaften zu übertragen.
Ebenfalls beachtlich ist der synchrone Verlauf von Kreditgenossenschaften und Sparkassen: Während die Entwicklung der Institutsanzahl beider Gruppen über die Jahre deutlich divergiert, sind deren Bilanzsummen um einen ähnlichen Wert gewachsen (35 und 33 Prozent). Dieser Gegensatz verdeutlicht: Eine stärkere Konsolidierung geht nicht notwendigerweise mit einer Schrumpfung des Geschäfts einher. Solange Kunden beispielsweise nach einer Fusion oder Übernahme nicht die Gruppe wechseln, bleibt die Bilanzsumme stabil.
Das geringste Wachstum findet sich bei der Kategorie der anderen Banken, zu denen vorrangig deutsche Privatbanken gehören. Mit einer Bilanzsumme von fast fünf Billionen Euro (Ende 2021) stellt sie zwar die bedeutendste Gruppe dar, die Steigerung betrug im betrachteten Zeitraum jedoch lediglich vier Prozent.
Bankinsolvenzen sind im Verhältnis eher selten zu beobachten, stattdessen spielen M&A-Transaktionen die ausschlaggebende Rolle im Konsolidierungsprozess. Von 2017 bis 2021 fanden im gesamten Euroraum 172 Deals statt, bei denen beide beteiligten Parteien dem Bankensektor zugeordnet werden konnten (siehe Abbildung 4). Lediglich 37 davon (21,5 Prozent) waren grenzübergreifende Transaktionen. Noch geringer ist der Anteil in Deutschland: An gerade einmal fünf von 33 Deals (15,2 Prozent) war eine ausländische Partei beteiligt.
Der wesentliche Grund für den geringen Anteil grenzüberschreitender Transaktionen liegt in deren hoher Komplexität. Neben Sprachbarrieren unterscheiden sich auch die Marktstrukturen des Bankensektors zwischen europäischen Ländern stark. In Deutschland führt beispielsweise das Drei-Säulen-System dazu, dass Sparkassen und Genossenschaftsbanken M&A-Aktivitäten lediglich innerhalb der eigenen Gruppe – und damit auch innerhalb des eigenen Landes – durchführen. Solche Transaktionen sind aufgrund der vielen Gemeinsamkeiten besonders attraktiv. Beispielsweise verfügen beide Gruppen jeweils über zentrale IT-Dienstleister. Systeme und Prozesse ähneln sich deshalb stark, was deren Integration erheblich vereinfacht. Bei privaten Banken ist in der Regel von einer höheren Heterogenität auszugehen. Es benötigt daher stärkere Synergien an anderer Stelle, um die höheren Integrationskosten auszugleichen. Dieses Problem verschärft sich bei internationalen Vorhaben, da Unterschiede noch ausgeprägter sind. Hinzu kommt, dass sich die rechtliche und regulatorische Abwicklung im Vergleich zu inländischen Transaktionen als deutlich aufwändiger und komplizierter erweist. Trotz fortschreitender Harmonisierung der Bankenregulierung durch die EU ist es daher nicht verwunderlich, dass internationale Fusionen und Übernahmen eher in Ausnahmefällen zu beobachten sind.
Der Blick in die Zukunft lässt erahnen, dass sich die Zahl der Institute auch in den nächsten Jahren weiter verringern wird. Kleinere und mittlere Banken, deren Profitabilität unter hohen Fixkosten leidet, werden deshalb nach Wettbewerbern Ausschau halten, welche sich als Partner für eine strategische Fusion eignen könnten. Andernfalls droht die Gefahr, am Markt nicht gegen kosteneffizientere Konkurrenten bestehen zu können.
Für größere Institute bieten sich weiterhin Wachstumschancen durch gezielte Übernahmen von kleineren Banken, um deren Kundenstämme zu akquirieren. Gelegenheiten zu derartigen Transaktionen dürften sich in den kommenden Jahren reichlich ergeben. Grenzüberschreitende Deals eignen sich hierbei lediglich für besonders finanzstarke Institute, die bestenfalls bereits im Land des Übernahmekandidaten aktiv sind und somit umfassende Kenntnisse über den Zielmarkt besitzen.
Der Deloitte 2022 Banking and Capital Markets M&A Outlook zeigt auf, dass Übernahmen auch eine wichtige Rolle in der Personalstrategie spielen können. Fachkräfte, insbesondere IT-Spezialisten, sind auf dem Arbeitsmarkt stark umkämpft. Übernahmen von (Fin)Tech Unternehmen können deshalb dem Zweck dienen, hochqualifizierte Arbeitnehmer anzuwerben und in die eigene Belegschaft zu integrieren. Aufgrund dieser Vielschichtigkeit werden erfolgreiche M&A-Transaktionen entscheidend dafür sein, welche Institute am Ende der Konsolidierungswelle als Gewinner hervorgehen werden.
Autor:
Dr. Florian Loipersberger
Senior | Financial Services Research
[1] Diese Gruppe enthält folgende Unterkategorien: „Kreditbanken“, „Landesbanken“, „Realkreditinstitute“, „Bausparkassen“ und „Banken mit Sonder-, Förder- und sonstigen zentralen Unterstützungsaufgaben“. Sowohl „Zweigstellen ausländischer Banken“ als auch „Banken im Mehrheitsbesitz ausländischer Banken“ werden nicht berücksichtigt, stattdessen bilden diese die Kategorie „Auslandsbanken“.
[2] Diese Gruppe setzt sich aus „Zweigstellen ausländischer Banken“ und „Banken im Mehrheitsbesitz ausländischer Banken“ zusammen.
Die Deloitte Industry Briefings analysieren Themen, die die Branchen bewegen, um kurzfristig und agil auf aktuelle Markentwicklungen und Branchenthemen reagieren zu können.