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Economic Trend Briefing: Konjunkturausblick Mitte 2025 - Anlauf für den Aufschwung?

Die Befürchtungen waren hoch, dass 2025 das dritte Rezessionsjahr in Folge werden würde. Vor diesem Hintergrund startete das laufende Jahr überraschend gut, die wirtschaftliche Aktivität im ersten Quartal legte um 0,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal zu. Das Wachstum wurde durch die vorgezogenen Exporte in die USA aufgrund der erwarteten Zölle sowie durch den privaten Konsum und staatliche Investitionen gestützt. Auch wenn sich bei den Exporten aktuell eine Gegenbewegung nach unten abzeichnet, halten sich viele Stimmungsindikatoren besser als erwartet: Im Juni 2025 stieg der ifo Index zum sechsten Mal in Folge und der PMI-Index überschritt die Expansionsgrenze von 50 Punkten.

Angesichts der aktuell hohen handelspolitischen Unsicherheit sollten Konjunkturprognosen in Szenarien gedacht werden. Das Deloitte Economic Research Team hat drei verschiedene Konjunkturszenarien für die Jahre 2025 und 2026 entwickelt, die sich in ihren Annahmen über die Entwicklung der Zölle unterscheiden.

Abbildung 1: Deloitte BIP-Prognosen für 2025 und 2026 (Veränderung in Prozent)

 

Basisszenario: Mehr Zuversicht
 

Das Basisszenario geht davon aus, dass die Höhe der weltweiten Zölle auf dem Stand von Anfang Juli 2025 bleibt. Für Deutschland und Europa bedeutet dies 50 Prozent auf Stahl- und Aluminiumimporte in die USA, 25 Prozent auf Kraftfahrzeuge und -teile, und zehn Prozent auf sonstige Güter. Insgesamt geht dieses Szenario für das laufende Jahr von einer leichten Erholung (+0,4%) aus. Ab der zweiten Jahreshälfte dürfte sich die Wachstumsdynamik wieder allmählich verstärken, gestützt von den niedrigeren Finanzierungskosten durch die Zinssenkungen der EZB, der gesunkenen politischen Unsicherheit im Inland und dem wirtschaftspolitischen Maßnahmenpaket („Investitionsbooster“). Die Erholung dürfte vor allem durch den privaten Konsum getrieben sein, der durch den weitgehend robusten Arbeitsmarkt, hohen Ersparnissen und eine geringere Sparneigung belebt werden dürfte. Zudem werden Investitionen wohl auch zur Erholung der wirtschaftlichen Aktivität beitragen. Die eingeführten US-Importzölle schwächen die weltweite Handelsdynamik ab und die deutschen Exporte gehen entsprechend zurück.


Negativszenario: Eskalierende Handelskonflikte

In dem Negativszenario gehen wir von einer deutlichen Erhöhung der Zölle aus (Effektive Zölle erhöhen sich auf 33%, im Vergleich zu 11% im Basisszenario). Dadurch erhöht sich die wirtschaftliche und geopolitische Unsicherheit erneut.

Im laufenden Jahr stagniert die Wirtschaftsleistung (+0,1%) in diesem Szenario weitgehend und bleibt im kommenden Jahr (+0,2%) sehr schwach. Der Hauptgrund ist die einbrechende Exporttätigkeit. Die höhere Unsicherheit würde jedoch auch die Investitionstätigkeit und den privaten Konsum zusätzlich schwächen. Insgesamt verschlechtert sich die Arbeitsmarktsituation merklich durch einen Anstieg der Kurzarbeit und höhere Arbeitslosigkeit. Von dieser schwachen Wirtschaftslage ist vor allem der exportorientierte Industriesektor betroffen, aber auch die Aktivität im Dienstleistungssektor verlangsamt sich.

 

Positivszenario: Erholung des Handels


Bei diesem Szenario wird davon ausgegangen, dass die US-Importzölle wieder abgebaut und auf das Niveau vor dem 2. April 2025 reduziert werden. In diesem Szenario beträgt das BIP-Wachstum in diesem Jahr +0,5 Prozent und im nächsten Jahr +1,9 Prozent. Die geopolitische Lage entspannt sich in diesem Szenario, insbesondere die Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China. Dadurch reduziert sich die handelspolitische Unsicherheit deutlich und die mittelfristigen Wachstumsperspektiven verbessern sich. Die privaten Haushalte sind zuversichtlicher, sparen daher weniger und geben deutlich mehr für den Konsum aus. Ebenso ist die Stimmung der Unternehmen positiver, sodass sie eher zu Investitionen neigen. Die weltweite Nachfrage bleibt robust. Insgesamt kann sich der Industriesektor merklich erholen, während der Dienstleistungssektor moderat weiter expandiert.


Ausblick für 2026: Aufschwung durch fiskalpolitische Maßnahmen


Im nächsten Jahr dürften die ersten bedeutenden Teilbeträge aus dem Infrastrukturpaket, das hauptsächlich in staatliche Bauinvestitionen fließt, sowie die zusätzlichen Verteidigungsausgaben, die sich in staatlichen Ausrüstungsinvestitionen und Staatskonsum niederschlagen, das Wachstum merklich ankurbeln. Auch die ab dem 1. Januar 2026 geplanten Erleichterungen bei den Energiepreisen werden zusätzlich zu dem im Jahr 2025 eingeführten Investitionsbooster zu einer höheren wirtschaftlichen Aktivität beitragen. Die Exporttätigkeit bleibt schwach, erholt sich aber in der ersten Jahreshälfte allmählich, nachdem die ersten Anpassungseffekte vorüber sind.

Insgesamt dürfte sich die Situation im verarbeitenden Gewerbe durch die höhere Nachfrage nach Investitions- und Konsumgütern weiter stabilisieren. Der Dienstleistungssektor wird wohl mit einem mäßigen Tempo expandieren, gestützt sowohl von konsum- als auch unternehmensnahen Dienstleistungen. Auch der Bausektor erholt sich und wird von dem Infrastrukturpaket profitieren.


Mittelfristige Lichtblicke inmitten hoher Unsicherheit


Aktuell befindet sich die deutsche Wirtschaft im Spannungsfeld zwischen Rückenwind durch die fiskalpolitischen Maßnahmen und Gegenwind durch die Zölle, wobei letztere mit deutlich höherer Unsicherheit behaftet sind. Derzeit erscheint es am wahrscheinlichsten, dass die positiven Effekte der fiskalpolitischen Maßnahmen überwiegen und somit eine leichte Erholung in diesem Jahr sowie ein kräftigeres Wachstum im nächsten Jahr stützen. Die zusätzlichen Investitionen allein reichen jedoch nicht aus, um nachhaltig Wirkung zu erzielen. Vielmehr sind strukturelle Reformen erforderlich, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft langfristig zu stärken. Auf europäischer Ebene sollte der neue EU-Wettbewerbsfähigkeitskompass mit seinem Fokus auf Innovation, Energie und Verteidigung den europäischen Wirtschaftsraum insgesamt stärken und resilienter machen.

In naher Zukunft bleibt das größte Risiko die Handelspolitik der USA und somit die Höhe der US-Importzölle. Weitere Erhöhungen würden die Wachstumsdynamik im kommenden Jahr gefährden. Hier ist auf eine Handelsvereinbarung zwischen den USA und der EU zu hoffen.