Die deutsche Wirtschaft ist in den vergangenen zwei Jahren auf der Stelle getreten. Dieses Jahr dürfte die wirtschaftliche Aktivität wieder leicht zunehmen, vor allem dank der Unterstützung durch die Geldpolitik. Strukturelle Herausforderungen werden dennoch die Wachstumsdynamik begrenzen.
Seit Ende 2022 ist die Wirtschaftsleistung Deutschlands rückläufig. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, seine Auswirkungen auf die Energieverfügbarkeit und -preise sowie die hohe Inflation bremsten hierzulande die wirtschaftliche Aktivität im Jahr 2023. Anschließend verhinderten 2024 die Auswirkungen der restriktiveren Geldpolitik und die hohe Unsicherheit ein dynamischeres Wachstum. Zu der konjunkturellen Schwäche kommen noch strukturelle Probleme wie hohe Bürokratie-Belastung, hohe Energiepreise und der Zustand der Infrastruktur.
Für dieses Jahr erwarten wir, dass der wirtschaftliche Gegenwind sich etwas mildern wird. Jedoch herrscht Unsicherheit bezüglich zahlreicher Faktoren: Dazu zählen vor allem die US-Handelspolitik und der wirtschaftspolitische Kurs in Deutschland nach der Bundestagswahl. Um der hohen Unsicherheit Rechnung zu tragen, sollten Konjunkturprognosen in Szenarien gedacht werden. Deloitte Research hat drei verschiedene Konjunkturszenarien für 2025 basierend auf dem Oxford Global Economic Model entwickelt.
Abbildung 1: Deloitte BIP-Prognosen für 2025 (Veränderung in Prozent)
Das Basisszenario geht von einer leichten, konsumgetriebenen Erholung aus, in der das BIP um +0,4 Prozent steigt. Die EZB hatte im Sommer 2024 den Zinssenkungszyklus begonnen und somit eine etwas weniger restriktivere Geldpolitik eingeläutet. Die Zinsschritte werden voraussichtlich mit gleichem Tempo (25 Basispunkte) fortgesetzt, und das neutrale Zinsniveau (von 2,0%) wird bis zum dritten Quartal dieses Jahres erreicht. Dies reduziert den Sparanreiz der privaten Haushalte, die zuletzt vermehrt Geld zur Seite gelegt haben. Ein weiterer Anstieg der Reallöhne – auch wenn er geringer ausfällt als im Vorjahr –, der weitgehend stabile Arbeitsmarkt sowie die hohen Ersparnisse der Bürger:innen dürften den privaten Konsum zusätzlich ankurbeln.
Zudem gehen wir im Basisszenario davon aus, dass sich die Investitionstätigkeit 2025 nach einem starken Rückgang im Vorjahr stabilisiert. Vor allem erhöhen die niedrigeren Zinsen die Anreize für Investitionen. Zudem besteht in diesem Szenario die Annahme, dass die wirtschaftspolitische Unsicherheit sich durch die Neuwahlen reduziert und für mehr Planungssicherheit für Unternehmen sorgt. Es wird davon ausgegangen, dass die künftige Bundesregierung einige der strukturellen Probleme (wie den Bürokratieabbau und hohe Energiepreise) angeht und sich dadurch die Wachstumsperspektiven verbessern. Ferner belebt die robuste weltweite wirtschaftliche Aktivität die Exporttätigkeit leicht, insbesondere in Europa, wo sich die Wachstumsdynamik erholt. In diesem Szenario bleiben die geopolitischen Spannungen weitgehend unverändert.
Im Großen und Ganzen dürfte sich die Situation im verarbeitenden Gewerbe durch die höhere Nachfrage für Investitions- und Konsumgüter stabilisieren. Der Dienstleistungssektor wird wohl mit einem mäßigen Tempo expandieren, gestützt insbesondere von konsumnahen Dienstleistungen. Auch im Bausektor dürfte die Talsohle durchschritten sein.
In dem Negativszenario stagniert die Wirtschaftsleistung (+0,0 Prozent). Insbesondere bleibt die wirtschafts- und geopolitische Unsicherheit hoch. Die Koalitionsverhandlungen verlaufen schleppend und eine neue Regierung kommt nicht oder verspätet zustande, weshalb nur wenige Maßnahmen umgesetzt werden. Zudem spitzen sich die geopolitische Lage und die Handelsstreitigkeiten zu. Die Exporttätigkeit bleibt daher schwach.
In diesem Szenario gewinnen die Konsumausgaben nur moderat an Fahrt, da die Sparneigung wegen der nach wie vor hohen Unsicherheit hoch bleibt. Die Investitionen leiden ebenfalls unter der ausgeprägten Unsicherheit und wirtschaftspolitischen Tatenlosigkeit; die strukturellen Herausforderungen werden nicht angegangen. Somit kann sich der Industriesektor nicht erholen und das dynamische Wachstum im Dienstleistungsbereich verlangsamt sich. Insgesamt verschlechtert sich die Arbeitsmarktsituation durch einen Anstieg der Kurzarbeit und höhere Arbeitslosigkeit.
In dem Positivszenario beträgt das Wachstum des BIP +0,8 Prozent. Die neue Bundesregierung initiiert umfassende wirtschaftliche Reformen, und die Wettbewerbsfähigkeitsinitiativen der Europäischen Union zeigen Wirkung. Zudem entspannt sich die geopolitische Lage, insbesondere die Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China. Dadurch reduziert sich die Unsicherheit deutlich und die mittelfristigen Wachstumsperspektiven verbessern sich.
Die privaten Haushalte fühlen sich sicherer und ihre Sparlaune sinkt spürbar, die Konsumausgaben werden signifikant erhöht. Ebenso sind die Unternehmen zuversichtlicher und neigen zu mehr Investitionen. Die weltweite Nachfrage bleibt robust. Insgesamt kann sich der Industriesektor merklich erholen, während Dienstleistungen moderat weiter expandieren.
Aktuell erscheint das Basisszenario als die wahrscheinlichste Variante: Eine allmähliche Erholung dank nachlassenden konjunkturellen Belastungsfaktoren, jedoch mit weiterhin bedeutenden strukturellen Herausforderungen. Die deutsche Wirtschaftsleistung würde in diesem Szenario gegenüber dem Vorjahr geringfügig zunehmen, bleibt aber nach wie vor weit entfernt von einem dynamischen Wachstum. Dafür müssten die vielseitigen, strukturellen Probleme wie die Bürokratie- last, die schleppende Digitalisierung, der demografische Wandel und der Zustand der Infrastruktur angegangen werden. Maßnahmen in diesen Bereichen helfen, die Produktivität und das Wachstumspotenzial wieder zu steigern und die Stagnation zu überwinden.
Auf europäischer Ebene zeigt der neue EU-Wettbewerbsfähigkeitskompass mit seinem Fokus auf Innovation, Energie und Verteidigung die Herausforderungen und Lösungswege auf. Dieser Impuls sollte an Deutschland nach der Bundestagswahl nicht vorbeigehen, sondern auf nationaler Ebene verstärkt werden.
Die Economic Trend Briefings analysieren die wichtigsten kurz- und langfristigen Herausforderungen sowie die relevantesten Trends für die deutsche Wirtschaft.