Die deutschen Unternehmen wollen in den kommenden Jahren verstärkt im Ausland investieren, wie die Ergebnisse der Fokusfragen aus dem aktuellen Deloitte CFO Survey für den Herbst 2024 zeigen. An der Umfrage, die vom 12. September bis 2. Oktober durchgeführt wurde, nahmen 185 Finanzvorstände deutscher Großunternehmen teil.
Laut den CFOs sollen Investitionen in den kommenden Jahren weniger in Deutschland getätigt werden; stattdessen wird die internationale Präsenz ausgebaut. Aktuell setzen noch 82 Prozent der Unternehmen in Deutschland ihren Investitionsschwerpunkt hierzulande. Doch der Blick in die Zukunft zeigt, dass dieser Anteil in fünf Jahren um 19 Prozentpunkte zurückgehen soll (Abbildung 1). Vor allem große Märkte wie Europa und Nordamerika rücken künftig stärker in den Fokus der Investitionen. Aber auch in Emerging Markets wie Südostasien, Afrika und Indien soll mehr investiert werden. Einzig in China sollen Investitionen – auch aufgrund der schwierigen geopolitischen Lage – zurückgefahren werden.
Bei den Investitionsplänen sind allerdings deutliche Unterschiede zwischen den Branchen zu beobachten. So will das Verarbeitende Gewerbe in den kommenden fünf Jahren vor allem seine Präsenz in Nordamerika ausbauen. Aktuell setzten 20 Prozent der Unternehmen dort ihren Investitionsschwerpunkt, in fünf Jahren sollen es bereits ein Drittel sein. Hier sind es vor allem die Automobilbranche und der Maschinenbau, die verstärkt auf der anderen Seite des Atlantiks investieren wollen. Von einem bisher noch sehr niedrigen Niveau soll Afrika als Standort für das verarbeitende Gewerbe am zweitstärksten wachsen – aktuell setzt dort noch kein Unternehmen seinen Schwerpunkt, in fünf Jahren werden es voraussichtlich schon 8 Prozent sein. Getrieben ist dieser Trend vor allem durch die Chemieindustrie, fast ein Viertel der Teilnehmenden wollen in fünf Jahren ihren Investitionsschwerpunkt dort setzen. Das Engagement in China soll für die Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes dagegen in Zukunft besonders stark zurückgehen, dies betrifft vor allem Chemie und Maschinenbau.
Auch der Dienstleistungssektor plant, sich von seinem aktuell noch starken Investitionsfokus auf Deutschland umzuorientieren. In fünf Jahren wollen nur noch zwei Drittel der Unternehmen primär in Deutschland investieren, ein Rückgang von aktuell noch 90 Prozent. Stattdessen orientiert sich der Sektor stärker in Richtung Indien, Europa und Südostasien. Auch der Handel und die Konsumgüterindustrie wollen ihre Investitionen in Südostasien ausbauen.
Für Großunternehmen mit über einer Milliarde Euro Umsatz überholt Europa sogar Deutschland als Investitionsziel. Weniger als die Hälfte der Finanzvorstände aus diesen Unternehmen plant, in fünf Jahren noch ihren Investitionsschwerpunkt in Deutschland zu setzen. Stattdessen soll vermehrt in Afrika, Indien und Europa investiert werden.
Hauptmotivation für die Umorientierung der Unternehmen in Richtung Ausland sind vor allem der bessere Zugang zu internationalen Märkten und die kostengünstigeren Produktionsbedingungen (siehe Abbildung 2). Die Diversifikation von Risiken ist ebenfalls ein wichtiger Faktor und dürfte die neuen geopolitischen Spannungen widerspiegeln, auf die die Unternehmen mit einer Veränderung ihres globalen Fußabdruckes reagieren.
Für das verarbeitende Gewerbe sind die kostengünstigeren Produktionsbedingungen überdurchschnittlich relevant. Über die Hälfte der Teilnehmenden aus der Automobilbranche tätigt Investitionen im Ausland mit dem Ziel, ihre Produktionskosten zu senken. In der Konsumgüterindustrie sind es sogar fast zwei Drittel, die deshalb Investitionen außerhalb von Deutschland tätigen. Im Maschinenbau bewegt zudem noch der bessere Zugang zu Rohstoffen und Energie über ein Viertel der Unternehmen zur Abwanderung. Das Dienstleistungsgewerbe sucht hingegen im Ausland verstärkt nach strategischen Partnerschaften, um internationale Absatzmärkte zu erschließen.¹ Für Banken und Versicherungen ist hier die Risiko-Diversifikation überdurchschnittlich wichtig.
Allerdings gehen mit den Chancen der Auslandsinvestitionen auch Risiken einher. Abbildung 3 zeigt, dass CFOs diese vor allem im Bereich von Regulatorik und Compliance sehen, aber auch neue Handelsbarrieren, wie zum Beispiel Zöllen oder Sanktionen, werden hier als kritisch erachtet.
Dieser Aspekt ist vor allem für die eher Export-getriebenen Großunternehmen relevant. Hinzu kommt, dass sich diese Firmen eher dem Risiko von politisch motivierter Benachteiligung gegenüber lokalen Unternehmen ausgesetzt sehen. Auch das traditionell export-orientierte Verarbeitende Gewerbe ist stark von potenziellen Handelsrisiken betroffen. Passend dazu sehen die CFOs aus der Chemie und dem Maschinenbau hohe Risiken in der potenziellen Unterbrechung der Lieferketten. Für die Automobilindustrie ist zudem die Gefährdung ihres geistigen Eigentums durch ihre Auslandsinvestitionen ein Thema. Für Banken und Versicherungen ist die mangelnde Datensicherheit im Ausland ein Risiko.
Aufgrund der genannten Risiken bewerten die CFOs ihr Engagement im Ausland durchaus differenziert. Auch wenn Produktionserweiterungen tendenziell eher international angesiedelt werden sollen, will die Mehrheit der Unternehmen Investitionen in IT sowie in Forschung und Entwicklung eher in Deutschland tätigen (siehe Abbildung 4).
Vor allem die Dienstleistungsbranche und hier besonders die Banken und Versicherungen zeigen Vorsicht bei IT-Investitionen und planen, diese entsprechend weiterhin lokal vorzunehmen. Selbst exportorientierte Firmen, die ihren Umsatz mehrheitlich im Ausland erwirtschaften, wollen ihre Investitionen in IT und Innovation in Deutschland halten.
Die Verschiebung der Investitionsschwerpunkte weg aus Deutschland ins Ausland macht die strukturellen Herausforderungen deutlich, mit denen die deutschen Unternehmen derzeit umgehen müssen. Einerseits dienen die Investitionen der Erschließung oder Erweiterung von Märkten und können von daher positive Effekte haben. Auch der Trend, dass Unternehmen hoch wertschöpfende Aktivitäten wie Forschung weiterhin in Deutschland ansiedeln wollen, ist positiv für den Standort.
Allerdings zeigt der allgemeine Trend zur Verlagerung, dass anhaltende wirtschaftliche Schwäche mit fehlender Nachfrage und steigende Produktionskosten verstärkt zu Investitionen im Ausland führen. Vor allem die deutschen Kernindustrien Auto, Maschinenbau und Chemie sind betroffen. Langfristig gesehen bringt eine Verlagerung der Investitionen dieser Sektoren große Herausforderungen für Wachstum und Produktivität in Deutschland mit sich.
¹ Dienstleistungssektor beinhaltet Bankwesen, Medien, Technologie, Telekommunikationsbranche, Tourismus, Transport & Logistik und die Versicherungsbranche
Samuel Günther
Senior | Economics