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Economic Trend Briefing: Industrie fällt weiter ab, Dienstleistungen resilient – Flash-Ergebnisse des Deloitte CFO Survey Herbst 2024

Die konjunkturelle Erholung, die sich noch im Frühjahr angedeutet hatte, ist nicht eingetreten. Im Gegenteil: Die Ergebnisse des aktuellen CFO-Survey für den Herbst 2024 zeigen, dass sich die Aussichten der deutschen Unternehmen im Vergleich zur letzten Befragung im Frühjahr 2024 erneut verschlechtert haben. An der Umfrage, die vom 12. September bis zum 2. Oktober durchgeführt wurde, nahmen 185 Finanzvorstände deutscher Großunternehmen teil.

Starke Unterschiede zwischen den Branchen prägen nach wie vor das Bild in der deutschen Wirtschaft und vertiefen sich weiter. Das Verarbeitende Gewerbe kämpft weiterhin mit einer schwachen Nachfrage aus dem In- und Ausland, gepaart mit anhaltenden geopolitischen Risiken. Dagegen profitiert der Dienstleistungssektor von Nachholeffekten und einem veränderten Konsumverhalten nach der Corona Pandemie. Die Investitions- und Beschäftigungspläne unterscheiden sich aufgrund der Zweiteilung der Wirtschaft stark zwischen Industrie und Dienstleistungen; im Durchschnitt der Unternehmen stagnieren die Pläne für Investitionen und Beschäftigung und folgen damit nicht unmittelbar dem negativen Trend der Geschäftsaussichten. Dies ist immerhin ein Hoffnungsschimmer in einer sonst trüben konjunkturellen Lage.

 

Keine Erholung in Sicht für angeschlagene Branchen


Die Geschäftsaussichten haben sich im Vergleich zum Frühjahr erneut verschlechtert. Aktuell beurteilen mehr als ein Drittel der Unternehmen die momentanen Aussichten schlechter als noch vor drei Monaten. Der Indexwert – die Differenz der positiven und negativen Einschätzungen – sinkt daher sehr deutlich um 26 Punkte auf aktuell -17 Punkte (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Beurteilung der Geschäftsaussichten
 

Die bereits im Frühjahr erkennbaren starken Branchenunterschiede haben sich fortgesetzt. Der Dienstleistungssektor hält sich mit einem noch knapp positiven Indexwert von 2 weiterhin wesentlich besser als der Durchschnitt der Unternehmen. Das Verarbeitende Gewerbe bleibt dagegen das Sorgenkind: Vor allem die Chemieindustrie rutscht von ihren im Frühjahr noch positiven Aussichten stark ab (Indexwert: -42). In der Automobil- und Maschinenbaubranche verschlechtern sich die Aussichten ebenfalls (Indexwerte: -23 bzw. -19). Einen drastischen Abschwung gab es auch für den Handel und die Konsumgüterindustrie. Nach dem positiven Ausblick im Frühjahr sehen hier die CFOs mittlerweile die stärksten Verschlechterungen (Indexwerte: -67 bzw. -32).

Im Hinblick auf die Unternehmensgröße schneiden die Großunternehmen (> 1 Mrd. € Umsatz) mit einem Indexwert von -13 derzeit nur geringfügig besser ab als der Mittelstand (Indexwert: -19).

 

Anhaltende Risiken bringen Unsicherheit


Die schlechten Aussichten sind vor allem getrieben durch anhaltende Risiken. Die schwache Inlandsnachfrage bleibt aus Sicht der CFOs das größte Risiko – für zwei Drittel der Unternehmen stellt die schlechte Konjunktur in Deutschland ein hohes Risiko dar (siehe Abb. 2). Lediglich die steigenden Kapitalkosten haben seit dem Frühjahr aufgrund des inzwischen eingeleiteten Zinssenkungszyklus der Europäischen Zentralbank (EZB) deutlich an Bedeutung verloren.

Abb. 2: Wichtigste Risiken für Unternehmen in den nächsten zwölf Monaten

Für Großunternehmen und exportorientierte Unternehmen bleiben geopolitische Risiken eindeutig der wichtigste Risikofaktor. Passend zu den positiveren Aussichten ist der Fachkräftemangel im Dienstleistungssektor dagegen weiterhin überproportional relevant. Auch im eher exportorientierten Verarbeitenden Gewerbe steht die mangelnde Auslandsnachfrage weit oben auf der Liste der Risikofaktoren. Für den Handel und die Konsumgüterindustrie ist es dagegen vor allem die schwache Inlandsnachfrage, welche die Aussichten abrutschen lässt.
Immerhin wird das Risiko von starken Preissteigerungen weniger wichtig für die Unternehmen. Die CFOs erwarten, dass die Inflation in den kommenden zwölf Monaten auf 2,8 Prozent zurückgehen wird. Damit liegen die Erwartungen der Finanzvorstände zwar noch über dem Zwei-Prozent-Ziel der EZB und den makroökonomischen Prognosen, aber wesentlich unter den Spitzen der vergangenen zwei Jahre.

 

Investitions- und Beschäftigungspläne stagnieren


Trotz der schlechteren Geschäftsaussichten stagnieren die Kennzahlen der Unternehmen im Durchschnitt weiter auf niedrigem Niveau. Die CFOs erwarten, dass die Umsätze in den kommenden zwölf Monaten weiterhin steigen. Operative Margen dürften mit einem Indexwert von -10 laut den CFOs allerdings deutlich zurückgehen (siehe Abb. 3). Pläne für Investitionen und Beschäftigung stagnieren auf gleichbleibendem Niveau im ganz leicht negativen Bereich (Indexwerte: -1 bzw. -5).

Abb. 3: Veränderung der Kennzahlen für Unternehmen
 

Auch in den Kennzahlen spiegelt sich die unterschiedliche Betroffenheit der Branchen wider. Die Aussichten im Dienstleistungssektor sind positiv, mit starkem geplanten Wachstum von Investitionen und Beschäftigung. Fast die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen aus diesem Sektor will stärker investieren und mehr einstellen.

Im Verarbeitenden Gewerbe dürften dagegen Beschäftigung und Investitionen zurückgehen. Vor allem die Automobilindustrie ist negativ betroffen. Hier wollen über die Hälfte der Unternehmen weniger investieren und fast alle teilnehmenden Unternehmen wollen Beschäftigung abbauen.

Die Großunternehmen wollen zwar im Durchschnitt in den kommenden zwölf Monaten stärker investieren, gleichzeitig aber auch Beschäftigung abbauen. Im Mittelstand soll insgesamt sowohl etwas weniger eingestellt als auch weniger investiert werden.

 

Der Ausblick bleibt ungewiss


Die schlechten Aussichten und die entsprechend zurückhaltende Planung spiegeln die Unsicherheiten wider, von denen vor allem das Verarbeitende Gewerbe in Deutschland betroffen ist. Starke internationale Konkurrenz, geopolitische Risiken und höhere nationale Produktionskosten stellen die Industrie in Deutschland vor schwierige strukturelle Herausforderungen und führen dazu, dass die Industrieproduktion nach wie vor deutlich unter dem Vor-Corona-Niveau liegt. Aktuell fällt die Industrie als Wachstumstreiber für die deutsche Wirtschaft aus.

Dennoch dürfte es im kommenden Jahr auch positive Impulse für die Konjunktur geben. Die rückläufige Inflation macht weitere Zinssenkungen wahrscheinlich, die Investitionen und Konsum stützen können. Auch die Konsumentenstimmung hat sich seit den Negativrekorden zu Jahresbeginn wieder etwas verbessert, die Realeinkommen steigen. Damit sind die Grundlagen für einen konsumgetriebenen Aufschwungs grundsätzlich intakt, wenn auch durch hohe Unsicherheiten gebremst. Zudem bleiben die anhaltenden geopolitischen Spannungen und politischen Unsicherheiten weiterhin entscheidende Risiken für die kurzfristige konjunkturelle Entwicklung.

 

Anprechpartner Research:

Samuel Günther

Senior | Economics

samguenther@deloitte.de

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