Im Herbst 2022 schienen Abschwung und Rezession unvermeidlich. Der entsprechende CFO Survey zeigte noch vor einem halben Jahr ein düsteres Bild der wirtschaftlichen Stimmung, die nahe an den Tiefpunkten der Corona-Krise lag. Der Krieg in der Ukraine, die hohe Inflation und die akute Energiekrise spielten dabei zentrale Rollen. Im Frühjahr 2023 sieht die Situation zumindest vorsichtig positiv aus, wie der aktuelle Deloitte CFO Survey zeigt. An der Umfrage, die vom 3. bis 24. März durchgeführt wurde, nahmen 140 Finanzvorstände deutscher Großunternehmen teil.
Auch wenn der Krieg in der Ukraine andauert und die Inflation hierzulande hoch bleibt, hellt sich die Stimmung unter den Unternehmen auf. Die Geschäftsaussichten sowie Investitions- und Einstellungspläne erholen sich. Das dürfte nicht zuletzt damit zu tun haben, dass die befürchtete Gasknappheit ausgeblieben ist, während gleichzeitig fallende Energiepreise und die Öffnung der Wirtschaft in China unerwarteten konjunkturellen Rückenwind verliehen. Allerdings bleiben die Risiken hoch, vor allem im Hinblick auf den engen Arbeitsmarkt und die geopolitischen Spannungen.
Deutlicher Aufwärtstrend bei Unternehmensstimmung
Im Vergleich zum Herbst konnte sich der wirtschaftliche Ausblick stark erholen. Die Geschäftsaussichten sind aus dem extrem negativen in den positiven Bereich zurückgekehrt (Indexwert: +14%). Die Anzahl der Unternehmen mit positiven Geschäftsaussichten liegt somit viermal höher als letzten Herbst und übertrifft die Zahl der Unternehmen mit negativen Aussichten.
Frage: Wie beurteilen Sie die momentanen Geschäftsaussichten Ihres Unternehmens im Vergleich zu den Aussichten von drei Monaten?
Die Erholung verläuft allerdings sehr branchenspezifisch, einige Branchen konnten sich sehr viel schneller erholen als andere. Der positive Umschwung wird vor allem im Dienstleistungssektor sehr deutlich. Fast die Hälfte der Finanzvorstände aus dem Dienstleistungssektor1 sieht die Aussichten aktuell besser als noch vor drei Monaten. Vor allem in der Technologiebranche ist eine Erholung zu beobachten (Indexwert: +23%). Wesentlich schlechter ist die Situation in der Immobilienbranche sowie in der Maschinenbaubranche: In beiden Sektoren belasten steigende Zinsen, hohe Preise für Rohstoffe und zurückgehende Nachfrage den Ausblick. Schlusslicht bildet der Handel. Ein Drittel der Unternehmen aus der Branche gaben an, dass die Geschäftsaussichten aktuell schlechter sind als noch vor drei Monaten.
Im Kontrast zum Durchschnitt ist die Lage auch für Großunternehmen mit über einer Milliarde Euro Umsatz negativer. Ein Drittel der befragten Finanzvorstände aus dieser Kategorie sehen eine Verschlechterung der Geschäftsaussichten für ihr Unternehmen im Vergleich zu drei Monaten zuvor. Dies dürfte damit zu tun haben, dass Großunternehmen besonders stark von der Unsicherheit im internationalen Umfeld betroffen sind.
Beschäftigung und Investitionen sollen wieder steigen
Eine Mehrzahl der Unternehmen erwartet konsistent mit dem Aufwärtstrend steigende Umsätze (Indexwert: +40%). Allerdings erwarten die Finanzvorstände gleichzeitig, dass die operativen Margen stagnieren, was nicht zuletzt eine Folge der andauernden Inflation sein dürfte.
Die künftige Entwicklung der Inflation sehen die Finanzvorstände trotz des aktuellen Rückgangs eher skeptisch. Sie rechnen für die nächsten zwölf Monate mit einer immer noch sehr hohen Inflation von im Durchschnitt 6.3 Prozent, was sehr weit von dem Zwei-Prozent-Ziel der EZB entfernt wäre.
Trotzdem kehren die Beschäftigungs- und Investitionsbereitschaft in den leicht positiven Bereich zurück (Indexwerte: +9% bzw. +4%). Allerdings gibt es auch hier große Unterschiede zwischen den einzelnen Sektoren. Am stärksten sollen Beschäftigung und Investitionen im Technologiesektor steigen. Im Handel wird dagegen ein Rückgang beider Werte erwartet.
Frage: Wie werden sich Ihre Ansicht nach die folgenden Kenngrößen und Kennzahlen für Ihr Unternehmen über die nächsten Zwölf Monate verändern? Indexwerte*
Im Vergleich zum Durchschnitt sind auch hier die Pläne von Großunternehmen wesentlich restriktiver. Der Indexwert für Beschäftigung und Investitionen steht bei jeweils minus 18 Prozent bzw. minus 10 Prozent.
Risiken: Arbeitsmarkt und Geopolitik
Unter den wichtigsten Risiken dominieren auch weiterhin der Fachkräftemangel und steigende Lohnkosten, die zwei Top-Risiken der befragten CFOs. Überraschend vor dem Hintergrund des Zinserhöhungszyklus und der heftigen Wechselkursschwankungen ist, dass steigende Kreditkosten und Wechselkursrisiken nur einer Minderheit der Unternehmen Sorge bereiten.
Frage: Welche der folgenden Faktoren stellen für Ihr Unternehmen in den nächsten Monaten ein hohes Risiko dar?
Die geopolitischen Spannungen rangieren auf Platz drei, sind allerdings speziell für Großunternehmen das wichtigste Risiko auf Sicht von zwölf Monaten. Dass die Angst vor der Rezession noch nicht völlig verschwunden ist, zeigt sich daran, dass nachlassende Inlandsnachfrage noch immer für über die Hälfte der Unternehmen ein großes Risiko darstellt. Vor allem die Konsumgüterindustrie und der Handel sind von der Inlandsnachfrage abhängig: 90 Prozent bzw. 89 Prozent der befragten Finanzvorstände sehen in der zurückgehenden Nachfrage ein hohes Risiko. Zunehmende Regulierung ist dagegen für den Maschinenbau wichtiger – 60 Prozent gaben an, dort ein hohes Risiko zu sehen.
Insgesamt zeigt der CFO Survey Frühjahr 2023 eine deutliche Besserung der wirtschaftlichen Aussichten. Inwiefern dies in einer nachhaltigen Trendumkehr mündet, bleibt wegen der hohen Unsicherheit unklar. Aber die verbesserten Geschäftsaussichten sowie das positive Bild bei Beschäftigungsabsichten und Investitionsbereitschaft deuten auf ein Ende der akuten Krise hin und lassen auf einen sich anbahnenden Aufschwung in der zweiten Jahreshälfte hoffen.
1 Beinhaltet: Banken, Versicherungswesen, Technologie, Telekommunikation, Tourismus, Transport & Logistik
Ansprechpartner Research:
Samuel Günther
Professional | Economics
Die Economic Trend Briefings analysieren die wichtigsten kurz- und langfristigen Herausforderungen sowie die relevantesten Trends für die deutsche Wirtschaft.