Ein wichtiger stabilisierender Faktor in der Corona-Rezession war der Arbeitsmarkt. Dank vielfältiger politischer Maßnahmen konnte die Beschäftigung trotz des tiefen wirtschaftlichen Einbruchs weitgehend stabil gehalten werden, mit positiven Auswirkungen auf die Konsumausgaben und die Konjunktur. Der Konjunkturausblick legt nahe, dass dieser positive Trend erst einmal anhalten dürfte. Der langfristige Ausblick für den Arbeitsmarkt wird allerdings vom demographischen und technologischen Wandel geprägt werden, mit möglicherweise überraschenden Effekten.
Trotz der schweren Rezession im letzten Jahr stieg die Arbeitslosigkeit in Deutschland im Jahresschnitt 2020 nur um relativ moderate 0,9 Prozentpunkte auf knapp sechs Prozent an.¹ Auch in der Eurozone war der Anstieg nur sehr gering, nämlich 0,3 Prozentpunkte, auf 7,9 Prozent.² Hinter dieser Resilienz steckten wirtschaftspolitische Maßnahmen, vor allem das Kurzarbeitergeld. Im April 2020 waren nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit gut sechs Millionen Menschen in Kurzarbeit, im Juli 2021 noch ziemlich genau eine Million. Aber auch in Ländern ohne Kurzarbeitergeld war die Erholung auf dem Arbeitsmarkt schnell. In den USA, die Erwerbslose mit direkten Zahlungen unterstützten, verdreifachte sich die Arbeitslosigkeit in der Krise rapide, fiel dann aber auch wieder relativ schnell.
Die Corona-Rezession verlief sehr Sektor-spezifisch, was sich auch in der Beschäftigungsentwicklung widerspiegelt. Am härtesten getroffen hat es das Gastgewerbe, das 15 Prozent seiner Beschäftigten verlor. Die anderen großen Wirtschaftsbereiche entwickelten sich sehr viel stabiler und positiver (Abb. 1). So stieg die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung sowie im Informations- und Kommunikationssektor merklich an, ebenso im Gesundheits- und Sozialwesen. Das verarbeitende Gewerbe verzeichnete dagegen eine leicht abnehmende Beschäftigung.
Allerdings sind es auch das verarbeitende Gewerbe und das Gastgewerbe, die jetzt im laufenden Aufschwung am dringendsten neue Arbeitnehmer suchen. Nach dem Ende des Lockdowns im Mai 2021 stürmten die Deutschen die Restaurants, die Nachfrage im Gastgewerbe stieg rapide an und damit die Anzahl der offenen Stellen.
Die konjunkturelle Entwicklung legt nahe, dass diese Entwicklung erst einmal anhalten dürfte. Deloitte Research geht von einem Wirtschaftswachstum von 3,2 Prozent in 2021 und 4,4 Prozent in 2022 aus. Der Aufschwung begann im zweiten Quartal mit dem Ende des Lockdowns und dürfte in der zweiten Jahreshälfte an Fahrt aufnehmen, womit auch die Nachfrage nach Arbeitskräften weiterhin steigen dürfte. Kurzfristig könnte damit Arbeitskräftemangel zu einer Herausforderung für die Unternehmen werden. Ergebnisse des Deloitte CFO Survey vom Frühjahr 2021 wiesen bereits in diese Richtung: Die Einstellungsbereitschaft der Unternehmen machte im Umfragezeitraum März einen großen Sprung in den positiven Bereich, während die Bedrohung durch den Fachkräftemangel von den Unternehmen bereits wieder zu den Top-3 Risiken gezählt wurde.³
Neben den konjunkturellen Einflüssen auf dem Arbeitsmarkt ist es vor allem der demographische und technologische Wandel, der für die nächsten Jahre prägend sein wird. Aus demographischer Perspektive altert die Erwerbsbevölkerung und nimmt ab, Deutschland dürfte in den 2020er Jahren knapp zehn Prozent seiner Erwerbsbevölkerung einbüßen. Gleichzeitig ändert sich durch den demographischen Wandel aber auch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage – und damit auch die Nachfrage nach Jobs. Der technologische Wandel wiederum bestimmt, welche Jobs zu welchem Grad automatisiert werden können. Die Zukunft des Arbeitsmarktes hängt also zu einem großen Teil vom Zusammenspiel dieser beiden Faktoren ab. Eine kürzlich veröffentlichte Deloitte-Studie hat diese beiden Trends und ihre voraussichtliche Entwicklung bis 2035 untersucht: Bei der Automatisierung stand die Frage im Fokus, wieviel Arbeitszeit in rund 1.000 Berufen und 100 Berufsgruppen ersetzt werden kann, und welche Technologien dabei welchen Einfluss ausüben.⁴ Dieser Analyse wurde eine Projektion der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage nach Berufen 2035 gegenübergestellt. Zwei Trends, die sich aus der Analyse ergeben, betreffen direkt die künftige Struktur des Arbeitsmarktes.
Über alle analysierten Berufe und Berufsgruppen hinweg betrachtet, dürften im Durchschnitt ziemlich genau zwei Drittel der Arbeitszeit weiterhin nur von Menschen zu erbringen sein. Dies vor allem deshalb, weil ein Großteil vieler Berufe aus Tätigkeiten besteht, die Interaktionen mit anderen Menschen erfordern. Umgekehrt könnte somit ein gutes Drittel der Arbeitszeit durch Technologien ersetzt werden. Von den sechs in der Studie betrachteten Schlüsseltechnologien erweisen sich Robotics und Data Analytics als diejenigen, die den größten Einfluss auf die Berufswelt von morgen haben werden und die Automatisierung entscheidend vorantreiben dürften.
Wenn man diese Ergebnisse mit der voraussichtlichen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage nach Berufen 2035 kombiniert, ergeben sich vier Felder, die den Grad der Ersetzbarkeit von Berufen sowie die Veränderung der Nachfrage nach ihnen abbilden. Besonders interessant sind dabei diejenigen Berufe, die einerseits wenig automatisierbar sind, aber gleichzeitig eine größere Nachfrage erleben werden. Diese Jobs der Zukunft liegen vor allem in den Berufsfeldern Gesundheit und Ausbildung, Unternehmensführung und -organisation, sowie Recht und Verwaltung. Der gemeinsame Nenner dieser Berufe liegt darin, dass menschliche Interaktion zentral für eine Vielzahl von Tätigkeiten ist, aus welchen diese Berufe bestehen. Alten- oder Krankenpfleger, Lehrer und Anwälte sind hierfür Beispiele.
Die entscheidende Frage für den Arbeitsmarkt ist allerdings, ob die Automatisierung insgesamt zu Jobverlusten führen wird. Hier gibt es durchaus Anlass zu Optimismus: Eine Simulation ergibt, dass in der Zukunft mehr Berufe geschaffen werden dürften als wegfallen. Der prognostizierte Zuwachs von insgesamt 2,1 Millionen Jobs der Zukunft ist deutlich höher als die Zahl der wegfallenden Arbeitsplätze, so dass bis 2035 netto ein Plus von 1,3 Millionen Jobs entstehen dürfte. Dieses Ergebnis berücksichtigt dabei nicht, welche neuen und heute unbekannten Jobs in den nächsten 15 Jahren entstehen könnten.
Ein Blick auf die Berufsgruppen mit dem jeweils höchsten Zuwachs zeigt, dass der bei weitem größte Teil der neu hinzukommenden Jobs – absolut und relativ – in den Gesundheitsberufen entstehen dürfte. Hier kann mit einem Anstieg von circa 760.000 Jobs bis 2035 (also +26 Prozent) gerechnet werden. Berufe, die sich mit Lehre und Ausbildung beschäftigen, folgen mit einem Plus von knapp 600.000 (+20 Prozent), während die Arbeitsplätze in der Berufsgruppe Unternehmensführung, Recht und Verwaltung ebenfalls sehr deutlich um circa 430.000 wachsen dürften. In diesen drei Berufsgruppen würden damit insgesamt 1,8 Millionen der prognostizierten 2,1 Millionen neuen Arbeitsplätze entstehen.
Daraus ergibt sich insgesamt, dass Arbeitskräfte auch langfristig knapp bleiben dürften und auch die Automatisierung nicht viel daran ändern wird, weil die Nachfrage in personalintensiven Sektoren wie Pflege und Medizin steigt. Dadurch bleibt der Beschäftigungstrend insgesamt positiv, auch wenn der Strukturwandel erheblich sein dürfte. Damit wird der Mangel an Arbeitskräften das bestimmende Arbeitsmarkt-Thema der nächsten Jahre.
¹ Bundesagentur für Arbeit, Der Monatsbericht zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt in Deutschland, Juli 2021, https://statistik.arbeitsagentur.de/Statistikdaten/Detail/202107/arbeitsmarktberichte/monatsbericht-monatsbericht/monatsbericht-d-0-202107-pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=1
² Eurostat, Arbeitslosenquote insgesamt, https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/tps00203/default/table
³ Deloitte CFO Survey Frühjahr 2021. Es geht voran – CFOs planen für den Aufschwung. https://www2.deloitte.com/de/de/pages/finance-transformation/articles/cfo-survey.html
⁴ Deloitte Datenland Deutschland 2020. Die Jobs der Zukunft. Berufswelt 2035 – 5 Trends. https://www2.deloitte.com/de/de/pages/trends/jobs-der-zukunft-berufswelt-2035.html
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