Der Ansatz der Kreislaufwirtschaft impliziert einen ganzheitlichen Blick auf die Wertschöpfung. Durch vielfältige Optimierungen wird dabei nicht nur die Nachhaltigkeit, sondern auch die Wirtschaftlichkeit der Unternehmenstätigkeiten erhöht. Oft wird das Konzept mit den „drei R“ umschrieben (Reduce, Recycle, Reuse), die in sämtlichen Bereichen des Produktzyklus Anwendung finden können – von der Beschaffung über die Produktion bis zu Logistik, Vertrieb und Entsorgung.
Eine Studie der Ellen MacArthur Foundation zeigt, dass Emissionen durch Energieerzeugung 55 Prozent des weltweiten Treibhausgas-Ausstoßes ausmachen und die restlichen 45 Prozent auf die Produktion zurückgehen. Dieser Bereich kann nur durch Kreislaufwirtschaft verbessert werden –damit könnten sich diese Treibhausgasemissionen bis 2050 um bis zu 40 Prozent senken lassen. In einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess werden die endlichen natürlichen Ressourcen geschont und besser genutzt. Zugleich können Risiken in den Lieferketten reduziert werden, und die Resilienz des Systems kann erhöht werden.
Vor dem Hintergrund der aktuellen und sich zukünftig wohl weiter verschärfenden Herausforderungen in Bezug auf die Lieferketten und die Rohstoffversorgung ist dieser Aspekt von besonderer Bedeutung. Auch die sozialen Nachhaltigkeitsaspekte im Rahmen der ESG-Thematik werden durch die Kreislaufwirtschaft unterstützt: Produktionskosten und „Cost of Ownership“ sinken, Produkte werden langlebiger und damit für den Konsumenten nutzwertiger. Durch zirkuläre Ansätze kommen Unternehmen gewandelten Verbraucherwünschen ebenso entgegen wie neuen Anforderungen vonseiten der Investoren und Regulatoren.
Relevant ist in diesem Zusammenhang beispielsweise der EU Green Deal, der Klimaneutralität bis 2050 vorsieht. Dazu kommen Branchen-spezifische Regulationen, die etwa für die Automobilindustrie Recycling-Raten von bis zu 95 Prozent bei Fahrzeugen vorsehen. Darüber hinaus ergeben sich durch die Kreislaufwirtschaft völlig neue Geschäftsfelder mit attraktiven Wachstumsaussichten. Unternehmen können durch diesen nachhaltigen Ansatz zusätzliche Material-Restwerte in ihrer Wertschöpfungskette vereinnahmen, sie differenzieren sich im Wettbewerb, und sie stärken ihre Marke.
Die Finanzfunktion ist durch ihre spezifische Expertise dazu prädestiniert, die zirkuläre Transformation wegweisend mitzugestalten. Ihre zentrale Kompetenz ist es, Geschäftsmodelle zu konkretisieren, Lieferketten und Investitionen zu kontrollieren sowie die zugehörigen Finanzmodelle zu entwickeln. Die Finanzfunktion unterstützt somit ein ganzheitliches Lifecycle-Management an den entscheidenden Schnittstellen.
Für die Integration der Kreislaufwirtschaft in die Finanzabläufe und Steuerungsmodelle haben die Experten von Deloitte ein Konzept auf Grundlage des SCOR-Ansatzes entwickelt (Supply Chain Operations Reference, Association for Supply Chain Management), der um entsprechende zirkuläre Komponenten ergänzt wurde. Die verschiedenen einschlägigen Finanzthemen werden dabei in drei Bereichen im Modell abgebildet. Im ersten geht es um die Planung von Strategie und Portfolio mit Themen wie Business Case, Kapitalallokation und Produktportfolio. Der zweite Bereich umfasst das operationelle Controlling entlang der vier Hauptphasen der zirkulären Lieferkette: 1. Beschaffung (Source), 2. Produktion (Make), 3. Betrieb (Deliver/Run), 4. Wiederverwertung (Return). Der dritte Bereich betrifft das Performance Management mit Themen wie Operating Model, Daten, Organisation und Mitarbeitende. Dieses Modell soll im Folgenden vertieft dargestellt und um Beispiele aus der Sustainability-Praxis von Deloitte ergänzt werden.
Gestaltung und Planung einer Strategie für die Kreislaufwirtschaft erfordern eine weitreichende Beteiligung des Finanzbereichs. Er unterstützt bei der Governance und plant die Allokation von Kapitalmitteln. Außerdem definiert die Finanzfunktion die wesentlichen finanziellen, strategischen und operationellen Maßnahmen, die für das zirkuläre Operating Model nötig sind. Zunächst steht dabei die Entwicklung des Business Case sowie die „Make or Buy“-Entscheidung im Vordergrund, also die Frage, ob Fähigkeiten intern aufgebaut oder extern von Partnern bzw. durch Zukauf bezogen werden sollten.
Beim Aufbau zirkulärer Fähigkeiten ist dabei auch die Alternative „Cost Center vs. Profit Center“ zu prüfen: Der Bereich kann entweder als Service Center strukturiert oder als eigenständige, Gewinn-orientierte Geschäftseinheit aufgestellt werden. Bei der Planung und Kalkulation des Produktportfolios muss die Nachfragesituation auf dem Markt für Sekundärmaterialien ebenso berücksichtigt werden wie die Nutzungsintensität beim Einsatz der Materialien. Alternative Geschäftsmodelle, z.B. im Bereich Recycling, entsprechende Zuständigkeiten und Verwertungsansätze müssen in die Planung der Lieferketten einfließen. Schon beim Produktdesign ist für die Kreislaufwirtschaft eine Reduktion der Komplexität sowie eine Standardisierung der Bauteile anzustreben. Voraussetzung für eine erfolgreiche Transformation ist ein Überblick über den kompletten Produktlebenszyklus.
Ein Deloitte-Kunde aus dem Automotive-Sektor plante die Einführung eines nachhaltigen industriellen Ökosystems und die Transformation von Produktionskapazitäten in einen Circular Economy Hub. Die Finanzfunktion musste hierfür die strategische Planung des Produktportfolios entsprechend anpassen. Bei der Umsetzung wurden Simulationen der unterschiedlichen Produktentwicklungsoptionen durchgeführt. Auf Grundlage einer integrierten Datenbank und einheitlicher Planungsvorgaben wurde die Berechnung der Produktprofitabilität standardisiert. Die Berechnung wurde außerdem mit den Tools zur Steuerung der Treibhausgasemissionen von Fahrzeugen und anderen Produkten verknüpft. Im Ergebnis konnten dadurch die Fahrzeug-spezifischen Planungsparameter besser erfasst werden. Ein Ansatz für CO2-Reporting und CO2-Simulation wurde etabliert. Die Portfolio-Simulation konnte mit Advanced-Analytics-Methoden und zusätzlichen Funktionen auf die Anforderungen der Kreislaufwirtschaft hin optimiert werden.
Für eine effiziente Umsetzung der Kreislaufwirtschaft-Strategie müssen die tatsächlichen Umsatzströme zuverlässig kontrolliert werden. Eine wichtige Aufgabe der Finanzfunktion ist es hierbei, den jeweiligen Materialwert an die Preisfluktuationen am Markt für wiederverwertete und aufbereitete Materialien anzupassen. Nur so können beispielsweise die Materialkosten korrekt erfasst und die erzielbaren Restwerte prognostiziert werden. Durch den Einsatz eines Supply Chain Control Towers können die nötigen operationellen Schritte in den Dimensionen Upstream und Downstream strukturiert umgesetzt werden. Wichtige Finanzaktivitäten betreffen dabei zunächst das Sales & Operations Planning und das Bestandsmanagement. Im Bereich Beschaffung (Source) unterstützt die Funktion beim Tracking von Materialkosten, von Compliance und Komplexität (Variance Tracking). Bei der Produktion (Make) stehen das Performance Management Reporting für Produktionsstätten sowie ein Transformations-Tracking im Vordergrund. Für den Betrieb (Deliver/Run) übernimmt die Finanzfunktion das Risiko-Tracking und erstellt ein Asset-Verzeichnis. Der Aspekt Wiederverwertung (Return) beinhaltet schließlich das Management von Profit Centers, die Gestaltung des Transfer Pricings und die Prognose von Restwerten in den Umsatzströmen.
Ein Kunde aus dem Bereich Consumer Business identifizierte Handlungsbedarf im Hinblick auf mangelnde Transparenz beim Controlling der Produktionskosten. Diese führte zu einer eingeschränkten Vergleichbarkeit entlang der Wertschöpfungskette. Als Abhilfe wurden u.a. die Kostenkalkulationen standardisiert und die Master-Daten harmonisiert. Das Controlling der Lieferketten-Kosten wurde neu aufgestellt, die technische Umsetzbarkeit im ERP geklärt. Dadurch konnten nahtlose Prozesse etabliert werden, die eine SAP S/4HANA-Implementierung ermöglichten. Das wiederum führte zu erhöhter Transparenz und steigerte die Effektivität der Steuerung und der Produktionsprofitabilität. Die Kosten sind nun quer durch die Geschäftseinheiten vergleichbar. Auch entsprechende Benchmarking-Fähigkeiten wurden aufgebaut.
Um den Übergang zur Kreislaufwirtschaft effektiv unterstützen zu können, muss auch die Finanzfunktion selbst entsprechend befähigt werden. Dazu gehören Anpassungen des Steuerungsmodells ebenso wie die Bereitstellung nötiger Data Capabilities, die Entwicklung von Reporting-Fähigkeiten und geeignete KPIs. Entscheidend für eine effiziente zirkuläre Value Chain ist zunächst die Messung kritischer Größen und ein entsprechender Fokus der Steuerung (z.B. auf rentables Wachstum, Kosteneffizienz, Asset-Effizienz). Die Verantwortlichkeiten und Planungsrhythmen müssen geregelt werden. Entsprechende Verhaltensänderungen der Mitarbeiter können u.a. durch geeignete Incentivierungen erreicht werden. Durch verbesserte Zusammenarbeit und Leistungsgespräche soll der Austausch in der ganzen Organisation verstärkt werden, um zirkuläre Innovationen und Insights zu fördern.
Der Finanzbereich bereitet außerdem wichtige Enabler für die Kreislaufwirtschaft vor: Passende operationelle Prozesse und Governance-Strukturen müssen geschaffen werden, die auch externe Partner miteinschließen. Die Erzeugung, Analyse und Überwachung von Nachhaltigkeitsdaten sollte ganzheitlich und quer durch die beteiligten Ökosysteme etabliert werden. Auch das Talent-Management der Funktion muss die Erfordernisse der Kreislaufwirtschaft berücksichtigen und entsprechende Skills entwickeln. Weitere Aufgabenbereiche der Finanzfunktion betreffen das Management von Finanzierungen und Fördermitteln, sowie die Gestaltung eines Preismodells, das die Kreislaufwirtschaft fördert.
Gestiegene strategische Ambitionen und regulatorische Gründe veranlassten einen Kunden aus dem Shipping-Bereich, eine unternehmensweite Nachhaltigkeitstransformation anzugehen. Dieses Projekt startete mit einer Bestandsaufnahme der regulatorischen Situation und der Identifizierung von Verbesserungsoptionen. Auf dieser Grundlage wurden die strategische Vision und das Zielbild erarbeitet. Außerdem wurden die verwendeten KPIs an die externen Vorgaben, die strategischen Prioritäten und die Erfordernisse beim Management der ESG-Ratings angepasst. Im Resultat konnte das Performance Management effektiv auf die regulatorischen Erfordernisse abgestimmt werden. Für sämtliche Handlungsfelder wurden die Nachhaltigkeits-Ambitionslevel bestimmt (u.a. Dekarbonisierung, Kreislaufwirtschaft). Für zukünftige Projekte konnte ein KPI-Katalog abgeleitet werden.
Bei der Entwicklung und Implementierung einer Kreislaufwirtschaft-Strategie bieten die Sustainability-Experten von Deloitte kompetente Unterstützung. Sie sorgen für eine nahtlose cross-funktionale Integration des Ansatzes in die übergeordnete Nachhaltigkeitsstrategie, gestützt auf Fachkenntnis aus dem breit aufgestellten, globalen Netzwerk von Deloitte.
Als erster Schritt zur Umsetzung bietet sich ein Circular Economy Health Check mit quantitativen und qualitativen Assessments an, sowie eine Analyse der Ausgangslage anhand des Deloitte Finance Circularity Maturity Modells. Zum Einsatz kommen dabei Formate wie moderierte Workshops für die Stakeholder. Die Finanzfunktion erhält durch den Check konkrete Empfehlungen und Prioritäten, aus denen dann Maßnahmen für die wichtigen Handlungsfelder abgeleitet werden können – von der strategischen Logik des Business Case bis zu einem erweiterten Finanzdatenmodell. In Deep Dives werden die Finanzthemen vertieft. Das Resultat ist ein Überblick über mögliche Quick Wins ebenso wie eine langfristige Roadmap für die Transformation. Durch ihr proaktives Engagement leistet die Finanzfunktion somit einen wesentlichen Beitrag zu einem erfolgreichen Eintritt in die Kreislaufwirtschaft.
Laden Sie hier die Präsentation Circular Economy – a Look from a Finance Perspective herunter und erfahren Sie mehr über die Rolle der Finanzfunktion in der Kreislaufwirtschaft.