Um seine Dekarbonisierungs-Ziele zu erreichen, benötigt Deutschland bis 2030 weitere Energiewende-Investitionen in Höhe von rund 721 Milliarden Euro. Den Großteil dieser Summe müssen die privaten und öffentlichen Unternehmen der Energiewirtschaft aufbringen.
Konkret heißt das: Es gilt, die bisherige Investitionsquote der Energiewirtschaft beinahe zu versechsfachen. Über Eigenfinanzierung und traditionelle Kredite ist das nicht zu erreichen – dies erlauben weder die Bilanzen der Energieunternehmen noch die Bankenregulierung. Im Rahmen dessen wurden mit dem ersten Positionspapier von Deloitte, dem Bundesverband der Energiewirtschaft (BDEW) und dem Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) gemeinsam mit Unterstützung von der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) Maßnahmen zur Finanzierung der Energiewende erarbeitet.
Mit dem Energiewende-Fonds wurde eine der vorgestellten Maßnahmen nun gemeinsam mit der Energiewirtschaft (BDEW und VKU) in einem weiteren Konzeptpapier konkretisiert.
Die über 2.000 Unternehmen der Energiewirtschaft – darunter insbesondere Stadtwerke, Regionalversorger und Stromkonzerne – sind in der Regel sehr solide finanziert und weisen eine hohe Bonität auf. Derzeit finanzieren sich viele dieser Unternehmen zu etwa 70 bis 80 Prozent über Bankkredite, der Rest der Investitionen wird regelmäßig durch Innenfinanzierung gedeckt. Weiterhin müssen Energieunternehmen massiv in Windkraft und Photovoltaik investieren, um die Ausbauziele bis 2030 zu erreichen. Damit einher gehen auch der Ausbau und die Digitalisierung der Stromnetze. Zudem ist es nötig, die Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge sowie die kommunalen Wärmenetze auf- und auszubauen. Während der Transformationsphase der Energiewende muss außerdem die Versorgungssicherheit gewährleistet werden, indem auch weiterhin in konventionelle Kraftwerke und Gasnetze investiert wird. Für Stadtwerke gilt darüber hinaus, dass sie auch Investitionsmittel für andere kommunale Aufgaben benötigen. Über die nächsten ein bis zwei Jahrzehnte hinweg werden in der Energiewirtschaft also deutlich erhöhte Investitionen anfallen.
Der erste Schritt sollte sein, Eigenkapital und Innenfinanzierung der Energieunternehmen zu stärken. Die Möglichkeiten hierfür sind von Unternehmen zu Unternehmen sehr verschieden und haben ihre Grenzen. So können zum Beispiel nicht alle Anteilseigner ihre Einlagen erhöhen. Auch den Cashflow verbessernde Maßnahmen wie konsequentes Profit-Management und Betriebskostensenkungen durch Kooperation kleinerer Unternehmen müssen im Einzelfall betrachtet werden und sind oft nur eingeschränkt möglich.
Bisher sind Investitionen in die Energiewende weitgehend kreditfinanziert. Weil aber die Investitionstätigkeit und damit die Finanzierung in den kommenden Jahren um ein Vielfaches gesteigert werden müssen, würde die vermehrte Aufnahme von Fremdkapital die Eigenkapitalquote der Unternehmen senken. Dadurch würde es für die Unternehmen immer schwieriger, weitere Kreditgeber zu finden. Um auch zukünftig für Kreditgeber attraktiv zu sein, muss in vielen Unternehmen zunächst die Eigenkapitalquote wieder erhöht werden.
Dafür muss privates Kapital mobilisiert werden, dass jedoch in einem direkten Wettbewerb mit anderen Investitionsmöglichkeiten steht. Hier setzt der Energiewende-Fonds (EWF) an: Er adressiert den hohen Eigenkapitalbedarf öffentlicher und privater Energieunternehmen. Da Eigenkapital aufgrund eines höheren Risikos das teuerste Kapital auf dem Finanzmarkt ist, sollen professionelle Fondsstrukturen sowie staatliche flankierende und risikominimierende Maßnahmen (wie finanzielle Garantien oder Bürgschaften durch Bund und Länder) für Konditionen sorgen, die sowohl für die Kapitalnehmer als auch für die Kapitalgeber attraktiv sind.
Der Vorteil: Insbesondere institutionelle Anleger erhalten mit staatlich abgesicherten Projekten ein attraktives Risiko-Rendite-Profil und gleichzeitig können Energieunternehmen privates Kapital generieren, ohne dass dadurch ihre Eigentümerstruktur dauerhaft geändert wird. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass dies mit Anforderungen bezüglich Energiewende-Beitrag, Taxonomie-Konformität (bzw. Taxonomie-Fähigkeit) und Investorenschutz einhergeht, die Prozessaufwand in den Energieunternehmen bzw. Projektgesellschaften erfordern. Der EWF soll dabei befähigen, die nötigen Prozesse effizient zu gestalten und spezifisches Wissen aufzubauen. Die Anfangsgröße für den EWF sehen wir im zweistelligen Milliardenbereich, bei rund 30 bis 50 Milliarden Euro. Damit könnte ein wesentlicher Teil des langfristigen zusätzlichen Eigenkapitalbedarfs der Energieunternehmen gedeckt werden. Der Energiewende-Fonds hat somit das Ziel des De-Riskings der Investitionen bei gleichzeitiger Kostenreduzierung, Standardisierung und Bündelung der zu finanzierenden Projekte. Staatliche Flankierungsmaßnahmen wie Garantien und Bürgschaften steigern hierbei die Attraktivität des Risiko-Rendite Profils von Energiewendeinvestitionen für institutionelle Investoren.
Hans-Jürgen Walter, Global Leader Sustainable Finance bei Deloitte, betont, dass der Energiewende-Fonds zukünftig auch Fremdkapitalfinanzierung fördern soll:
Die Energiewende wird nur gelingen, wenn Energieunternehmen sämtliche verfügbaren Finanzierungsmöglichkeiten nutzen – dies betrifft die Stärkung der Innenfinanzierung ebenso wie Eigenkapitalerhöhungen und die Aufnahme zusätzlichen Fremdkapitals. Angesichts der bereits weitgehend ausgeschöpften Schuldentragfähigkeit vieler Unternehmen konzentriert sich der EWF zunächst auf die Stärkung des Eigenkapitals und die daraus resultierenden Hebeleffekte für die Kreditaufnahme.