Die neue Ära der deutschen Industrie beginnt offiziell auf der Hannover Messe 2011. Von der Bundesregierung als Zukunftsprojekt eingeführt, bezeichnet das Schlagwort „Industrie 4.0“ die Transformation des produzierenden Gewerbes durch eine Vielzahl digitaler Innovationen. Die Ziffernfolge 4.0 betont die Bedeutung dieses bahnbrechenden Innovationsschritts in der Wirtschaft: Nach der Verwendung von Maschinen und Dampfmotoren im 19. Jahrhundert („Industrie 1.0“) folgt Anfang des 20. Jahrhunderts die Einführung des Fließbands und mechanisierter arbeitsteiliger Abläufe (Industrie 2.0).
Mit dem Einsatz von Computern und der Automatisierung durch Roboter seit den 1970er- und 1980er-Jahren beginnt die Industrie 3.0. Heute tritt die industrielle Entwicklung mit dem Schlagwort Industrie 4.0 in ihren vierten, grundlegenden Umbruch ein, in der eine umfassende Digitalisierung der Produktionsprozesse der Fertigung und Geschäftsmodelle die Schlüsselrolle spielen. Das Internet, leistungsfähige und gleichzeitig preiswerte Prozessoren, digitale Sensoren und die sekundenschnelle Vernetzung kompletter Prozesse schaffen die Möglichkeiten diese Prozesse grundlegend zu optimieren bzw. zu revolutionieren. Die industrielle Produktion wird selbststeuernd und intelligent.
Flexibel, dynamisch, digital – das sind die leitenden Prinzipien der neuen Produktion, die direkt bis zum Endverbraucher durchschlagen. Bestimmte Artikel können Kunden bereits beim Einkauf in bisher nicht gekannter Weise nach ihren individuellen Wünschen personalisieren. Ein Beispiel dafür ist die Individualisierung von Schuhen durch Online-Konfiguratoren im Internet. Sogar „Losgröße 1“ ist für die Industrie jetzt machbar!
Noch vor kurzem wäre ein solcher Ansatz unwirtschaftlich gewesen. Doch umfassende Digitalisierung und intelligente Maschinen ermöglichen inzwischen eine granulare Fertigung von Werkstücken bis hin zu Einzelexemplaren, etwa mithilfe von 3D-Druckern für individuelle Produkte. Damit einhergehen in der Smart Factory eine optimierte Maschinennutzung und ein geringerer Verbrauch von Energie. Mithilfe modernster Sensoren wird der Verschleiß selbsttätig überwacht und die Wartung perfektioniert: Industrie 4.0 bedeutet höchste Effizienz aller Systeme dank Predictive Maintenance – mit dem Ziel „zero downtime“.
Möglich wird die 24/7-Auslastung im Advanced Manufacturing durch den automatisierten Datenaustausch im „industriellen Internet“. Der Maschinenpark organisiert sich selbst, Algorithmen lösen selbsttätig Bestellvorgänge aus, und integrierte Lieferketten laufen flüssig und organisch ab. Live Tracking der Produkte dank Echtzeit-Daten führen zusätzlich noch zu einer rationelleren Logistik.
Beispiele für eine markterprobte, erfolgreiche Digitalisierung in der Produktion gibt es bereits. Die Deloitte-Studie Manufacturing 4.0: Meilenstein, Must-Have oder Millionengrab? zeigte, dass immer ein Faktor dabei von besonderer Bedeutung war: die konsistente Integration der Digitalisierung in alle Produktionsbereiche.
Die folgenden Use Cases zeigen das Potenzial der Technologien und Wege, wie solche Systeme effizient in die Produktion integriert wurden.
Intelligente Fabriken und ganzheitliche Produktionsabläufe: schon technisch ist die Industrie 4.0 für die Wirtschaft ein Meilenstein mit gewaltigem Potenzial. Aber die unternehmerischen Fragen gehen weit über diesen Aspekt hinaus. Denn neben der Ingenieursleistung treten neue Managementaufgaben von großer strategischer Bedeutung in den Vordergrund. Firmen können jetzt Geschäftsfelder erschließen, für die sie bisher nicht geeignet waren – „Services statt Produkte“.
Ein Vorbild sind hier Software-Anbieter, die etwa den Wandel hin zu wiederkehrenden Subskriptionen und Abo-Modellen längst vollzogen haben, etwa mit dem Ansatz „Software as a Service“. Der Vorteil für den Kunden: Statt einer großen Anschaffung stehen niedrige regelmäßige Zahlungen an. Wartung und Updates übernimmt der Anbieter. Für diesen ist wiederum der gleichbleibende, gut prognostizierbare Cashflow ein hoch attraktives Umsatzmodell.
Übertragen auf die Industrie bedeutet dies, Erzeugnisse wie industrielle Anlagen und Maschinen nicht mehr nur zu verkaufen, sondern auch zu verleihen, zu vermieten oder zu verleasen. Als Abrechnungsmodell stehen nun, dank neuer Auswertungsmöglichkeiten, auch verbrauchsabhängige bzw. nutzungsintensitätsabhängige Modelle zur Verfügung. Dazu kann ein umfassendes Dienstleistungspaket angeboten werden. Der Kunde braucht sich dann um Wartung, Wiederverkauf und Kapitalbeschaffung keine Gedanken mehr zu machen.
Während technische Innovationen, in diesem Fall die Automatisierung der Fertigung, in Deutschland traditionell eine Stärke sind, findet sich eine entsprechende Erweiterung des Geschäftsmodells in der deutschen Wirtschaft bislang nur begrenzt wieder. Speziell im Mittelstand gibt es mit Sicherheit noch erhebliche Potenziale, wie die Deloitte-Studie Industrie 4.0 im Mittelstand ergab. Hier wurden Firmen aus Deutschland interviewt, wie sie sich hinsichtlich der Erschließung neuer Geschäftsfelder aufgestellt haben. 90 % der Befragten sehen sich demnach als reine Produzenten, die herstellen und verarbeiten. (Daten-) Handel nennen nur 5% als relevantes Geschäftsmodell, auf das Produkt bezogene Dienstleistungen spielen für 4% eine Rolle. Der Verleih und die Gewährung von Nutzungsrechten sind für lediglich 1% von Bedeutung.
Offensichtlich besteht für die Wirtschaft in Deutschland an dieser Stelle erheblicher Handlungsbedarf. Ein Beispiel dafür, wie sich das Geschäftsmodell eines Unternehmens durch Industrie 4.0 und Digitalisierung erfolgreich ausweiten lässt, liefert der Sportartikel-Hersteller Adidas. Dort wurde mit dem Konzept „Adidas Speed Factory“ das Mass Customizing eingeführt. Neue Lösungen für die Produktion bis Losgröße 1 ermöglichen die wirtschaftliche Herstellung von Artikeln, die der Kunde vorher via Internet individuell konfiguriert hat. Zur digitalen Strategie gehört aber auch die Orientierung hin zum E-Commerce als eigenem Geschäftsbereich. Die Verlagerung von Teilen der Produktion aus asiatischen Ländern in die digitale Hightech-Speed-Factory – und damit näher an Deutschland und die europäischen Märkte – verkürzt die Lieferzeit. Adidas schließt in diesem Prozess den Handel teilweise aus und wird selbst zum Online-Retailer. Die betrieblichen Folgen dieser Veränderungen gehen damit weit über technische Aspekte hinaus.
Grundlegende Änderungen bei Produktionsablauf und Geschäftsmodell haben direkte Konsequenzen für die betrieblichen Strukturen. Diese müssen neu definiert und organisiert werden. Damit sind die Folgen der Transformation zur Industrie 4.0 auch mit erheblichen innerbetrieblichen Anstrengungen verbunden.
Universeller Datenaustausch und Vernetzung weichen traditionelle Abgrenzungen und Prozessdefinitionen auf. Die Auswirkungen reichen sogar über die eigenen Unternehmensgrenzen hinaus. So könnte ein Hersteller nach dem Verkauf einer Fertigungsanlage beim Kunden Nutzungsdaten erheben, um sie für Zwecke der Predictive Maintenance, also zur vorausschauenden Instandhaltung, zu nutzen.
Aber auch andere Auswirkungen sind zu bedenken. Wie werden Datentransfers geregelt? Wem gehören die Rechte an den Daten? Wie bleiben Datenschutzinteresse des Kunden sowie der Schutz des geistigen Eigentums beim Anbieter gewahrt? Welche steuerlichen Folgen hat das? Noch komplizierter wird die Transformation bei mobiler Datenerhebung, etwa bei der Auswertung von Fahrzeugdaten im Connected Car, wenn zum Beispiel EU-Außengrenzen überquert werden.
Die Implikationen, Risiken und nötigen Umstellungen bei der Transformation zur Industrie 4.0 sind frühzeitig einzuplanen, die praktische Umsetzung im Betriebsablauf und ihr Einsatz für neue Geschäftsfelder müssen kontinuierlich begleitet werden.
Handlungsbedarf gibt es in fast allen Unternehmensbereichen:
Die Herausforderungen der vierten industriellen Revolution sind gewaltig. Sicher: Anbieter präsentieren neue netzfähige Maschinen; Konsortien, Forschung und Politik kümmern sich um Standards und Leitlinien. Bei der konkreten Umsetzung der oft disruptiven Möglichkeiten von Industrie 4.0 stehen Unternehmen aber vor einer Aufgabe, auf die sie nur in den seltensten Fällen vorbereitet sind. Denn sie müssen im laufenden Geschäftsbetrieb eine tragfähige Industrie-4.0-Vision entwickeln, den Transformationsprozess antizipieren und zugleich alle damit verbundenen Risiken, Komplikationen und Handlungsfelder im Blick behalten. Eine enorme Herausforderung, zu deren Bewältigung neue Industrie 4.0 Strategien nötig sind, um erfolgreich den Wandel zu gestalten.
Aus diesem Grund hat Deloitte ein ganzheitliches Beratungsmodell entwickelt, das einem interdisziplinären 360°-Ansatz folgt. Unsere Experten greifen dabei auf die Erfahrung unterschiedlicher Disziplinen in verschiedensten Regionen zurück.
So begleitet Deloitte Sie mit gebündelter Energie durch die gesamte „Digital Journey“ auf Ihrem Weg in das 4. industrielle Zeitalter.
Im Deloitte Center for Industry 4.0 werden all diese Kräfte gebündelt und ergänzt. Gemäß dem 360°-Ansatz von Deloitte kommen hier je nach Bedarf die Experten aus den Deloitte Service Lines Audit & Assurance, Tax & Legal, Risk Advisory und Financial Advisory zusammen: geballte Kompetenz für Ihren individuellen Weg in die Industrie 4.0.
Lassen Sie uns gemeinsam Ihre Strategie entwickeln.