Werden im Falle eines Unternehmensverkaufs die zukünftigen Ertragsaussichten des Zielunternehmens von Verkäufer- und Käuferseite unterschiedlich beurteilt, kann unter Umständen mittels einer Earn-Out-Klausel im Kaufvertrag dennoch eine Einigkeit über die Höhe des Kaufpreises erzielt werden.
Der Kaufpreis besteht in diesem Fall aus einem variablen und einem fixen Bestandteil, wobei die Zahlung des variablen Bestandteils an die zukünftige Überschreitung bzw. Erreichung eines vertraglich vereinbarten Schwellenwerts geknüpft wird. Dieser bezieht sich in der Regel auf Gewinnkennzahlen wie EBIT, EBITDA, Gewinn vor Steuern oder den Umsatz.1 Vergleichbar zu sog. „Milestones“ im Venture Capital Bereich liegen somit aufschiebend bedingte Zahlungsansprüche des Verkäufers gegenüber dem Käufer vor.2
Vor dem Hintergrund der grundsätzlich stichtagsbezogenen Besteuerung von Veräußerungsgewinnen stellt sich die Frage, ob eine nachträgliche Kaufpreiszahlung, bedingt durch die Überschreitung des vertraglich vereinbarten Schwellenwerts der Earn-Out-Klausel, auf den Veräußerungszeitpunkt zurückwirkt oder als laufende nachträgliche Einkünfte im Zuflusszeitpunkt zu erfassen ist. Diese Qualifizierung ist unter anderem für die Inanspruchnahme der ermäßigten Besteuerung des Veräußerungserlöses nach § 34 Abs. 3 EStG von Bedeutung, da sie für laufende Einkünfte oder Einkünfte aus ehemaliger Tätigkeit nicht infrage kommt.
Als Besteuerungsstichtag von Veräußerungsgewinnen ist nach ständiger BFH-Rechtsprechung der Tag des wirtschaftlichen Eigentumsübergangs anzusehen.3 Später eintretende Veränderungen des ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreises sind nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19.7.19934 solange und soweit materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen, als der Erwerber seine Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt hat.
Für die Frage des Besteuerungszeitpunktes kommt es somit entscheidend darauf an, welche Verpflichtungen der Verkäufer zum Zeitpunkt der Veräußerung eingegangen ist. Beruht ein später zu zahlender Kaufpreis bzw. eine Kaufpreisänderung auf Gründen, die im ursprünglichen Rechtsgeschäft selbst angelegt sind, dient die nachträgliche Zahlung lediglich der retrospektiven Festlegung des (tatsächlichen) Unternehmenswerts. Die Earn-Out-Zahlung stellt in diesen Fällen eine aufschiebend bedingte Kaufpreisforderung dar, welche bereits im Veräußerungszeitpunkt vereinbart wurde.5
Eine nachträgliche Kaufpreisminderung oder Kaufpreiserhöhung in einem späteren Veranlagungszeitraum stellt somit grundsätzlich ein rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO dar.6 Die Änderungen auf Grund eines rückwirkenden Ereignisses gem. § 175 AO und somit auch im Falle einer nachträglichen Kaufpreisanpassung führt dabei nicht zu einer Verzinsung des nachträglichen Steueranspruchs oder der Steuererstattung.
Anders verhält es sich in Fällen, in denen ein zunächst feststehender Veräußerungspreis nachträglich geändert wird. Der Mehrbetrag ist dann beim Veräußerer erst in dem Veranlagungszeitraum zu erfassen, in dem die Erhöhung vereinbart wurde.
Die Festlegung einer bestimmten Bezugsgröße, die die Höhe der Earn-Out-Zahlung festlegt, ist wesentlicher Bestandteil jeder Earn-Out-Vereinbarung.7 Bezugsgrößen lassen sich grundsätzlich in finanzielle und nicht finanziellen Erfolgsindikatoren unterscheiden. Als mögliche finanzielle Erfolgsindikatoren kommen z.B. Umsatz, Rohertrag, EBIT, EBITDA, aber auch der operative Cash-Flow in Betracht. Nicht finanzielle Erfolgsindikatoren können bspw. die Aufrechterhaltung von Kundenbeziehungen, die Erteilung wichtiger Patente oder die erfolgreiche Entwicklung und Einführung neuer Produkte sein.8 Bei der Festlegung von Bezugsgrößen ist insbesondere eine eindeutige vertragliche Regelung fundamental. Der Vertrag sollte neben der zugrunde zu legenden Rechnungslegung auch eine präzise Begriffsdefinition der Erfolgsindikatoren enthalten.9 Die steuerliche Beurteilung der Earn-Out-Zahlung hängt maßgeblich von der Art der Bezugsgröße ab. Sind in der vertraglichen Ausgestaltung die Entstehung und auch die Höhe des Anspruchs von künftigen Ereignissen abhängig und somit im Veräußerungszeitpunkt ungewiss, entfällt die rückwirkende steuerliche Erfassung.10 Es liegt somit keine Kaufpreisanpassung mehr vor und es kommt zwingend zur Zuflussbesteuerung.
Aufgrund von Earn-Out-Klauseln ist häufig die Gestaltungsfreiheit des Käufers nach Vollzug der Transaktion deutlich eingeschränkt. Da die Earn-Out-Klausel der retrospektiven Feststellung des (tatsächlichen) Unternehmenswerts im Veräußerungszeitpunkt dient, kann die Integration der Zielgesellschaft in eine bestehende Unternehmensgruppe während des Betrachtungszeitraumes erheblich erschwert werden und teilweise auch ausgeschlossen sein.11 Zum Zwecke der Messbarkeit und Überprüfbarkeit der Bezugsgröße soll das erworbene Unternehmen weitgehend unabhängig von den übrigen Unternehmen des Käufers fortgeführt werden.12 Dies kann unter Umständen dazu führen, dass das Synergiepotential nicht vollständig ausgeschöpft werden kann.13 Daneben sieht die Finanzverwaltung die Anknüpfung an die folgende Kontrollwerte als kritisch an: Umsatz, Leistung als Arbeitnehmer, nicht organisches Wachstum der EBITDA etc.
Bei Earn-Out-Zahlungen in zukünftigen Veranlagungszeiträumen stellt sich die Frage des Besteuerungszeitpunktes. Dies ist unter anderem für die Entscheidung über etwaige Begünstigungen nach § 34 EStG entscheidend. Die Ausgestaltung des Earn-Outs kann aber auch dazu führen, dass Arbeitslohn statt einer Kaufpreisanpassung vorliegt. Insofern hängt die steuerliche Beurteilung entscheidend von den vertraglichen Vereinbarungen ab und sollte im Einzelfall geprüft werden.
1 Werner, in: Earn-out Klauseln beim Unternehmenskauf, DStR 2013, S. 1664.
2 Werner, in: Earn-out Klauseln beim Unternehmenskauf, DStR 2013, S. 1663.
3 Ketteler-Eising, in: Besteuerung variabler Kaufpreise mit Earn-out Komponenten im Vergleich zu umsatz-/gewinnabhängigen Kaufpreisen als wiederkehrende Bezüge, DStR 2022, S. 1634.
4 BFH, 19.7.1993 GrS 2/92, BStBl. II 1993, 897
5 Ketteler-Eising, in: Besteuerung variabler Kaufpreise mit Earn-out Komponenten im Vergleich zu umsatz-/gewinnabhängigen Kaufpreisen als wiederkehrende Bezüge, DStR 2022, S. 1637.
6 BFH v. 19.7.1993 – GrS 2/92, BStBl. II 1993, 897, DStR 1993, 1735; BFH v. 14.6.2005 – VIII R 14/04, BStBl. II 2006, 15, DStR 2005, 1853
7 Ettinger, Schmitz, in: Earn-Out Gestaltungen im Unternehmenskaufvertrag, GmbHR 2016, S. 966-975
8 Ihlau, Gödecke: in Earn-Out-Klauseln als Instrument für die erfolgreiche Umsetzung von Unternehmens-transaktionen, BB 2010, S. 688; Hilgard, in: Earn-Out-Klauseln beim Unternehmenskauf, BB 48.2010, S. 2912-2919
9 Hilgard, in: Earn-Out-Klauseln beim Unternehmenskauf, BB 48.2010, S. 2912-2919
10 Dreßler, in: Chancen und Risiken beim Earn Out, FGS Blog
11 Grewe/Lauscher, in: Earn out-Klauseln als Antwort auf die Suche nach einem fairen Kaufpreis, NWB Nr. 41, S. 3014
12 Werner, in: Earn-out Klauseln beim Unternehmenskauf, DStR 2013, S.1665
13 Borowicz, in: Corporate Finance, Heft 10, S. 434