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"Der überwiegende Teil der Unternehmen hat sich bereits auf den Weg in die Dekarbonisierung gemacht."

Als Leiter der Deloitte Sustainability & Climate GmbH und globaler Leiter für Sustainability & Climate Beratung ist Bernhard Experte auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit.

Hallo, ich bin Bernhard und seit Februar 2022 bei Deloitte global dafür verantwortlich, Unternehmen und Staaten auf dem Weg in die Dekarbonisierung zu beraten. 
Insgesamt bin ich seit etwa 25 Jahren im Bereich Klimapolitik unterwegs, war in Regierungsämtern tätig und habe viel in Think Tanks gearbeitet. Ob und wie wir die Klimaziele aus meiner Sicht erreichen können, erfahrt ihr im Interview. 

Bernhard, als Leiter der Deloitte Sustainability & Climate GmbH und globaler Leiter für Sustainability & Climate Beratung bist du ein echter Experte auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit. Glaubst du, dass wir das 1,5 Grad Ziel noch erreichen können?
Ich glaube, wir sollten das 1,5 Grad Ziel nicht so schnell abschreiben. Wir müssen uns klarmachen, dass es an uns liegt, dieses Ziel zu erreichen. Das sollte unseren Ehrgeiz anfachen. Es hat ja gute Gründe, warum wir uns ein so ambitioniertes Ziel gesetzt haben. Denn jenseits von 1,5 Grad kommen wir in Bereiche der Erderwärmung, von denen wir nicht genau wissen, welche Folgen sie für die Existenz menschlichen Lebens auf der Erde haben. Jede:r muss daher für sich selbst entscheiden, ob man bereit ist, dieses Risiko einzugehen.

Was müssen wir denn als Gesellschaft tun, um den großen Bedrohungen wie Klimawandel, Umweltverschmutzung und Artensterben etwas entgegenzusetzen?
Wir müssen individuell Verantwortung für unser Handeln übernehmen. Hierzu gehört einerseits, in den Ländern und in den Unternehmen, in denen wir leben und arbeiten, diese Veränderungen anzustoßen und zu unterstützen. Auf der anderen Seite müssen wir alle über unser Verhalten nachdenken, bezogen auf unserer Mobilität, unser Konsumverhalten und auf alle Rechtsgeschäfte, die wir als Personen eingehen. Denn – und davon bin ich überzeugt – es wird nicht ohne eine große Veränderung gehen und diese Veränderung fängt – wie übrigens alle großen Veränderungen – bei jedem und jeder Einzelnen an.

Der überwiegende Teil der Unternehmen hat sich bereits auf den Weg in die Dekarbonisierung gemacht.

Welche Verantwortung tragen Unternehmen in diesem Zusammenhang, insbesondere auch der Arbeitgeber Deloitte?
Unternehmen tragen hier eine sehr große Verantwortung. Das ist nicht nur den Unternehmen selbst bewusst, sondern auch den Eigentümer:innen und Politiker:innen, die die Standards und Regularien aufsetzen, unter denen Unternehmen hier in Deutschland arbeiten dürfen. Hierzulande hat sich der überwiegende Teil der Unternehmen bereits auf den Weg in die Dekarbonisierung gemacht. Es geht jetzt nur noch darum, wie schnell wir – auch als Land – die Ziele, die wir uns gesteckt haben, auch erreichen.

Das gilt auch für uns, den Arbeitgeber Deloitte, der sehr ernsthaft daran arbeitet, die gesetzten Ziele einzuhalten. Wir legen großen Wert darauf, unsere Kolleg:innen auf dem Weg in die Dekarbonisierung mitzunehmen, indem wir z.B. jede Menge Schulungen anbieten. Es ist einfach eine Frage der Einstellung. Außerdem produzieren wir als Beratungsgesellschaft ja „nur“ Wissen, sodass die Reduktion für uns insgesamt einfacher ist. Ich bin auf jeden Fall stolz bei Deloitte zu arbeiten, da hier Vieles schon umgesetzt wird.

Würdest du sagen, dass Wirtschaftsinteressen unsere Nachhaltigkeitsbestrebungen hemmen?
Nein, ich glaube, das ist ein Irrtum. Wir müssen uns aber klarmachen, dass sich unsere Wirtschaftsweise verändern wird. Wir werden zukünftig andere Formen von Dienstleistungs- und Produktionsprozessen sehen, von denen ich glaube, dass sie auch sehr gewinnbringend sein und auf eine andere Art Wachstum generieren werden. Im Moment herrscht oft der Irrglaube, dass es nur um Verzicht geht. Natürlich geht es auch um Verzicht, aber viel mehr noch geht es um Veränderung. Wir werden anders reisen, wir werden Mobilität anders erleben, wir werden anders zusammenleben, wir werden anders konsumieren, aber wir werden trotzdem in einer sehr nachhaltigen Welt leben.

In diesem Zusammenhang wird derzeit oft die Abkürzung ESG verwendet. Was verbirgt sich dahinter?
ESG steht für “Environmental, Social & Governance”. Das sind die drei Dimensionen, in denen wir denken, wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen. Bei „Environmental“ geht es darum, wie wir den Umwelt-, Klima- und Artenschutz nach vorne bringen. „Social“ umfasst Fragen dazu, wie wir soziale Ziele – vor allem die Themen Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion – in Unternehmen berücksichtigen. Und in der Dimension „Governance“ stellen wir uns die Frage nach der Steuerung: Wie steuern wir diese Veränderungsprozesse in Unternehmen? Welche Rollen haben verschiedene Gremien und Positionen dabei? Alle drei Dimensionen gemeinsam führen letztlich dazu, dass wir die Leistungsfähigkeit von Unternehmen beobachten und schließlich auch beurteilen können. Das wiederum bildet die Grundlage für Regelungen, die Unternehmen dazu bringen, sich aufgrund der Regularien und Standards, die die Regierung setzt, besser und nachhaltiger zu verhalten.

Welche Jobs bietet Deloitte interessierten Kandidat:innen, die sich für eine Tätigkeit mit Nachhaltigkeitsbezug begeistern?
Da wir eine der größten Beratungsgesellschaften der Welt sind mit über 10.000 Mitarbeitenden allein in Deutschland, können wir natürlich eine riesige Bandbreite anbieten. Wir haben zum einen Kolleg:innen bei uns, die gern mit Zahlen arbeiten und die besten Modelle berechnen und Simulationen aufsetzen können, um Unternehmen in ihrer Transformation zu begleiten sowie mögliche Strategien zu entwickeln. Zum anderen haben wir Kolleg:innen, die beim Kunden vor Ort rund um die Konsequenzen für die Arbeitswelt beraten. Kurz: Wir bieten jede Menge Möglichkeiten, um mit unterschiedlichen Unternehmen, aber auch mit Public Sector Akteuren, z.B. aus der Politik, zu reden, zu diskutieren und auch zu streiten, wie wir diese große Transformation gelingen lassen.

Du hast in der Vergangenheit mehrmals an den globalen Klimakonferenzen teilgenommen – zuletzt an der COP 27 in Ägypten. Es werden immer sehr große Hoffnungen in diese Konferenzen gesetzt, doch am Ende entsteht oft der Eindruck, es geht alles viel zu langsam. Wie nimmst du die Verhandlungen dort wahr und gibt es vielleicht kleine Teilerfolge, von denen die Öffentlichkeit wenig mitbekommt?
Jede:r von uns, der schon einmal Teil einer Gruppe war, z.B. eines Seminars an der Uni, kennt die Situation, sich mit 25 Leuten entscheiden zu müssen, in welche Kneipe man am Ende des Semesters geht. Das ist schon nicht ganz einfach. Die globalen Konferenzen muss man sich so vorstellen, dass dort rund 190 Länder mit ihren Vertreter:innen zusammentreffen, um multilateral zu verhandeln, wie sie die Klimapolitik erfolgreicher gestalten können. Ich habe in verschiedenen Rollen an COPs (Conferences of the Parties) teilgenommen, z.T. als Verhandler, und es ist unfassbar komplex, hier eine Einigkeit zwischen den einzelnen Interessen hinzubekommen. Auf der einen Seite haben wir Inselstaaten, die drohen unterzugehen, auf der anderen Seite stehen Erdöl produzierende Länder, stark konsumierende Länder, es gibt Diktaturen und Demokratien. Wenn man sich vor Augen führt, wie schwierig es ist, innerhalb dieser Komplexität eine Einigung zu erzielen, dann wird einem auch klar, wie großartig der Konsens ist, den wir in Paris gefunden haben – und das stimmt mich immer wieder zuversichtlich.

In den jeweiligen COPs ringen wir darum, einzelne Bereiche so zu regulieren, dass wir die Ziele des Pariser Klimaabkommens einhalten können. Dabei gibt es immer wieder kleine Teilerfolge. Wir haben es in Glasgow z.B. geschafft, die Methanemission massiv zu reduzieren. Dazu muss man wissen, dass Methan noch viel klimaschädlicher ist als CO2, was oft unterschätzt wird. Auf der COP 27 konnten wir Länder wie Südafrika und Indonesien mithilfe von Geldzahlungen dazu bringen, aus der dort immer noch sehr dominanten Kohle als Mittel zur Stromerzeugung auszusteigen. Diese kleinen Teilerfolge lassen mich weiterhin optimistisch bleiben. Wir brauchen auf unserem gemeinsamen Weg sowohl diese großen Verhandlungen als auch – wie anfangs schon erwähnt – unsere individuellen Handlungen. Nur beides zusammen kann dazu führen, dass wir den Planeten retten!