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"Risiko und Chance liegen manchmal so nah beieinander."

Großes Unternehmen oder lieber Start-up? Oliver kennt beide Seiten und gibt Einblicke.

Hallo, ich bin Oliver und war bis 2019 bei Deloitte in unterschiedlichen Rollen im Consulting tätig. Was mich dazu gebracht hat, die Hackathon Company ins Leben zu rufen und wie ich den Gründungsprozess erlebt habe, erfahrt ihr im Interview.

Hallo Oliver. 2018 hast du das Startup The Hackathon Company gegründet. Erzähl doch gerne, was genau eure Mission ist und wie sich das Start-up seitdem entwickelt hat.
Sehr gerne. Nach der Gründung in 2018 sind wir schon 2019 mit unserem ersten Hackathon in meiner Heimat Mannheim live gegangen. Die Region hat den Vorteil, dass hier sehr viele Global Player ansässig sind, unter anderem die SAP. Wir hatten dann für den ersten Hackathon SAP, John Deere, BASF und einige weitere namenhafte Unternehmen dabei. Das Ziel der Veranstaltung war, Digitalisierung passieren zu lassen, was auch das eigentliche Ziel der Gründung von The Hackathon Company war. Ich habe nach einem Instrument gesucht, wie man möglichst schnell digitale Produkte umsetzen und coden kann. Ich liebe das Format Hackathon sehr, da sowohl Coder als auch diejenigen, die etwas von Businessplänen und Strategie verstehen, zusammenkommen können und in einer zeitkondensierten Art und Weise an einer Problemstellung arbeiten.

Unser Slogan lautet daher auch „Where tech talent meets corporate vision”. Wir entwickeln challenge-basierte Eventformate mit einer zeitkomprimierten Durchführung, um dann diese Corporate Vision und Strategie auch operationalisierbar oder umsetzbar zu machen.

Wie groß ist dein Team inzwischen? Und wie können wir uns deine Rolle in The Hackathon Company vorstellen? Was sind dort deine Aufgaben?
Wir sind derzeit 11 Mitarbeitende und arbeiten viel mit externen Dienstleistern – oftmals mit den größten der Welt - zusammen. Wir haben seit dem Start zahlreiche multinationale Unternehmen im Kundenportfolio.

Meine Rolle ist es, quasi den Nordstern vorzugeben und das Team hinter diesem Nordstern zu versammeln. Wir sind sehr agil unterwegs und das ist auch gut so, da die heutigen Krisen so multipolar sind. Wir bekommen Marktimpulse, die wir in unterschiedlichen Kundengesprächen validieren. Dahingehend adaptieren wir auch unsere Produkte, was kontinuierliche Anpassung unseres Offerings bedeutet. Ich sorge also dafür, dass das Team ein Verständnis dafür bekommt, dass und wie die Kundenbedarfe sich kontinuierlich ändern.

Das ist meine Hauptaufgabe. Es ist dennoch ein 360-Grad Portfolio, da ich überall mitwirke. Was ich nicht mehr mache, ist an der aktiven Umsetzung der Projekte teilzunehmen.

Was waren die größten Herausforderungen vom Gründungsprozess bis heute?
Hier gibt es natürlich unterschiedliche. Gerade die letzten Jahre waren - insbesondere bezogen auf die Businesswelt - ziemlich volatil und auch disruptiv, denken wir nur an die Pandemie. Wie geht man mit so etwas um? Gerade bei einem Event wie dem Hackathon geht es um Netzwerk, um Austausch. Wir wollen, dass alle, die in diese Veranstaltung hineingehen auch klüger wieder rauskommen – tun sie das auch im Onlineformat? Ist der Know-how-Transfer der gleiche, als wenn ich jemandem in die Augen schaue? Das ist sicherlich etwas, was während Corona auf der Strecke geblieben ist. Das war auch für mich als geschäftsführender Gesellschafter bisher das Herausforderndste: mich und uns auf die neue Realität einzustellen.

Hier kann ich eine kleine Anekdote erzählen: Im Angesicht der Corona Pandemie sind wir online gegangen mit der Website Digitally flatten the curve, bei der es darum ging, mithilfe von digitalen Lösungen die Covid-Kurve abzuflachen. Zeitgleich ist in Berlin die Initiative „Wir versus Virus“ in Zusammenarbeit mit dem Kanzleramt live gegangen – dagegen waren wir unsichtbar. Wir haben aber einen Brief an Ursula von der Leyen geschrieben und darin vorgeschlagen, aus jedem nationalen Hackathon die jeweiligen Learnings zu bündeln und auf die europäische Ebene zu bringen und zu nutzen. Und tatsächlich sind wir durchgedrungen und wurden letztendlich Veranstalter von „EUvsVirus“ für Europa – mit 27.000 Teilnehmenden! 😊 Das hat uns dann während der Pandemie sehr stark geholfen, da es auch eine tolle PR-Kampagne war. Das zeigt, dass Risiko und Chance manchmal so nah beieinander liegen.

Du warst von 2011 bis 2019 bei Deloitte und hattest hier verschiedene Positionen inne. Zuletzt warst du als Gründer drei Jahre in der Deloitte Garage tätig. Was waren deine größten Learnings in dieser Zeit und inwiefern hatte Deloitte einen Einfluss auf deinen weiteren Werdegang in der Start-up-Welt?
Gestartet bin ich im Strategy & Operations Bereich bei Consulting und hatte dann das große Glück, mich gegen 125 Bewerber:innen für eine Rolle im Global Innovation Team durchzusetzen. Nicolai Andersen hatte zu diesem Zeitpunkt die Idee einer Deloitte Garage vor dem internen Innovation Board gepitcht. Mit Angela Schmitz-Axe haben wir dann die Garage - eine Art „Innovationsschmiede“ oder Innovation Hub - als Intrapreneure gegründet. Das war natürlich eine wahnsinnig spannende Zeit, weil jeder wusste, dass die Digitalisierung einen Impact haben wird - einen „Impact that matters“. 😉

Die Garage wurde immer wichtiger und ist zu dem gewachsen, was sie letztendlich wurde. Inzwischen hat jedes Business bei Deloitte seine eigene Garage. Am Anfang wurden wir oft als „Spaßeinheit“ belächelt, doch am Ende waren wir ein echtes Aushängeschild. Wir haben damals Pioneer-Arbeit geleistet und es war wirklich cool, bei dieser Erfolgsgeschichte dabei zu sein!

Risiko und Chance liegen manchmal so nah beieinander.

Die Gründung der Garage: War das der Moment, in dem du gemerkt hast, dass Gründen etwas für dich ist?
Ich denke, dass Gründen innerhalb einer großen Organisation und Gründen draußen am freien Markt mit Wagniskapital und den Herausforderungen, ein eigenes Produkt aufzubauen und eigene Kunden zu akquirieren, doch nochmal etwas Anderes ist. Das kann ich mit Gewissheit sagen. Wir sind allein aufgrund der finanziellen Ausstattung und der globalen Natur des Geschäfts von Deloitte sehr weich gebettet gewesen. Ich würde durchaus zwischen Intrapreneur und Entrepreneur unterscheiden. Ich glaube aber, es war eine gute Ausbildung. Das Rüstzeug für einen Entrepreneur - das erlangt man jedoch nur, indem man ins kalte Wasser springt und einfach mal macht.

Du bist auch Regionalsprecher im Bundesverband für Deutsche Start-ups. Warum ist es entscheidend, dass die Entwicklung und Unterstützung von Start-ups in Deutschland gefördert und vorangetrieben wird?
Der Verband vertritt die Interessen von unterschiedlichen Unternehmen. Das ist insofern wichtig, als dass man sagen kann, dass es schon immer Start-ups gab. Auch Unternehmen wie Bosch waren mal ein Start-up, Familienunternehmen ebenso. Insofern lohnt es, sich auf die Bedarfe der jungen Unternehmen zu schauen, vor allem Tech-Unternehmen. Außerdem erfahren wir immer wieder aus den Diskussionen mit den Gründer:innen, dass es Themen oder beherrschende Bedarfe gibt, die diese jungen Unternehmen umtreiben. Dadurch, dass ich schon sehr lange im Start-up Umfeld unterwegs bin und immer ein Interesse für Politik hatte, bringe ich mich gerne rund um die Belange von Digitalunternehmen oder Start-ups ein. Ich glaube, ich finde hier auch immer einen ganz guten Ton, um Politiker:innen verständlich zu machen, wieso gewisse Themen so wichtig sind und dann an dieser Stelle zu vermitteln.

Welche drei Tipps würdest du jungen Gründern und Gründerinnen mit auf den Weg geben und wie können Unternehmen wie Deloitte dabei unterstützen, Innovationen und Entrepreneurship zu fördern?
Ich habe die Beobachtung gemacht, dass die Start-up Industrie sich mehr und mehr professionalisiert. Wenn man mal zurückschaut - als ich Deloitte 2019 verlassen habe, gab es gerade mal eine Handvoll Start-ups. Der Bereich war noch nicht so durchsystematisiert wie heute. Heutzutage muss man sich fragen, ob und wie viel Wagniskapital man aufnehmen möchte - und was man für dieses Kapital benötigt. Es gibt bestimmte Kennzahlen und Runden. Es gibt bestimmte Templates, in die ich als Start-up reinpassen muss, an denen ich mich aber auch orientieren kann. Es gibt sehr viel Hilfestellung für junge Gründer:innen. Im Nachhinein betrachtet weiß ich nicht, ob ich etwas anders machen würde, aber wenn ich „advise to my younger self“ geben müsste, dann:

Tipp Nummer 1:
Ich kann jedem empfehlen, sehr genau zu definieren, wo Hilfe von Nöten ist und dann ein Mapping durchzuführen, wer bei diesen Themen helfen kann. Nicht jeder kann bei allen Themen unterstützen. Diejenigen, die das von sich behaupten, sind wahrscheinlich nicht die Richtigen, um Hilfestellung zu geben. Wenn ich im Finance Bereich Unterstützung benötige, oder ich Fundraising betreiben möchte, dann sollte ich mir immer Leute suchen, die das bereits gemacht haben. „Been there, done that“ - diejenigen wissen, wo Fehler gemacht wurden und was der Erfolgsfaktor war.

Tipp Nummer 2:
Beachtet die Gründung sehr holistisch, da eine Gründung immer Implikationen für das gesamte Lebensumfeld mit sich bringt. Man sollte jeder Beziehung, ob privater Natur oder beruflich, genug Aufmerksamkeit schenken und das ganze proaktiv in die Hand zu nehmen.

Tipp Nummer 3:
Es gibt nicht den einen richtigen Zeitpunkt. Aber es gibt gewisse Bausteine, bei denen man sich, wenn sie zusammenkommen, ernsthafte Gedanken machen sollte, ob man gerade einen Gehaltsausfall oder mehr Risiko in sein Portfolio nehmen und diesen Schritt dann gehen möchte. Wenn man ein cooles Thema oder eine gute Idee und idealerweise einen oder mehrere Co-Founder an der Seite hat, die den Weg gemeinsam mit einem gehen, ist das schon eine gute Voraussetzung. Es ist schwer, dabei das Timing abzupassen. Aber gerade wenn man überzeugt ist, dass man ein Gründer-Typ ist und es ausprobieren möchte, sollte man es tun. Es gibt nichts Schlimmeres, als etwas auf der Bucket List stehen zu haben und es dann das ganze Leben lang vor sich herzuschieben. Immer machen - aber nicht unkalkuliert.

Sehr spannend! Hast du selbst The Hackathon Company allein gegründet?
Ja, ich habe allein gegründet, werde aber vermutlich auch nochmal gründen und dann nicht allein. Das steht bei mir auf der Bucket List. 😉

Alleine zu gründen hat natürlich den Vorteil, dass du dein eigener Herr bist, du aber leider gleichzeitig auch niemanden „auf Augenhöhe“ hast. Ich habe viele Leute im Team, mit denen ich sehr offen diskutiere, aber unter Gründern zu diskutieren und dann eine bestimmte Richtung einzuschlagen, ist sehr viel Self-Management und schon etwas ganz Anderes.

Mit einem Co-Founder ist das nochmal ein cooleres Wir- und vor allem Team-Gefühl. Ich habe es jetzt so gelöst, dass ich einen optionalen Beirat gegründet habe. Den müsste ich nicht haben, aber so inkludiere ich ein Coaching von außen und kann Dinge teilen, die bei Bedarf im Beirat beurteilt werden. Dies ist für mich ideal.