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"Ich habe lange überlegt, ob ich Deloitte wirklich verlassen will. Aber ich wollte immer schon in einem Start-up arbeiten. Das Angebot passte inhaltlich super, da musste ich es einfach machen."

Nach 15 erfolgreichen Jahren bei Deloitte nochmal was völlig Neues wagen – Angela erzählt, warum sie Deloitte verlassen und warum sie wieder zurückgekehrt ist.

Hallo, ich bin Angela und als Director in der Consulting Garage u.a. verantwortlich für die Entwicklung von Innovationen für und mit unseren Kunden. Bei Deloitte hat sich in den letzten Jahren viel getan – auch im Bereich Unternehmenskultur. Welche Veränderungen ich seit meiner Rückkehr wahrnehme, die ich vor Jahren nie für möglich gehalten hätte, erzähle ich euch hier

Du bist Director in der Garage von Deloitte. Was können wir uns genau darunter vorstellen und was sind dort deine Aufgaben?
Seit November bin ich Director in der Consulting Garage im Bereich Institutes und Incubation, arbeite aber auch sehr eng mit dem Innovation & Ventures Team zusammen. Mein Fokus besteht darin, Kunden, v.a. Corporates, zu allen Innovationsfragestellungen zu beraten. Dabei geht es zum einen um Innovationsstrategien, aber auch um die Entwickung konkreter Innovationsideen - vom Problem-Solution-Fit über MVPs (Minimum Viable Products) bis hin zu marktreifen Produkten. Zum anderen gehört aber auch das Aufsetzen von Innovationseinheiten bzw. -vehikeln, wie z. B. einem Inkubator oder Accelerator dazu. Darüber hinaus unterstützen wir auch bei der Gründung eines Ventures. Wir sehen das Themenfeld rund um Innovation als holistische, systemische Kompetenz, die auch Hebel wie Innovationskultur, Aufbau eines Innovationsnetzwerks bzw. Ecosystems, Zusammenarbeit mit Start-ups und vieles Weitere abdeckt.

Innerhalb der einzelnen Projekte arbeiten wir mit unterschiedlichen Kolleg:innen aus der Garage, aber auch aus anderen Bereichen – den sogenannen Offering Portfolios - zusammen. Auch losgelöst von den Kundenprojekten entwickeln wir in der Garage Innovationen und auch Software(produkte).

Du warst vorher schon einmal bei Deloitte und hast währenddessen unser Innovationsmanagement von Grund auf mit aufgebaut - heutzutage unverzichtbar. Wurde das damals auch schon so gesehen oder gab es auch Hürden, die ihr dabei überwinden musstet?
Es war eine Journey. Damals wurde Nicolai Andersen, der inzwischen Managing Partner für Consulting ist, Leiter des Innovationsprogramms. Wir sind angetreten, um Ideen, Lösungen und neue Offerings für Kunden aller Bereiche von Deloitte zu entwickeln. Geholfen hat dabei, dass andere Deloitte Member Firms, z.B. in den USA, Australien, UK und in den Niederlanden, schon ein Innovationsprogramm mit einem Track Record im Einsatz hatten und wir von den Kolleg:innen wertvollen Input darüber bekommen konnten, was bei ihnen gut funktioniert hat und was eher nicht. So konnten wir viele Learnings direkt in unser eigenes Programm einbauen.

Trotz allem ist Innovation immer ein Thema, das kritisch hinterfragt wird. Wir mussten von Anfang an Erwartungen managen, denn es braucht immer etwas Zeit, bis man den Erfolg in klassischen KPIs wie Revenue, Sales, Profit oder ROI messen kann. Innovation sollte auch immer als Portfolio gesehen werden, d.h. es wird immer Themen oder Ansätze geben, die nicht funktionieren werden. Dennoch ist es auch bei diesen Versuchen wichtig, sie zu machen, damit man schnell merkt, ob sie markttauglich sind. Und was nicht funktioniert, kann man direkt verwerfen, statt Jahre darauf zu verwenden und Zeit zu verlieren.

Bei der Entwicklung von Innovationen ist es entscheidend, bereits am Anfang eine klare Struktur, Richtlinien und Entscheidungskriterien vorzugeben. Es muss z.B. definiert sein, wie Entscheidungen darüber getroffen werden, welche Innovationen in die nächste Phase kommen und welche gleich „gekillt“ werden; wir haben diese Entscheidung damals „kill the puppies“ genannt, weil man sich von lieb gewonnenen Ideen verabschieden muss, die vorgegebene Entscheidungskriterien nicht erfüllen. Ebenso wichtig ist auch ein festgelegtes Budget, denn natürlich gibt es immer kritisch Rückfragen, was genau mit dem Budget passiert ist und wofür es eingesetzt wurde. Aus diesem Grund haben wir gleich von Beginn an ein Monitoring und Reporting auf den verschiedenen Ebenen - Innovationsprogramm-, Portfolio- und Einzelinnovationsebene – aufgesetzt. So konnten wir zum einen zeigen, was wir erreicht haben, zum anderen konnten wir so aber auch das Programm und einzelne Teams besser steuern.

Es gab eine Menge Themen, bei denen das Innovationsprogramm entscheidend geholfen hat, uns sehr früh oder sogar als erste am Markt zu positionieren und uns so einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Hierzu gehören unter anderem Neuroscience und Blockchain, aber auch etliche Softwareentwicklungen. Ein anderer positiver Aspekt ist der Einfluss, den eine wachsende Innovationskultur auf die generelle Unternehmenskultur hat.

Du bist Mutter von drei Kindern und hast gleichzeitig im Consulting erfolgreich Karriere gemacht – damals bis zur Position einer Senior Managerin, heute bist du Director. Wie wurdest du von deinen Vorgesetzten während deiner Zeit bei Deloitte unterstützt, sowohl deine privaten Prioritäten als auch deine beruflichen Ziele miteinander in Einklang zu bringen?
Mein ältester Sohn ist 12, mein jüngerer Sohn 5 und ich habe noch eine Tochter im Alter von 9 Jahren. Als ich vor 11 Jahren nach meinem ersten Jahr Elternzeit in Teilzeit ins Consulting zurückkommen wollte, war das zu der Zeit nicht selbstverständlich und eher die Ausnahme. Damals haben mir zwei Partner die Rückkehr in Teilzeit ermöglicht. Hilfreich war dabei sicherlich auch, dass ich direkt ein Kundeninnovationsprojekt in der Nähe meines Wohnortes übernehmen konnte. Als Nicolai Andersen dann Innovationsleiter wurde, hat er mich gefragt, ob ich Interesse hätte, als Managerin mit ihm das Innovationsprogramm für Deloitte aufzubauen. Bis dahin hatten wir noch nicht zusammengearbeitet; er wollte aber einer Mutter die Stelle geben, weil sie weniger reiseintensiv war als eine klassische Consultingtätigkeit.

Nicolai war immer schon ein großer Fan des Clifton Strength Finder Tests, der darauf abzielt, die Stärken eines Menschen zu stärken, statt zu versuchen Defizite auszugleichen. Er hat mich in meinen Stärken gefördert und wollte es möglich machen, dass auch Mütter bei Deloitte Karriere machen können. Inzwischen hat sich bei uns sehr viel getan, es gibt viel mehr individuelle Teilzeitmodelle und damit auch arbeitende Mütter. Auch jetzt, nach meiner Rückkehr, habe ich im Leiter der Consulting Garage einen Vorgesetzten, der sich sehr dafür einsetzt, Frauen und insbesondere Mütter bei Deloitte zu fördern und der mich dabei unterstützt, dass ich Job und Familie vereinbaren kann. Natürlich gibt es Tage, wo das auch mal weniger gut klappt, aber es macht einen Riesenunterschied, wenn das Verständnis und der Wille aller Kolleg:innen da ist, es möglich zu machen.

Ich habe lange überlegt, ob ich Deloitte wirklich verlassen will. Aber ich wollte immer schon in einem Start-up arbeiten. Das Angebot passte  inhaltlich super, da musste ich es einfach machen.

In 2020 hast du dich nach knapp 15 Jahren entschieden, eine ganz andere Richtung einzuschlagen und Deloitte zu verlassen. Was hat hier den Ausschlag gegeben und was hast du in den zwei Jahren bis zu deiner Rückkehr gemacht?
In meiner dritten Elternzeit in 2017 - nachdem ich gerade Senior Managerin geworden war -, fragte mich meine Kinderärztin, Dr. Karella Easwaran, ob ich ihr dabei helfen könne, ihr Herzensthema, Müttern bzw. Eltern zu helfen, Stress zu reduzieren, weiter voranzubringen und evtl. ein Start-up daraus zu machen. Sie wusste, dass ich im Bereich Innovation und dort auch mit Start-ups arbeitete. Sie hatte damals gerade den Spiegel Bestseller „Das Geheimnis gesunder Kinder“ geschrieben. Auch ich fand das Thema spannend und hatte Zeit, da ich ja zu Hause war. Von ihr habe ich viel über das Gehirn, aber auch grundsätzlich über Stress und Stressmanagement gelernt. Als ich 2018 wieder zurück zu Deloitte kam, habe ich als Intrapreneur ein Stressmanagement Offering im Innovationsprogramm aufgebaut, da mich das Thema nicht mehr losgelassen hat. Das Offering beinhaltete einen neuroedukativen Teil sowie auch eine physiologische Stressmessung, um so ganzheitlich und individuell Mitarbeitergesundheit und -zufriedenheit zu verbessern.

2019 habe ich im Consulting eine Talent Group übernommen und kam über einen Vortrag beim Frauennetzwerk WIN mit einer Kollegin in Kontakt, die das Thema Stressmanagement interessant fand. Sie hatte Kontakte zu einem Start-up in meinem Wohnort Köln, das sich mit dem Thema Persönlichkeitsentwicklung und Coaching beschäftigt. In meinem ersten Gespräch wollte ich eigentlich Optionen für eine Kooperation mit dem C-Level des Start-ups abklopfen. Es kam dann aber ganz anders, weil sowohl der CEO als auch der CPO weniger an meinem Offering als viel mehr an mir als Person interessiert waren. Sie fragten mich, ob ich mir vorstellen könne, für sie zu arbeiten. Ich habe lange hin und herüberlegt, ob ich Deloitte wirklich verlassen will. Aber da ich immer schon in einem Start-up arbeiten wollte, das Geschäftsmodell auch inhaltlich super interessant für mich war - und das alles dazu noch in meiner Heimatstadt -, musste ich es einfach machen.

In dem Start-up habe ich den Bereich Coaching Excellence geleitet und war im Produktbereich angesiedelt. Mit meinem Team habe ich unter anderem eine digitale Business Coachingausbildung entwickelt, die heute als fertiges Produkt gelaunched ist, und konnte auch an der Entwicklung einer App mitarbeiten. Nach einem Jahr habe ich allerdings mit zwei meiner dortigen Kollegen – beide auch ehemalige Berater - entschieden, selbst etwas zu gründen. Wir wollten eine EdTech App entwickeln, die Eltern mit nur wenigen Minuten Aufwand pro Tag dabei hilft, die Entwicklung ihres Kindes zu unterstützen. Dafür haben wir bei sehr vielen Venture Capitals und Business Angels unsere Idee gepitched.

Zunächst liefen die Pitches ganz gut und wir hatten schon mehr als die Hälfte des avisierten Fundings eingesammelt. Allerdings hat sich die Investitionsbereitschaft der VCs 2022 merklich verringert, weswegen wir uns daraufhin schweren Herzens entschieden haben, das Start-up erstmal nicht weiterzuverfolgen. Trotzdem bin ich sehr froh, dass ich diese Erfahrung machen durfte, durch die ich inhaltlich nochmal sehr viel dazugelernt, aber auch zu schätzen gelernt habe, was ich an Deloitte hatte.

Seit kurzem bist du nun wieder zurück. Wie kam es dazu? Und warum hast du dich noch einmal für Deloitte entschieden?
In der ganzen Zeit im Start-up und auch während der Gründungszeit hat mein jetziger Chef, Daniel Könnecke, den Kontakt zu mir gehalten und immer wieder nachgehakt, ob ich mir nicht vorstellen könnte, wieder zu Deloitte zurückzukommen. Er hat mich dann in den externen Direktorenprozess aufnehmen lassen und so bin ich wieder zurück zu Deloitte gekommen. Was mir in der Zeit außerhalb auch klar geworden ist: Es ist in den meisten anderen Nicht-Beratungsunternehmen absolut nicht selbstverständlich, um sich herum sehr gut ausgebildete Kolleg:innen zu haben, von denen man kontinuierlich etwas lernt und durch die man gechallenged wird. Außerdem habe ich gemerkt, dass ich nach der langen Zeit hier einfach sehr gut zur Deloitte-Kultur passe, die ich zudem auch vermisst habe. Ein weiterer Punkt ist, dass es seit Corona viel mehr Möglichkeiten gibt, remote zu arbeiten – auch von zu Hause –, was mir das Leben als Mutter sehr erleichtert.

Wie hast du deinen Wiedereinstieg erlebt? Hat sich in der Zwischenzeit viel verändert?
Mein Wiedereinstieg hier hat sich eher angefühlt wie nach Hause zu kommen und weniger wie der Start in einen neuen Job. Natürlich war ich zwei Jahre lang „raus“, es haben sich Prozesse, Verantwortlichkeiten und Rollen geändert, aber das Geschäftsmodell ist gleich geblieben. Von daher habe ich keine Aufwärmphase gebraucht, um mich hier inhaltlich zurechtzufinden, auch wenn ich natürlich am Anfang erstmal einige Kolleg:innen kennenlernen musste und durfte.

Außerdem sehe ich Veränderungen, die ich vor meinem Weggang ehrlich gesagt nicht für möglich gehalten hätte, z.B. die neue Überstundenregelung im Consulting, aber auch die Durchführung von regelmäßigen Mitarbeiterbefragungen verbunden mit dem Willen, darin identifizierte Verbesserungsbedarfe in den entsprechenden Bereichen auch wirklich zeitnah anzugehen und Dinge sofort umzusetzen.

Speziell in meinem Bereich, der Garage, sind inzwischen viel mehr Working Moms beschäftigt, mit unterschiedlichen Voll- und Teilzeitmodellen, so dass sie nun nicht mehr die Ausnahme sind, sondern völlig normal, was vor ein paar Jahren absolut nicht der Fall war. Daniel, mein Vorgesetzter, versucht u.a. auch, Calls und Meetings so zu legen, dass sie nicht unbedingt in einer für Mütter oder auch Väter sehr ungünstigen Uhrzeit stattfinden. Ich diskutiere heute auch mit Vätern, wie wir evtl. Betreuungsherausforderungen als Team meistern können. Das hätte ich vor Jahren alleine schon deshalb nicht machen können, weil es nur sehr wenige männliche Kollegen gab, die sich mit dieser Herausforderung auseinandersetzen mussten oder über sie gesprochen haben. Auch das zeigt, wie sich die Kultur hier verändert hat und immer noch verändert. Eine der vielen Definitionen von Kultur lautet „Kultur ist, wie wir die Dinge hier machen“. Und unsere Kultur in 2023 ist ganz sicher auch ein Verdienst unserer Führungskräfte.

Welche Eigenschaften braucht man, um in deinem Team einzusteigen und im Innovationsumfeld erfolgreich zu sein? Hast du ein paar Tipps für potenzielle Bewerber:innen, die sich von deinem Werdegang inspiriert fühlen?
Na klar. Wir suchen Kolleg:innen, die ehrgeizig und sehr selbstständig arbeiten und sich für Innovation, aber generell auch für digitale Produkte und Dienstleistungen sowie neue Geschäftsmodelle begeistern. Ihr solltet eine Ausbildung im Bereich BWL und Entrepreneurship, Innovationsmanagement bzw. Business Building mitbringen und erste Erfahrung in diesem Bereich gesammelt haben - auch gerne in einem Start-up oder als Gründer:in. Bei uns ist es wichtig, sich nicht davor zu scheuen, die Ärmel hochzukrempeln und Dinge selber zu erledigen, aber auch seine eigene Meinung zu äußern. Da wir sowohl intern als auch extern in einem sehr internationalen Umfeld unterwegs sind, sind gute Englischkenntnisse für uns essentiell. Ansonsten wäre mein Tipp: “Bring your whole self to work and to us.” Sei einfach du selbst, dann bist du am authentischsten. Und genau das ist die Voraussetzung für ein kollaboratives, aufgeschlossenes, aber auch innovationsfreudiges Umfeld, das wir in unserem Team brauchen.