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EU-Binnenmarkt: ungenutzte Chancen für die Industrie

Bürokratieabbau in Europa könnte Absatz in EU-Länder deutlich steigern

  • Profitieren würden vor allem Maschinenbau und Elektroindustrie.
  • Deloitte-Experte: „Der EU-Binnenmarkt ist ein schlafender Riese für die Industrie.“
  • Wachsender Protektionismus dürfte Exporte in die USA um -3,2 Prozent schrumpfen lassen.

München, 25. März 2025 – Der europäische Binnenmarkt birgt erhebliche, bislang ungenutzte Chancen: Die Exporte der deutschen Industrie in die wichtigsten europäischen Märkte könnten ein deutlich höheres, in manchen Ländern doppelt so starkes Wachstum verzeichnen, würden bestehende Handelshemmnisse wegfallen. Profitieren würden davon insbesondere der Maschinenbau und die Elektroindustrie, in geringerem Umfang auch die Automobil- und Chemiebranche, wie eine aktuelle Projektion von Deloitte zeigt. 

Innerhalb der EU geltende Anforderungen, Normen und Berichtspflichten kommen nach Berechnungen des Internationalen Währungsfonds (IMF) einem Binnenzoll von 44 Prozent auf Industriegüter gleich. Würden diese Handelshemmnisse vollständig abgebaut, könnten die Exporte der deutschen Industrie in den größten europäischen Absatzmarkt Frankreich bis 2035 um durchschnittlich 3,9 Prozent pro Jahr wachsen. Ohne europäische Deregulierung sind es nach Deloitte-Berechnungen in einer zunehmend protektionistischen Welt 2,7 Prozent. In den zweit- und drittgrößten EU-Märkten Niederlande und Italien könnte das Absatzwachstum bei 5,2 und 4 Prozent liegen – gegenüber 2,9 und 1,8 Prozent ohne Bürokratieabbau. 

Der Abbau von Handelshemmnissen in Europa könnte befreiend wirken. „Der EU-Binnenmarkt ist ein schlafender Riese für die deutsche Industrie“, sagt Oliver Bendig, Partner und Leiter der Industrieberatung bei Deloitte. „Angesichts zunehmend protektionistischer Tendenzen im Welthandel kann die Industrie in Deutschland einen Wachstums-Boost aus Brüssel gut gebrauchen.“ 

Denn die zunehmenden Barrieren im weltweiten Handel belasten die Absätze der exportorientierten deutschen Industrie. Treten alle Zölle und Gegenzölle, die seit Beginn des Jahres angekündigt wurden (Stand 15. März), in Kraft, dürften die Exporte der deutschen Industrie in den größten Absatzmarkt USA bis 2035 um -3,2 Prozent pro Jahr schrumpfen. Das wäre ein deutlicher Rückgang im Vergleich zu den +3 Prozent jährlich, mit denen die Exporte in die USA in den fünf Jahren vor der Corona-Pandemie gewachsen sind. 

Befreiende Wirkung

Die europäischen Märkte gewinnen damit an Bedeutung, geraten jedoch durch die Verschiebung der globalen Handelsströme ebenfalls unter Druck. Wuchsen  die Absätze in den größten europäischen Märkten in den fünf Jahren vor der Pandemie im Durchschnitt um 3,7 Prozent pro Jahr, wird das Wachstum in den Jahren bis 2035 nach Deloitte-Berechnungen mit den aktuell geplanten Zöllen bei durchschnittlich 2,5 Prozent liegen. 

Von einer Deregulierung des europäischen Binnenmarktes profitiert nach der vorliegenden Projektion vor allen der Maschinenbau. Die Absätze in den größten Markt Frankreich könnten um 3,8 Prozent wachsen, würde nur die Hälfte der Handelshemmnisse abgebaut; in den Niederlanden und Italien wäre mit einem Absatzwachstum von 3,8 und 4,3 Prozent jährlich bis 2035 zu rechnen. Für die Automobilindustrie fällt das Potenzial mit 3,2 Prozent pro Jahr in Frankreich, 1,7 Prozent in den Niederlanden und 2,9 Prozent in Italien etwas geringer aus. 

„Die ersten Ideen zur Vereinfachung der Rahmenbedingungen, zum Beispiel durch die EU-Omnibus-Initiative, sind wichtige Schritte für eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit“, sagt Dr. Jürgen Sandau, Partner und Lieferkettenexperte bei Deloitte. „Doch auch die Wirtschaft selbst muss reagieren. Die Unternehmen sind gut beraten, insbesondere Logistik- und Versorgungsketten flexibler und effizienter zu gestalten."

Die aktuelle Publikation Handelsschranken im europäischen Binnenmarkt finden Sie hier.