Es gibt eine Vielzahl von Unsicherheiten, wie sich die Zukunft der Netzwirtschaft für und durch die verschiedenen Marktakteure ändert. Deloitte stellt die Zukunft der Verteilnetze in verschiedenen Szenarien auf den Prüfstand. Wie wird die Zukunft der Netzwirtschaft aussehen und welche Implikationen ergeben sich für die verschiedenen Akteure? Um diese Fragen zu beantworten haben wir vier Szenarien entwickelt.
Um sich bestmöglich auf zukünftige Herausforderungen vorzubereiten, müssen Verteilnetzbetreiber und Energieversorger Ihren Blick gleichzeitig auf verschiedene Welten richten. Es reicht nicht aus, sich auf eine singuläre Vision der Energiezukunft zu verlassen, die sich aus dem derzeitigen kollektiven Narrativ von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft formt. Der Blick in die jüngste Vergangenheit zeigt, dass dieses Narrativ sich fortlaufend ändern kann, sei es durch singuläre Quantensprünge (Atomausstieg, COVID-19-Pandemie) oder stetigen, nachhaltigen Wandel (Digitalisierung, Energiewende). Die nachfolgenden Szenarien präsentieren daher konkrete Ansätze zur Strukturierung von Strategien zur Begegnung dieser Herausforderungen.
Szenario 1: Orchestrierung der Massen
Im ersten Szenario, "Orchestrierung der Massen", sind, neben der heutigen erneuerbaren Energieerzeugung, in den Haushalten auch kleine Energieanlagen üblich. Als sogenannte „Flexumer“ erzeugen und vermarkten Haushalte erneuerbare Energie und Flexibilität, ermöglicht durch effiziente Mikronetze und lokale Energiemärkte. Die Verteilernetzbetreiber profitieren stark von diesen Entwicklungen, die auf ihre Stärken einzahlen, und werden von den Regulierungsbehörden beauftragt, wichtige Aufgaben bei der Marktorchestrierung und dem Netzausgleich zu übernehmen. Die Regulierungsbehörden fördern diese Entwicklungen durch vorausschauende Vergütungssysteme und eine liberale Wettbewerbsregulierung weiter.
Szenario 2: Dezentrale Rivalität
Das zweite Szenario, "Dezentrale Rivalität", beschreibt eine Welt, in der die dezentrale Erzeugung erneuerbarer Energien aufgrund der niedrigen Kosten dieser Technologien allgegenwärtig ist. Der soziale Druck für saubere Energie und die Nachfrage nach Autarkie ist hoch. Kleine Erzeugungs- und Speichergeräte in den Haushalten sind weit verbreitet. Die Verbraucherpräferenz für Komfort verhindert jedoch deren Einsatz zu Regelungszwecken. Daher muss der Netzausgleich durch andere Mittel gewährleistet werden, wobei man sich meist auf traditionelle Netzaufrüstungen und kommerzielle, vorqualifizierte Flexibilitätsanlagen stützt.
Szenario 3: Grüne Giganten
Im dritten Szenario, "Grünen Giganten", ist die Not-in-my-backyard-Mentalität Mainstream, und die Installation erneuerbarer Anlagen erfolgt weitgehend zentral in großflächigen Anlagen an den Außengrenzen Europas. Ermöglicht wird dies durch die Bemühungen der EU, ein integriertes europäisches Übertragungsnetz zu schaffen. Initiativen zur Beteiligung der Privathaushalte an der Energiewende (z.B. PV, Batterie) sind ins Stocken geraten. Die Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) verwalten das intereuropäische Stromnetz auf übergeordneter Ebene, wobei die Verteilnetzbetreiber (VNB) den Strom an die Endverbraucher verteilen. Für VNB ist der klassische Netzausbau die Methode der Wahl, da im Verteilungsnetz wenig Intelligenz erforderlich ist und ein hohes CAPEX-Vergütungssystem vorherrscht.
Szenario 4: Neue Wege
Das vierte Szenario schließlich, "Neue Wege", beschreibt eine Welt, in der die gegenwärtige Energiewende durch inkrementelle technologische Fortschritte bei der großtechnischen grünen Erzeugung unterstützt wird. Fortschritte in der CCS-Technologie ermöglichen es auch der konventionellen Erzeugung, zum Energiemix beizutragen. Um die gesellschaftlichen Kosten der Energiewende zu mindern, setzen die Regulierungsbehörden Gesetze zur Kostensenkung und zur Förderung von Innovationen bei netzstabilisierenden Anlagen um. Aufgrund der zentralisierten Strukturen des Energiesystems bleiben die ÜNB die gesamtverantwortliche Ausgleichsinstanz und können dabei auf erhebliche Ressourcen aus einem intelligenten Übertragungsnetz zurückgreifen. Die VNB spielen beim Energietransit zwischen Netz und Verbraucher eine immer geringere Rolle.
Es liegt an Verteilnetzbetreibern und Energieversorgern die für Ihre jeweiligen Organisationen relevanten Implikationen und Ziele festzulegen, Lücken zu identifizieren und konkrete Handlungsoptionen zu definieren. Das Management der identifizierten Treiber wird in jedem Szenario unerlässlich. Es gilt für Unternehmen zu bestimmen, welche Entwicklungen aktiv beeinflusst werden können und wo eine Entschärfung der Auswirkungen notwendig ist. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor wird das effektive Stakeholder-Management sein: Wie können Energieunternehmen die Reise ihrer Kunden in den Szenarien gestalten? Welche Möglichkeiten bestehen bei der Gestaltung der Netzregulierung? Was bedarf es, um Investoren zu lenken? Welche Stakeholder müssen generell informiert werden?
Mit der Studie „Netzwirtschaft 2050 – Szenarien für deutsche Verteilnetzbetreiber“ wagen wir einen Blick in die Zukunft und geben konkrete Handlungsansätze, um diesen Herausforderungen zu begegnen. Laden Sie hier die Studie herunter und erfahren Sie mehr.