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Supply Chain Pulse Check 2024

Wie Geopolitik neue Handelswege prägt

Deutschlands Wohlstand ist stärker von Exporten und der Industrie abhängig als das in anderen Ländern der Fall ist. Geopolitische Trends und Verschiebungen – wie neuer Protektionismus und verschärfte geopolitische Blockbildung – beeinträchtigen die internationalen Handelsbeziehungen und die Exportlandschaft für Deutschland. Damit stellen sich folgende zentrale Fragen: Wie verändert sich künftig das Exportwachstum in den wichtigsten Absatzmärkten der deutschen Industrie und welche neuen Märkte könnten sich abzeichnen? Wie sollten die deutschen Industrieunternehmen darauf reagieren?

Download: Supply Chain Pulse Check Vertiefungsanalyse Herbst 2024

Die Vertiefungsanalyse des Supply Chain Pulse Check im Frühjahr 2024 hat gezeigt, wie stark die deutsche Industrie importseitig beim Zugang zu Rohstoffen und Vorprodukten unter Druck steht. Diese Spezialausgabe verdeutlicht, dass Deutschland künftig auch exportseitig herausgefordert ist in einem sich wandelnden globalen Wirtschaftsumfeld. In einem quantitativen Handelsmodell, das mehrere Länder und Sektoren umfasst und die entscheidenden Einflussfaktoren des Exportwachstums (d.h. BIP-Wachstum, Zölle und nicht-tarifäre Maßnahmen) berücksichtigt, haben wir zwei Szenarien simuliert, um die potenziellen Verschiebungen in den Handelskorridoren der deutschen Industrie von 2023 bis 2035 zu modellieren. Im ersten Szenario entwickeln sich die Handelsbeziehungen bis 2035 vergleichbar mit dem Niveau der letzten Jahre weiter (multipolares Szenario). Im Zweiten verschärft sich hingegen die geopolitische Blockbildung zwischen den Ländern des Westens (v.a. USA, EU-Mitgliedsstaaten) und China sowie einem erweiterten BRICS-Bündnis („Westen vs. BRICS plus“-Szenario). Es entsteht neuer Protektionismus, der sich stark auf die globalen Handelsbeziehungen auswirkt.

Zentrale Ergebnisse der Studie im Überblick


Exportmarkt USA kann schwächelnde Ausfuhren nach China nicht kompensieren

Im Falle einer verschärften Blockbildung zwischen dem „Westen“ und „BRICS plus“ würden die Exporte in die USA stark wachsen (4,0%), die nach China aber abnehmen (-6,0%). Das bemerkenswerte Wachstum des Exportmarktes USA könnte zukünftig einen beachtlichen Anteil des Rückgangs in China ausgleichen. Unabhängige Märkte in Südostasien könnten zusätzlich einen weiteren Teil kompensieren. Einzig alle europäischen Märkte zusammen hätten aber das Potenzial, China als wegfallenden Exportmarkt umfassend abzufedern.

Fragmentierung und Blockbildung gefährden deutsche Exporte nach Indien und Brasilien

Die deutschen Exporte nach Indien würden im multipolaren Szenario mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 5,7 Prozent bis 2035 wachsen und könnten ein großer Wachstumstreiber sein. Im Fall einer verschärften Blockbildung könnte daraus aber ein negativer Export-CAGR von –5,7 Prozent resultieren. Dieser Effekt gilt in kleinerem Umfang auch für Brasilien.

Trotz geringen Wachstums bleibt Europa ein wichtiger Absatzmarkt

Europäische Exportmärkte würden in beiden Szenarien nur einen durchschnittlichen Export-CAGR von 2,0 Prozent bis 2035 aufweisen. Wegen ihrer Größe und der politischen und geografischen Nähe bleiben aber Märkte wie Frankreich, die Niederlande oder Italien bedeutend für die deutsche Industrie. Das Potenzial für überdurchschnittliche Wachstumsraten deutscher Exporte gibt es zudem für einzelne Sektoren, u.a. in der Automobilbranche in Frankreich, Polen und Österreich und für den Maschinenbau in Spanien und Österreich.

Kleinere Märkte in Asien wachsen unabhängig von Blockbildung


Es wird eine große Vielfalt von Märkten geben, die starkes Wachstum für deutsche Exporte aufweisen und die Komplexität der Exportlandschaft erhöhen. Die Exportmärkte, die das stärkste Wachstumspotenzial für die deutsche Industrie aufweisen, sind dabei oft unabhängige Länder, die keinem Block zugehören wollen oder starke Schlüsselindustrien aufweisen. Die Philippinen, Vietnam, Australien und Taiwan weisen bei beiden Szenarien die höchsten Wachstumsraten für den deutschen Export auf (jeweils zwischen 3,6 und 6,6%).

„Ohne den europäischen Markt wird es für die Industrie auch künftig nicht gehen, doch den fehlenden Rückenwind aus den USA und China wird das kaum wettmachen.“
Oliver Bendig, Partner, Lead Industrial Products & Construction

Zentrale Umfrageergebnisse

Zentrale Handlungsempfehlungen


Regelmäßig geopolitische Trends und Risiken in Exportmärkten einschätzen

Geopolitische Entwicklungen und Auswirkungen auf wichtige Exportmärkte (u.a. Beitritte zu Blöcken oder Neutralität/Unabhängigkeit von Ländern) müssen kontinuierlich beobachtet und eingeschätzt werden (Risk Monitoring). Dazu braucht es u.a. eine gute Vernetzung mit politischen Entscheidungsträgern, Think Tanks etc. und die Nutzung von lokalem Wissen zu politischen Entwicklungen vor Ort.

Geopolitische Szenarien und zukünftige Handelsmuster modellieren

Die Modellierung verschiedener geopolitischer Szenarien bietet neue Einblicke in mögliche zukünftige Handelsmuster und Veränderungen in Exportmärkten. Neue Märkte und ihr Wachstumspotenzial für Exporte können in solchen Simulationen erkannt und Rückgänge in einzelnen Märkten frühzeitig antizipiert werden – ebenso Märkte, die Kompensationspotenziale aufweisen.

Markt-, Lieferketten- und Produktionsstrategien überdenken und anpassen

Das Risk Monitoring und die Modellierung von geopolitischen Szenarien für Exportmärkte können nicht nur wertvolle Beiträge für die künftige Ausrichtung von Exportmärkten liefern, sondern auch für die Optimierung von Lieferketten und Anpassung von Produktions-Footprints.• Steuerrechtliche Konsequenzen für die Optimierung der Lieferketten prüfenDabei müssen notwendige Anpassungen an den systemischen bzw. physischen Wertströmen von Vorproduktion, Halbfertigwaren und Warenlagern berücksichtigt werden. Es gilt ebenfalls, bürokratische Hürden und Aufwände gegeneinander abzuwägen und zukünftige Entwicklungen zu antizipieren, um die bestmögliche Lösung auch bei einem Zielkonflikt z.B. zwischen Gesamtkosten, Resilienz und Flexibilität zu erzielen.

Investitionen in „neutrale“ bzw. „blockfreie“ Länder prüfen

Die Prüfung der Investitionen muss vor dem Hintergrund sich möglicherweise stärker und schneller wandelnder geopolitischer Veränderungen erfolgen, soweit die sonstigen Rahmenbedingungen und Perspektiven für diese Länder günstig sind (z.B. Lohnstückkosten, politische Stabilität, Arbeits- bzw. Fachkräftemarkt etc.) und in die Gesamtstrategie des Unternehmens passen.

Vorherige Ausgaben

 

Supply Chain Pulse Check – Frühjahr 2024
Lieferketten und Margen unter Druck – Technologie als Hoffnungsträge
Deutsche Ausgabe | Englische Ausgabe


Supply Chain Pulse Check – Vertiefungsanalyse 2024

Wie abhängig ist Deutschland von kritischen Rohstoffen?
Deutsche Ausgabe 


Supply Chain Pulse Check Herbst 2023

Wertschöpfung im Wandel – Standort zunehmend unter Druck
Deutsche Ausgabe | English Version
 

Supply Chain Pulse Check Frühjahr 2023
Neue Risiken für die Lieferkette und den Standort Deutschland 
Deutsche Ausgabe | English Version 

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