Notwendige Strukturreformen und eine proaktive Nutzung des
Gestaltungsspielraums von Führungskräften der öffentlichen Verwaltung können zur Modernisierung des Staates beitragen. Anhand von Umfrage- und Interviewergebnissen zeigen wir Handlungsfelder und mögliche Lösungsansätze auf, die die staatliche Umsetzungsfähigkeit stärken
können.
Die Wahrnehmung der Umsetzungsfähigkeit der Verwaltung befindet sich auf einem Tiefpunkt. Unsere repräsentative Befragung von 10.000 Bürger:innen und 2.000 Führungskräfte aus der Privatwirtschaft zeigt: Nur ein Fünftel der Befragten traut der öffentlichen Verwaltung zu, dass sie sich selbst modernisieren kann. Interviews mit Führungskräften aus der Verwaltung ergänzen die Umfrageergebnisse um tiefe Einblicke: Was hindert die Umsetzungsfähigkeit der Verwaltung? Wo kann konkret angesetzt werden, um die Verwaltung zu stärken und das Vertrauen der Bürger:innen wieder herzustellen? Welche Möglichkeiten haben Führungskräfte und wie können sie ihren eigenen Handlungsspielraum ausnutzen und erweitern?
Anhand von fünf Thesen zeigen wir auf, wie die staatliche Umsetzungsfähigkeit wahrgenommen wird, inwiefern es unterschiedliche Wahrnehmungen gibt, wo die Herausforderungen liegen, welche strukturellen Reformen benötigt werden und wie Führungskräfte diese als Gestaltungsspielraum nutzen können.
Die Daten verdeutlichen ein grundlegendes Vertrauensdefizit. Das Vertrauen in die Fähigkeit der Verwaltung, flexibel und zukunftsorientiert zu agieren, ist sowohl in der breiten Bevölkerung als auch in der Wirtschaft gering. Gleichzeitig sieht sich die Verwaltung an den strukturellen Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit.
Viele Verwaltungsangehörige sehen ihre zentrale Aufgabe in der Erfüllung gesetzlicher Aufträge und politischer Entscheidungen. Dieses Selbstverständnis steht im Konflikt mit den Erwartungen der breiten Bevölkerung und der Wirtschaft. Es werden sichtbare Ergebnisse erwartet, wie beispielsweise das entschiedene Voranbringen der Digitalisierung. Diesem Anspruch kann die von Krisen getriebene Verwaltung derzeit nicht ausreichend gerecht werden.
Als größte Herausforderungen sehen 82 Prozent der Führungskräfte aus der Wirtschaft und 80 Prozent der Bürger:innen das Übermaß an Bürokratie und Regulierung. Dies deckt sich mit der Erfahrung der Führungskräfte der Verwaltung: Die Komplexität und Geschwindigkeit der Gesetzgebung in Kombination mit einer kritischen Personallage und einem hohen Koordinierungsaufwand gefährden die Vollzugstauglichkeit der Verwaltung.
Die quantitativen und qualitativen Umfrageergebnisse zeichnen ein deutliches Bild: Dem Bürokratieabbau, der Digitalisierung der Verwaltung und einer Verwaltungsreform werden große Potenziale eingeräumt. Wesentliches Verbesserungspotenzial sehen die Führungskräfte der Verwaltung in der Schnittstelle zwischen politischen Entscheidungen und deren Umsetzung. Eine strukturelle Modernisierung muss Prozesse Ende-zu-Ende denken und Abläufe optimieren. Dazu gehört eine effiziente und effektive Digitalisierung, welche Durchgängigkeit und Vernetzung zum Ziel haben muss. Gleichwohl ist die Digitalisierung kein Allheilmittel und muss von grundlegenden Modernisierungsreformen sowie einer kritischen Betrachtung der Aufgaben und Vollzugsmechanismen begleitet werden.
Für das Gelingen der Modernisierung müssen Behördenleiter:innen Freiräume gezielt ausschöpfen und diese ihren Mitarbeitenden gleichermaßen eröffnen. So können sie Innovationen vorantreiben, Silostrukturen überwinden und eine Kultur des gemeinsamen Lernens etablieren. Führungskräfte, die diese Balance zwischen Vorgaben und Eigeninitiative meistern, können die Verwaltung nicht nur als Dienstleister der Politik positionieren, sondern auch als aktiven Mitgestalter moderner, zukunftsfähiger Lösungen.
In den kommenden Monaten greifen wir die fünf Thesen in einem
umfangreicheren Report auf und betrachten weiterführende Lösungen.
Hier werden die Erkenntnisse aus den Umfragen und Interviews entlang von vier Verwaltungsbereichen weiter vertieft und konkrete Handlungsempfehlungen für die Stärkung der staatlichen Umsetzungsfähigkeit abgeleitet.
Es wird deutlich, dass eine Modernisierung von Staat und Verwaltung notwendig ist, die etablierte Prozesse und über die Jahre gewachsene Strukturen auf den Prüfstand stellt. Dabei muss die Politik entsprechende Reformvorhaben priorisieren und angehen. Gleichwohl sollten auch Führungskräfte der öffentlichen Verwaltung ihren eigenen Handlungsspielraum nutzen, und die Transformation der eigenen Organisation vorantreiben.
Felix Dinnessen
Partner | Government & Public Services